Gute Nacht!

Von Ivo Bozic

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Man möchte gar nicht mehr hinsehen. Flüchtlingsabwehr, Syrien, Pegida, Erdoğan, palästinensischer Terror, Islamischer Staat, Putin, Werder Bremen … Und das geht immer so weiter. Und dann auch noch Winter! Man möchte abtauchen, der Welt entfliehen, lieber irgendwas mit Tieren machen. Am besten wie sie Winterschlaf halten und hoffen, dass im April alles ein bisschen besser aussieht. Fledermäuse, Igel, Murmeltiere verabschieden sich im Herbst ins Reich der Träume. Siebenschläfer, Birkenmaus und andere Warmblüter verschlafen mehr als ein halbes Jahr. Sogar Primaten, nämlich die Westlichen Fettschwanzmakis, die auf Madagaskar leben, verpennen sieben Monate des Jahres.
Wenn schon kleine Affen Winterschlaf halten, warum dann nicht auch große wie wir? Angeblich soll es im ­sibirischen Pskow mal ein Völkchen gegeben haben, das Winterschlaf hielt. Nur einmal am Tag seien die Menschen kurz aufgestanden, um nach dem Feuer zu sehen, ein Stückchen Brot zu essen und ein Schlückchen Wasser zu trinken. Kann sein, dass die Geschichte nicht stimmt. Egal. Auch ohne Winterschlaf zu halten, verschlafen wir im Durchschnitt 24 Jahre und vier Monate unseres Lebens. Das ist die bessere Zeit! Jedenfalls besser als die zwölf Jahre unseres Lebens, die wir in Deutschland vor dem Fernseher verbringen. Oder die acht Jahre, die wir mit Lohnarbeit vergeuden, und sogar als die neun Lebensmonate, in denen wir Wäsche waschen und bügeln. Aber selbst das ist angenehmer, als sich den täglichen Nachrichten auszusetzen.
Voraussetzung für einen zünftigen Winterschlaf ist natürlich, ein Dach über dem Kopf zu haben. Darauf können nicht alle hoffen in Deutschland. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe gab bekannt, die Obdachlosigkeit sei in den vergangenen zwei Jahren um 50 Prozent gestiegen, auf jetzt 39 000 Personen, die dauerhaft auf der Straße leben. Zähle man die Menschen mit, die in Notunterkünften und Wohnheimen pennen, also auch Flüchtlinge, seien es 335 000. Die Zahlen sind allerdings von 2014 und dürften schon wieder veraltetet sein. Die Zahl der Obdachlosen in der kanadischen Kleinstadt Medicine ist und bleibt: null. 2009 gab es dort noch besonders viele. Doch mit dem Programm »Hou­sing First« hat man jedem Menschen, der mindestens zehn Tage obdachlos war, eine Wohnung zur Verfügung gestellt, einfach so, ohne Gegenleistungen zu erwarten. Reiner Humanismus war das nicht. Man hatte ausgerechnet, dass die Bereitstellung einer Wohnung rund 20 000 Euro pro Jahr kostet, die Obdachlosenhilfe hin­gegen kostete die Stadt pro Person 100 000 Euro jährlich. Natürlich geht das nicht in Großstädten wie Berlin und Hamburg. Aber gerade dort sind Ideen für den Winter gefragt, wie Flüchtlingen und Obdachlosen durch die kalte Zeit geholfen werden kann. Im Winterschlaf auf den Kommunismus zu warten, wird nicht reichen.