Vorwürfe gegen die Dresdner Polizei im Umgang mit Pegida

Dresdner Verhältnisse

Die jüngsten Vorfälle in der Elbstadt ­nähren den Verdacht, dass es bei der ­dortigen Polizei große Sympathien für ­Pegida gibt.

Über ein Feuer im Haus bräuchten sie sich »nicht wundern, wenn sie so eine Werbung machen«. Dass soll nach Auskunft der Bewohnerinnen des Wohnprojektes RM 16 einer der Polizisten gesagt haben, die in der Nacht zum 24. Dezember nach einem Feuerwehreinsatz am Ort des Geschehens eintrafen. Der Polizist bezog sich auf die Parole »Refugees welcome«, die an der Vorderfront des Hauses angebracht ist. Das Wohnprojekt im Dresdner Stadtteil Pieschen bietet Geflüchteten aus umliegenden Unterkünften einen Aufenthaltsraum und kostenfreies W-Lan.
Nach Auskunft der Bewohnerinnen und Bewohner brachen Unbekannte ein Fenster im Erdgeschoss des Hauses auf. Anschließend brach im Kohlenkeller ein Feuer aus, das wegen der starken Rauchentwicklung schnell entdeckt und von der herbeigerufenen Feuerwehr gelöscht werden konnte. »Wir gehen davon aus, dass das ­Nazis waren«, sagte Paula, eine Bewohnerin des Hauses im Gespräch mit der Jungle World. Das Wohnprojekt war in der Vergangenheit wiederholt Ziel rechter Angriffe. Im Sommer 2011 wurde der Dresdner Neonazi Stanley N. wegen zehnfachen versuchten Mordes rechtskräftig verurteilt, weil er einen Brandsatz durch ein Fenster des Hauses geschleudert hatte (Jungle World 33/2011).

Doch die Dresdner Polizei sieht die Sachlage anders. Ihrem Sprecher Thomas Geithner zufolge ermittelt sie derzeit wegen fahrlässiger Brandstiftung gegen die Bewohner selbst und gegen unbekannt wegen des Verdachts des versuchten Einbruchs. Bereits am 25. Dezember schloss die Dresdner Polizei einen Brandanschlag aus. Dem sei eine »umfangreiche Tatortarbeit« vorausgegangen, sagte ihr Sprecher nun der Jungle World und ergänzte: »Spuren, die mit dem Einstieg einhergehen müssten, fehlen schlichtweg und hätten durch den Täter auch nicht beseitigt werden können.« Den Bewohnerinnen und Bewohnern zufolge fand die Suche nach Spuren am Tatort jedoch überhaupt nicht statt. »Weder gibt es ein Brandgutachten, noch wurden das aufgebrochene Fenster und der Raum dahinter untersucht«, so die Hausbewohnerin Paula. Tatsächlich lag bis Redaktionsschluss kein Gutachten vor.
Die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linkspartei) sagte der Jungle World: »Es ist mir unerklärlich, warum die Polizei bis heute keine Zeugenvernehmungen und anscheinend keine gewissenhafte Spurensicherung vorgenommen hat.« Im Sächsischen Landtag hat Nagel dazu eine Reihe von Fragen eingereicht. Sie fordert, dass die Polizei ihre Ermittlungsschritte offenlegt und ihre Ergebnisse und öffentlichen Einschätzungen begründet. Der grüne Landtagsabgeordnete Valentin Lippmann wandte sich an eine neueingerichtete Beschwerdestelle der Polizei. Die beiden Abgeordneten bemängeln, dass es bei der sächsischen Polizei oft keine ausreichende Sensibilität bei möglichlicherweise rechtsmotivierten Straftaten gebe. »Es wird so lange weggeschaut und geleugnet, bis der öffentliche Druck zu groß ist«, konstatierte Nagel. Dies betreffe nicht nur diesen Fall, sondern auch zahlreiche Anschläge auf Asylunterkünfte, deren Täter nur in den wenigsten Fällen ermittelt würden.
Nach Auskunft der Sprecherin des sächsischen Innenministeriums, Patricia Vernhold, hat sich in Sachsen im Jahr 2015 »die Anzahl politisch rechts motivierter Straftaten ›gegen links‹ mehr als verdoppelt«. Ebenfalls zu Weihnachten zündeten vermutlich Neonazis mehrere Wohnmobile vor linken Hausprojekten in Leipzig an. Zwei Tage vor dem Feuer im RM 16, das dem Innenministerium zufolge derzeit »einer sorgfältigen kriminalpolizeilichen Abklärung unterzogen« wird, hatte Pegida angekündigt, durch den alternativ geprägten Dresdener Stadtteil Neustadt zu ziehen. Nachdem dieses Vorhaben von der Versammlungsbehörde untersagt worden war, riefen Neonazis und rechte Hooligans im Internet dazu auf, dezentral gegen die »Linksextremisten und ihre Objekte« vorzugehen. Einer Gruppe von mindestens 30 rechten Hooligans gelang es am Abend des 21. Dezember, in der Kamenzer Straße Menschen anzugreifen. Etwa zur gleichen Zeit war die Polizei einige Straßenzüge davon entfernt mit einem Großaufgebot damit beschäftigt, umfangreiche Identitätsfeststellungen am alternativen Zentrum »Conni« durchzuführen und Platzverweise an Antifaschistinnen und Antifaschisten zu erteilen. »Vorbereitung von Straftaten«, lautete der Vorwurf. Ein Betroffener berichtete der Jungle World, dass ihn ­einer der Polizisten mit den Worten begrüßt habe: »Vorige Woche habt ihr uns in Leipzig mit Steinen beworfen und jetzt seid ihr dran.«
Bereits im November vergangenen Jahres wurden Stimmen laut, die weiten Teilen der sächsischen Polizei große Sympathien für die Inhalte der völkischen Pegida-Bewegung nachsagten. In der Frankfurter Rundschau hieß es sogar, Pegida unterwandere die Polizei. Die Organisatoren der rassistischen Montagsaufzüge selbst behaupteten damals in der Öffentlichkeit, dass sie gute Kontakte zu einzelnen Beamten hätten und jeder zweite Polizist auf ihrer Seite stehe. Beobachter des Demonstrationsgeschehens kritisierten in den vergangenen Monaten immer wieder, dass es keine Vorkontrollen der Demonstrationsteilnehmer auf Waffen und gefährliche Gegenstände gebe. Zudem seien Verstöße gegen die Versammlungsauflagen, wie das Trinken von Alkohol aus Glasflaschen oder überlange Fahnenstangen, aber auch volksverhetzende Reden nicht geahndet worden. Die Einsatzkräfte, die seit über einem Jahr wöchentlich die Demonstrationen begleiten, erweckten den Anschein, dass ein inzwischen sehr vertrauliches Verhältnis zwischen den Beamten und Pegida bestehe.
Im Rahmen einer Demonstration unter dem Motto »Kaltland – Wir zeigen Wärme« der Gruppe »Genervte Einwohner protestieren gegen Intoleranz Dresdner Außenseiter« (Gepida) bewies die Dresdner Polizei Anfang Januar, wie offensiv sie zum Teil gegen linke Gruppierungen vorgeht. So stürmten Polizisten die Demonstration, um die Personalien von vier Jugendlichen im Alter von 16 bis 23 Jahren aufzunehmen. Diese sollen »Solidarität muss praktisch werden, Feuer und Flamme den Abschiebebehörden« gerufen haben. Nach Ansicht der Dresdner Polizei begründete dies einen Anfangsverdacht zum öffentlichen Aufruf zu Straftaten. Rechtsanwalt Mark Feilitzsch bezeichnet diese Rechtsauffassung als »vollkommen absurd«. Im Gespräch mit der Jungle World sagte er: »Wenn die Polizei sich auch nur ansatzweise mit Meinungsäußerungsdelikten beschäftigt hätte, dann müsste sie wissen, dass man ohne konkrete örtliche und zeitliche Bestimmung einer geplanten Straftat nicht nach dem vorgetragenen Paragraphen verurteilt werden kann.« Der Jurist geht davon aus, dass es ausgebildeten Polizisten vollkommen klar gewesen sein muss, dass ein solcher Ausspruch keine Straftat darstellt. Feilitzsch empfiehlt, dass die Betroffenen die Polizei wegen des Tatbestands der Verfolgung Unschuldiger anzeigen sollten.
Während einige der eingesetzten Polizisten am gleichen Abend noch mit der Verfolgung der rund 150 Gegendemonstranten beschäftigt waren, überfielen weniger als einen Kilometer entfernt mindestens neun Pegida-Teilnehmer auf ihrem Heimweg einen Slowaken auf offener Straße und schlugen ihn zusammen.