Willkommen zu erfrieren

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Hoch über den Regenschirmen glitzert ein Selfie-Stab. An seinem Ende ist ein Zettel mit der Aufschrift »iChange, organise!« angebracht, umrahmt von einer Lichterkette. Etwa 400 Demonstranten stehen an diesem verregneten Sonntagabend vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Berlin-Moabit, um gegen die menschenunwürdige Behandlung von Flüchtlingen zu protestieren. Sie zeigen sich solidarisch mit den Asylsuchenden, die dort in einer Schlange noch bis spät in die Nacht auf der Straße frieren müssen. Protestschilder richten sich mit Slogans wie »Flüchtlingskrise? Verwaltungskrise!« oder »Erst willkommen, dann erfrieren« gegen die Behandlung im Lageso, das mittlerweile Deutschlands Lampedusa genannt wird. Gruppen wie »Moabit hilft« und »Nachts vor dem Lageso« koordinieren die Kundgebung. Normalerweise werben sie um Sachspenden beziehungsweise berichten über die Zustände in Moabit. Verschiedene Beiträge werden verlesen. Dazwischen singen Musiker eine Coverversion von John Lennons »Imagine«, Raptexte und solidarische Lieder. Auch andere Aktionen werden bekanntgegeben, etwa eine Petition, die sich auf change.org an den Regierenden Bürgermeister Berlins, Michael Müller (SPD), und den Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja (CDU), richtet und innerhalb von 48 Stunden mehr als 50 000 Unterschriften erhielt. Die Initiatoren verlangen, »dass vergebene Termine am Lageso eingehalten« werden, die »Obdachlosigkeit abzuwenden und zu gewährleisten, dass das Sicherheitspersonal die Geflüchteten schützt und nicht gefährdet«. Geflüchtete Menschen sind gezwungen, für einen Termin früh am Morgen bereits am Vorabend auf der Straße zwischen Absperrgittern, Security und Polizei anzustehen. Zudem müssen sie sich am Folgetag nochmals registrieren lassen, um ihre Leistungen zu erhalten. Seit August sind die Zustände im Lageso katastrophal, nun wird das Wetter noch widriger.