Ungeliket

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Die Änderungen an der Benutzeroberfläche von Facebook sind subtil, werden selten groß angekündigt oder mit Aplomb demonstriert – und doch beeinflussen sie die Gedanken und Entscheidungen von Millionen, fräsen sich Millimeter für Millimeter in die neuronale Matrix der Massen. Waren frühere Änderungen noch dem Komfort der Nutzer zugedacht oder dem Wunsch erwachsen, Nutzer an neue Komponenten wie den Messenger heranzuführen, so hat sich die soziale Plattform nun offenbar für die psychologische Kriegsführung entschieden: Ausgewählten Teilnehmern wird anscheinend bewusst die Sicherheit und das Selbstbewusstsein im Umgang mit der Software entzogen. Beispielsweise scheint ein Like mittlerweile über eine Art Schrödinger-Existenz zu verfügen: Man weiß erst, ob ein Like auch wirklich beim Adressaten angekommen ist, wenn man es in einer anderen Ansicht der Benutzeroberfläche überprüft. Wie viele Beiträge meiner Freunde habe ich geliket, nur um hinterher festzustellen, dass Facebook den Like nicht angerechnet hat? Wie viel Liebe wurde meinen Freunden entzogen, wie viel Unterstützung vermissen Kollegen, die sich gerade von mir einen Kommentar zu aktuellen publizistischen Arbeiten gewünscht hätten? Mit dem neuen Schrödinger-Like verunsichert Facebook zahllose Autoren, erodiert künstlerische Karrieren, schafft Misstrauen und Isolation! Ein Like muss ein Like bleiben, wie damals, zu unserer Großväter Zeit! Es darf nicht nur ein Vielleicht-Like sein, das der Kontrolle und der Nachprüfung bedarf. Das Like ist der Goldstandard der Aufmerksamkeitsindustrie. Wer es zu einer Art Barscheck reduziert, der jederzeit platzen kann, entzieht dem System insgesamt Vertrauen und Legitimität. Wenn das so weitergeht, werden sich die Leute wieder Briefe schrei­ben. Und das kann keiner ernsthaft wollen!