Die antizionistische Linke ist unzufrieden

Der ungebrochene Mythos

Die antizionistische Linke findet auch zehn Jahre nach Israels Rückzug aus dem Gaza-Streifen keinen Grund zur Freude. Damals wie heute kann nichts an ihrer Weltsicht rütteln.

Als die israelische Armee vor zehn Jahren die Siedlungen im Gaza-Streifen räumte, hätte man glauben können, dass die antizionistische Linke diesen Schritt feiern würde. Schließlich wurde damit ihre jahrzehntelang erhobene Forderung nach einem Abzug Israels aus den umstrittenen Gebieten teilweise erfüllt. Doch das Gegenteil war der Fall: Der »Räuber« habe lediglich »einen unbedeutenden Teil seiner Beute« zurückgegeben, hieß es beispielsweise in der jungen Welt. Keineswegs sei nun die grausame israelische Herrschaft über Gaza beendet, sagten andere. Vielmehr werde bloß die direkte Kontrolle über die Palästinenser durch indirekte ersetzt, die ohnehin viel effektiver sei. Außerdem räume Israel den Gaza-Streifen nur, um dafür mehr Siedlungen im Westjordanland zu bauen. Kurzum: Die Abkopplung erschwere die Entstehung eines palästinensischen Staates sogar, statt sie zu erleichtern.
Ein klassischer Fall von »damned if you do and damned if you don’t«, typisch für den Antisemitismus wie auch für seine geopolitische Reproduktion, den Antizionismus. An dieser Haltung änderte sich auch nichts, als die islamistische Hamas das Machtvakuum im Gaza-Streifen füllte und damit begann, einen Raketenhagel nach dem anderen auf Israel niedergehen zu lassen. Im Gegenteil: Als der jüdische Staat nun notgedrungen die Grenzkontrollen verschärfte und eine Seeblockade errichtete, lautete der Vorwurf der antizionistischen Linken fortan, er habe aus Gaza »das größte Freiluftgefängnis der Welt« gemacht. Das war nach dem Abzug der Siedler und dem Ende der Besatzung die neue Sprachregelung. Mit anderen Worten: Was auch immer Israel tut oder lässt, die Antizionisten sehen darin stets eine Bestätigung für die abgrundtiefe Bösartigkeit. Folgerichtig entlocken ihnen die Machtübernahme durch die Hamas sowie deren Terror gegen Israel und die Bevölkerung Gazas nicht mehr als ein Achselzucken.
Aus ihrem Kampf gegen die Besatzung machten sie jetzt einen Kampf gegen die »Belagerung«, durch die die Bewohner des Gaza-Streifens um ihre Lebensgrundlagen gebracht würden. »Free Gaza« lautete nun die Forderung, die seitdem in ungezählten Aktionen wiederholt worden ist. Die wohl bekannteste davon – und gleichzeitig eine zutiefst symptomatische – war ein Schiffskonvoi im Mai 2010, mit dem ein großes antizionistisches Bündnis aus europäischen »Friedensaktivisten« und türkischen Islamisten versuchte, die Blockade vor der Küste des Gaza-Streifens zu durchbrechen. An Bord hatten die Kähne überwiegend Schrott wie abgelaufene Medikamente, defekte Rollstühle und abgenutztes Kinderspielzeug – es war die Camouflage einer humanitären Mission. Denn die Aktion der »Freiheitsflotte« diente nicht dazu, den Bewohnern von Gaza zu helfen. Vielmehr ging es darum, im wahrschein­lichen Fall, dass die israelische Marine die Schiffe stoppt, möglichst spektakuläre Bilder zur Dämonisierung und Delegitimierung des jüdischen Staates zu produzieren und sich selbst als Opfer zu inszenieren. So kam es auch.
Zehn Jahre nach dem israelischen Abzug ist der Mythos Gaza bei den antizionistischen Linken ungebrochen. Und wie auch die antisemitischen Aufmärsche während des jüngsten Gaza-Krieges im Sommer 2014 gezeigt haben, schrecken sie nicht einmal vor der Koalition mit Islamisten zurück. Im Kampf gegen den jüdischen Staat und dessen Existenz – um nichts anderes geht es ihnen – ist ihnen jeder Bündnispartner recht.