Das Wiesbadener Café Klatsch betreibt Crowdfunding in eigener Sache

Klatsch ohne Konsumzwang

Dem Café Klatsch in Wiesbaden, einem der ältesten Kollektivbetriebe in Deutschland, droht das Ende. Eine Spendenkampagne soll die Rettung bringen.

Eine große Stammkundschaft, ein gutes Arbeitsklima, ein umfangreiches Programm – viele Kneipiers wären neidisch auf das, was das Café Klatsch in Wiesbaden vorzuweisen hat. Dennoch ist die Zukunft für das Kneipenkollektiv ungewiss. Denn der Besitzer der Immobilie, in der sich das Café Klatsch seit 31 Jahren befindet, will diese verkaufen.
Eine Gruppe Wiesbadener Linker gründete den Kollektivbetrieb Anfang der achtziger Jahre. Die Beteiligten hatten die Prügelorgien der Polizei an der Startbahn West des Frankfurter Flughafens erlebt und sich gemeinsam am Widerstand gegen die damals in Wiesbaden stattfindende Militärmesse Mede beteiligt. Ihnen gelang es 1984, den düsteren Saal der ehemaligen »Bierfestung Barbarossa« im Wiesbadener Rheingau-Viertel zu mieten. Mit Hilfe vieler Unterstützer wurden die großen Gasträume renoviert und in eine Kneipe mit explizit linkem Charakter verwandelt. Schon am Tag der Eröffnung konnte sich das neue Lokal mit dem Namen Café Klatsch nicht über einen Mangel an Gästen beschweren. Der Ansturm blieb so groß, dass sich das Betreiberkollektiv schnell von elf auf 33 Leute vergrößerte. Die Idee eines politischen und dennoch angenehm entspannten Treffpunkts war im bürgerlichen Wiesbaden sichtlich gut angekommen.

In den folgenden Jahren entwickelte sich im Café Klatsch ein Programm aus Informationsveranstaltungen, Ausstellungen, Konzerten sowie Theater- und Zirkusaufführungen. Eine große Auswahl an anarchistischen, autonomen und linken Zeitungen und Zeitschriften lag und liegt aus. Mitglieder des Kollektivs beteiligten sich an der Organisation der Libertären Tage 1987 und 1993 und engagierten sich in der Anti-AKW-Bewegung sowie in der Antifa. War das Lokal bis Anfang der neunziger Jahre aber eher ein autonomer Szenetreff, so hat es inzwischen eine weit darüberhinausgehende Stammkundschaft. Unverändert handelt es sich um ein Lokal ohne Konsumzwang.
Seit 31 Jahren wird das Café Klatsch kollektiv betrieben, Entscheidungen werden mit Konsensbeschluss getroffen und die Arbeiten nach Einheitslohn bezahlt. In wöchentlichen Plena besprechen die Mitglieder des Kollektivs den Café-, Restaurant- und Barbetrieb, die Unterstützung anderer Projekte, Veranstaltungen und nicht zuletzt die Arbeitsbedingungen. Kein Mensch, der ins Kollektiv einsteigt, muss sich einkaufen, niemand zieht Gelder ab, wenn er oder sie aussteigt.

Es könnte also so weitergehen. Doch der Besitzer der Immobilie, dessen Verhältnis zum Kollektiv in den vergangenen 31 Jahren unbelastet war, hat diese nun zum Verkauf angeboten. Was nach einem Besitzerwechsel mit dem Café Klatsch geschehen würde, wäre von den Plänen des Käufers abhängig und deshalb unkalkulierbar. Die Mitglieder des Wiesbadener Vereins »Linksroom« hatten eine Idee, deren Verwirklichung das Bestehen des Lokals gewährleisten würde: Der Ankauf des Gebäudes böte nicht nur die Möglichkeit, das Café Klatsch als Raum mit emanzipatorischem Anspruch zu sichern, sondern auch die Chance, die Immobilie dauerhaft dem Markt zu entziehen.
Freilich kann weder das Kollektiv noch Linksroom allein den Kaufpreis von 250 000 Euro aufbringen. Deshalb hat der Verein unter dem Motto »500 x 500« eine bundesweite Unterstützungskampagne begonnen. Die Rechnung ist einfach: Gesucht werden 500 Menschen, die jeweils 500 Euro spenden. Wer sogar einen niedrig verzinsten Direktkredit geben möchte, ist auf www.linksroom.de ebenfalls herzlich willkommen. »Es sieht gut aus«, sagt Dennis, der sich im Kollektiv des Café Klatsch engagiert. »Bis heute, 20. November, haben wir schon 200 000 Euro zusammen. Wir sind optimistisch, im Endspurt bis Weihnachten auch noch die fehlenden 50 000 aufzutreiben.«
Dem Verein geht es insgesamt aber um mehr als das Café Klatsch. »Wiesbaden braucht Freiräume jenseits des bürgerlichen Mainstreams, in denen sich Menschen ohne Konsumzwang treffen können«, schrieb er kürzlich in einer Pressemitteilung.