Die Proteste in Moldau

In die nächste Runde

In der Republik Moldau demonstrieren Tausende gegen Korruption in der Regierung und für Neuwahlen. Andere als die etablierten und als korrupt geltenden Parteien gibt es kaum.

Der Aufruhr war enorm. Am 20. Januar wurde das Parlament der Republik Moldau von Demonstrierenden gestürmt. Bis zu 10 000 Menschen beteiligen sich seitdem an den täglichen Demonstrationen. Anders als in den meisten deutschen Medien dargestellt, sind die derzeitigen Proteste jedoch weit weniger Ausdruck eines Konflikts zwischen proeuropäischen und prorussischen Kräften als noch jene im Frühjahr und Herbst des vergangenen Jahres. Sowohl die neue Regierung und die daran beteiligten Parteien als auch die Bürgerplattform »Würde und Wahrheit«, die die Proteste anführt, betrachten sich als proeuropäisch.
Anlass für die derzeitigen Proteste war die Ernennung von Pavel Filip zum neuen Ministerpräsidenten. Nachdem die letzte Regierung im Oktober 2015 durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden war, erfolgte die Ernennung und Vereidigung Filips durch Präsident Nicolae Timofti am Mittag des 20. Januar ohne öffentliche Ankündigung und nur mittels einfacher Mehrheit der Abgeordneten. Die Einsetzung der neuen, von Filip geführten Regierung in weniger als 30 Minuten, ohne vorherige Präsentation oder Debatte des Programms, sehen die Demonstrierenden als verfahrenswidrig an und vermuten Korruption.

Sie sehen die Ernennung des Ministerpräsidenten als weiteren Beweis für den Einfluss des Oligarchen Vladimir Plahotniuc auf die Regierung. Der Schulfreund Filips gilt als Hauptakteur des Korruptionsskandals, bei dem kurz vor den Parlamentswahlen 2014 mehr als 1,3 Milliarden Euro und damit ein Sechstel des moldauischen Sozialprodukts verschwanden. Das Verschwinden wurde bis heute nicht aufgeklärt, keine Schuldigen verurteilt. Das parlamentarische Misstrauensvotum im Oktober war Resultat eines kurzen, empörten Aufbegehrens. Die damals gegründete Bürgerplattform »Würde und Wahrheit«, die auf Korruption in der politischen Führungsschicht hinweist und einen Austausch der gesamten politischen Führung fordert, hatte genug öffentlichen Druck erzeugen können, um den Internationalen Währungsfonds zur Aussetzung seiner Zahlungen zu bewegen. Doch die internen staatlichen Ermittlungen verliefen im Sande, Plahotniucs Einfluss hat seitdem noch zugenommen.

Mit der Einsetzung Filips zeigt sich nun nach Ansicht der Demonstrierenden, dass den Politikern nicht ernsthaft daran gelegen ist, den Fall zu untersuchen beziehungsweise generell die Korruption in der Politik zu bekämpfen. Die Proteste richten sich entsprechend nicht gegen die Person Filip, sondern gegen den Einfluss Plahotniucs. Gefordert werden neben Korruptionsbekämpfung vorgezogene Neuwahlen. Andere als die etablierten und korrupten Parteien gibt es jedoch kaum, erst Anfang des Jahres lehnte das Justizministerium die Gründung einer der Bürgerplattform »Würde und Wahrheit« nahestehenden Partei wegen formaler Mängel ab.
Die sich proeuropäisch gebende Bürgerplattform wird von vielen Intellektuellen des Landes unterstützt. Viele Moldauer setzen die EU jedoch inzwischen mit Korruption gleich, weil EU-Gelder verschwinden und Mitglieder der Regierung stark in Korruption verstrickt sind. Die schwindenden Sympathien für die EU sind sicherlich das Resultat ihrer ungebrochenen Unterstützung für die regierenden proeuropäischen Parteien. Gerade diese haben den Ruf, besonders korrupt zu sein und ihr politisches Handeln vor allem an Geld- und Machtkriterien zu orientieren. Die USA und die EU halten aber auch nach dem 20. Januar weiterhin an der Zusammenarbeit mit der Regierung fest.
Auch die Sozialistische Partei und die Partei »Unsere Partei«, die stark an Russland orientiert sind, beteiligen sich an den Protesten gegen die Regierung. Prorussische Parolen oder Banner sind bei den Protesten allerdings eher selten. Trotz der Kritik an der Regierung und der EU gilt die Russische Föderation bei der städtischen Bevölkerung, die die derzeitigen Proteste trägt, nicht als attraktivere Alternative.