Die »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland«

Schluss mit Schoko

Die »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« gibt es mittlerweile seit 30 Jahren. Nicht nur im Umgang mit »Racial Profiling« hat sie sich bewährt.

Im Foyer der Frankfurter Peterskirche, in der die »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« (ISD) ihr 30jähriges Bestehen feiert, sind mehrere Ausstellungen aufgebaut. Eine von ihnen trägt den Titel »Homestory Deutschland – Schwarze Biographien in Geschichte und Gegenwart«. Unter den dort Porträtierten befindet sich auch der 1925 in Berlin geborene Theodor Wonja Michael. »Ich bin gern Schauspieler, weil es heute meine freie Entscheidung ist«, steht in seiner biographischen Notiz. »Als junger Mensch aber wurde ich in diesen Beruf hineingedrängt, denn für Leute wie mich gab es kaum andere Möglichkeiten.« Michael arbeitete als Komparse bei »Völkerschauen« und in verschiedenen Kolonialfilmen. 1943 wurde er interniert und bis zur Befreiung durch die Rote Armee zur Zwangsarbeit verpflichtet. An diesem Samstagabend Ende Januar ist Michael einer der Schirmherren des großen Festaktes mit ungefähr 350 Gästen. Er freue sich, mittlerweile in einer freien Gesellschaft zu leben, in der es »viele Farben« gebe, sagt der 91jährige in seiner Rede. »Für uns kam es damals immer darauf an, nicht aufzufallen und Zurückhaltung zu üben.« Umso mehr bewundere er den Mut, den die Gründerinnen der ISD besessen hätten. Es sei ihm wichtig, die jüngeren Leute an eine Sache zu erinnern: »Nicht wir sind das Problem – es sind die anderen, die uns als fremd empfinden.« Das Festprogramm ist umfangreich. Musik, Lesungen, Grußworte, Poetry Slam und ein Film füllen den Abend. Einige Mitglieder des ISD tragen Gedichte und Texte aus dem frisch erschienenen und eigens für das Jubiläum konzipierten Sammelband »SpiegelBlicke« vor. »Wir sind nun 30 Jahre sicht- und hörbar«, freut sich eine Rednerin. Schwarze Geschichten und Existenzen in der Bundesrepublik sichtbar machen – das klingt an diesem Abend oft an. Es gehe aber auch darum, sich safe spaces zu schaffen. »Bei den Treffen der ISD war ich sicher vor Kosenamen, die mit ›Schoko‹ anfangen, ich war sicher vor Stereotypen und vor mich verwirrenden Fragen«, berichtet eine Frau. Die ISD sei für sie deshalb wie eine Heimat. Besonderer Ehrengast des Abends ist die US-amerikanische Bürgerrechtlerin Opal Tometi. Sie ist Mitbegründerin der Organisation »Black Lives Matter«. Diese wurde 2013 ins Leben gerufen, nachdem der weiße Mörder eines 17jährigen Afroamerikaners vor Gericht freigesprochen worden war. Tometi berichtet, dass in den USA alle 28 Stunden eine unbewaffnete schwarze Person von der Polizei oder polizeiähnlichen Kräften getötet werde. Rassismus, betont sie, sei kein interpersonelles, sondern ein strukturelles Problem. Auch ein etwa zehnjähriger Junge betritt die Bühne. Er erzählt davon, wie er auf dem Schulhof während eines Streits mit dem »N-Wort« beleidigt worden sei. Sein Mitschüler habe kämpfen wollen, »schwarz gegen weiß«, habe er gesagt. Er sei wegen des Vorfalls zum Schulleiter gegangen. Der habe ihm gesagt, solche Beleidigungen müsse er aushalten können. Daraufhin sei seine Mutter zum Rektor gegangen mit den Worten: »Also, dann sehen Sie rassistische Beleidigungen als Bagatelle an? Nun, da sind wir verschiedener Meinung.« Schließlich habe der Schulleiter eingelenkt und sich entschuldigt. Der Junge bezeichnet die Auseinandersetzung als Erfolgserlebnis, das ihn »sehr stolz« gemacht habe. Der Applaus für ihn ist tosend. Es sind solche alltäglichen Geschichten, von denen an diesem Abend immer wieder berichtet wird. Geschichten, die nach wie vor die Realität schwarzer Menschen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft beschreiben. Sie handeln von Diskriminierung und rassistischen Angriffen, von der Bagatellisierung schmerzhafter Erfahrungen, vom Gefühl, unverstanden zu bleiben. Sie handeln aber auch von Momenten des Widerstands. Ein solches Selbstbewusstsein zu stärken, auch dafür ist die ISD vor 30 Jahren angetreten. Eleonore Wiedenroth-Coulibaly ist von Anfang an dabei. Zu Beginn hieß die Gruppe noch »Initiative Schwarze Deutsche«. Es ging darum, die weit verbreitete Vorstellung zu korrigieren, dass »Schwarzsein« und »Deutschsein« einander ausschlössen. Viele Schwarze ihrer Generation teilten die Erfahrung, in »relativer Vereinzelung« aufgewachsen zu sein, erzählt Wiedenroth-Coulibaly. »Uns wurde von der Gesellschaft immer gespiegelt, dass wir nicht dazugehören.« Durch die Vernetzung sei es gelungen, die Isolation zu durchbrechen. Später folgte die Umbenennung, um die Perspektive auf alle in Deutschland lebenden schwarzen Menschen zu erweitern. »Was wir privat erlebt haben, sollte in die Öffentlichkeit gerückt und dadurch veränderbar werden«, sagt Wiedenroth-Coulibaly. Allmählich seien einige politische Bereiche hinzugekommen, in denen sich die ISD betätigt, etwa in der Bildung und der Kultur, aber auch im Umgang mit institutionellem Rassismus bei der Polizei. Die ISD unterstützt beispielsweise Menschen, die von »Racial Profiling« betroffen sind, also von Polizeikontrollen, die einzig aufgrund von phänotypischen Merkmalen erfolgen. Mehrfach wurde diese Praxis von deutschen Verwaltungsgerichten im Nachhinein für rechtswidrig erklärt. Seit drei Jahrzehnten setze sich die ISD nun »für eine rassismusfreie Gesellschaft und selbstbestimmte schwarze Perspektiven ein«, sagt Tahir Della vom Vorstand der Initiative. Es sei beispielhaft, was die ISD in dieser Zeit bewegt habe. Vieles sei erreicht worden, aber vieles stehe auch noch aus, betont eine andere Rednerin. »Denn 30 Jahre sind noch lange nicht genug.«