Bass und Harfe

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Joanna Newsom hätte das nicht tun sollen. Was hatten sich alle verliebt in »die Magie ihrer Musik«, von der das Feuilleton schrieb, in »dieses elfische Wesen«, »die Harfenfee« und in die Art und Weise, mit der sie »die Harfe im Alleingang zum Popinstrument gemacht hat«.
In den Rezensionen ihres jüngsten Albums werden die abgedroschensten Formulierungen zwar größtenteils vermieden. Aber aus der Welt sind die Verniedlichung und Degradierung der Künstlerin und ihrer tatsächlich unverwechselbaren Musik damit noch lange nicht.
Dennoch, das hätte sie nicht tun sollen. Es ist, als wolle sie Rache für all die falschen Einsortierungen und Beschreibungen nehmen: Mit »Divers« veröffentlicht Newsom ein Dub­step-Album. Na gut, ganz so ist es nicht gekommen. Aber verglichen mit ihren vorangegangenen Veröffentlichungen ist ihr viertes Album Bassmusik. Mit selten eingesetzten, wunderbar drückenden Drums und einer betonten rhythmischen Seite, die die Newsomschen Höhenflüge noch dramatischer erscheinen lässt. Man nehme nur das Stakkato aus »Leaving the city«, gerade mal dreieinhalb Minuten lang. Oder den wuchtigen Ausklang des Albums, der wie die brillante Zusammenfassung ihres Werks wirkt. Newsom hat die Grenzen ihres eigenen Kosmos – der so eigen ist, dass es nicht einmal Nachahmerinnen oder Nachahmer gibt – weiter ausgedehnt. Mit straightem Pop, Rockgitarre und sogar Country lässt die Künstlerin neue musikalische Facetten zum Vorschein kommen. Newsom hat Hits geschrieben.

Joanna Newsom: ­Divers (Drag City/Rough Trade)