Die Abschiebepraxis der thüringischen Landesregierung

Die Thüringer Rückführer

Die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen hat den Anspruch, eine »humane Flüchtlingspolitik« zu betreiben. Mit ihrer Abschiebepolitik zeigt sie sich in diesem Winter jedoch von einer anderen Seite.

Vor einem Jahr hatte die damals neue rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen noch einen Winterabschiebestopp für Asylsuchende beschlossen. Doch in diesem Winter, vor allem zum Jahresende hin, ordnete sie mehrere Massenabschiebungen in Richtung Balkan an. In den vergangenen Wochen wurden in mehreren nächtlichen Abschiebungen ungefähr 200 Menschen außer Landes geflogen. Es traf vor allem Familien mit Kindern, die zum Teil bereits etliche Jahre in Deutschland gelebt hatten.

Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hatte bereits im Spätherbst öffentlichkeitswirksam versprochen, die Landesregierung werde in Ausnahmefällen »eine humanitäre Einzelfallprüfung« zulassen. »Den Menschen, die keine Bleibeperspektive haben«, müsse dies aber »auch klargemacht werden«, so Ramelow weiter. Davon versprach sich der Ministerpräsident auch eine höhere Zahl freiwilliger Rückkehrer.
Das »beschleunigte Rückführungsmanagement« ist nur ein Punkt des Maßnahmenkatalogs, mit dem Ramelow versucht, die mancherorts überforderten Kommunen zu entlasten. So wurden bürokratische Hindernisse für Abschiebungen abgebaut. Ein Ansprechpartner für die Kommunen wurde ernannt, der sich um die praktischen Integrationsprobleme kümmern soll. Zudem plant die Regierung, eine zentrale Verteilstelle für alle Flüchtlinge einzurichten, die nach Thüringen kommen. Als bevorzugter Ort hierfür gilt Saalfeld, weil der dortige Bahnhof an der Zugstrecke nach Bayern liegt. Von der Verteilstelle aus sollen die Menschen zu den jeweiligen Erstaufnahmeheimen gebracht werden. Um »Rückführungen« weiter zu vereinfachen, sollte auch ein eigenes »Drehkreuz für Abschiebungen« in Thüringen eingerichtet werden. Dafür waren der Flughafen Erfurt-Weimar und der Flugplatz Altenburg-Nobitz im Gespräch. Schließlich befand das Bundesinnenministerium jedoch den Aufwand für zu groß, einen Provinzflughafen in Thüringen in das gewünschte »Drehkreuz« zu verwandeln. Flüchtlinge in Thüringen, deren Asylgesuch abgelehnt worden ist, werden also weiterhin mehrheitlich nach Sachsen zum Flughafen Leipzig gebracht und von dort aus abgeschoben.

Kritik an der Aufhebung des Winterabschiebestopps kommt vor allem vom Thüringer Flüchtlingsrat. Die Landesregierung sei eigens angetreten, eine humanitäre Flüchtlingspolitik zu betreiben, doch »Abschiebungen sind kein Mittel einer humanitären Flüchtlingspolitik«, sagt Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat. Die Gründe, aus denen geflüchtete Menschen im Winter nicht abgeschoben werden sollten, sind aus ihrer Sicht nach wie vor triftig. Die Kehrtwende der rot-rot-grünen Koalition stößt auf größtes Unverständnis. »Sicherheit und Würde als zentrale Aspekte bei Fragen einer möglichen Aufenthaltsbeendigung sind nur ein Jahr später nicht mehr erkennbar«, so Könneker weiter. Vor allem in den Balkan-Staaten sei dies in den Wintermonaten nicht gewährleistet. Von der Landesregierung fordert der Flüchtlingsrat eine sofortige Verwaltungsanweisung an die Ausländerbehörde und die Abschiebestelle im Landesverwaltungsamt, die derzeitige Praxis zu beenden und auch im Fall einer möglichen Aufenthaltsbeendigung respektvoll vorzugehen. Dabei müsse auch die Situation von diskriminierten Minderheiten aus den Balkan-Staaten besondere Berücksichtigung finden.
Christina Büttner von »Ezra«, der mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt, fordert einen sicheren Aufenthaltstitel für Opfer und Zeugen rassistischer Gewalt sowie von Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. Dies sei schon deshalb notwendig, um die rechtliche Aufarbeitung solcher Attacken zu gewährleisten. Ohne die Aussagen der Zeugen könnten viele Gerichtsverfahren noch vor der Eröffnung scheitern. Derzeit betrifft das in Thüringen eine tschetschenische Familie, deren Notunterkunft in Friemar Anfang Oktober in Brand gesetzt wurde. Zumindest für sie fordert Büttner einen umgehenden Abschiebestopp.