Fettere Teilstücke

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Man hatte gehofft, nie mehr von ihm zu hören. Da Edmund Stoiber, ehemaliger Ministerpräsident Bayerns, äh, eigentümliche, äh, ähm, Redegewohnheiten mit dem Charisma eines Aktenordners vereint, blieb er Talkshows fern und verschwand in den Untiefen der EU-Bürokratie. Doch nun ist er wieder da. Er organisierte die Reise seines Nachfolgers Horst Seehofer nach Moskau. Bereits 1987 hatte er seinen Vorgänger Franz Josef Strauß dorthin begleitet. Strauß starb 1988, wird von Anhängern des bayerischen Einparteienregimes aber bis heute kultisch verehrt. Gern gedenkt man in der CSU seines unvergleichlichen Humors; so antwortete er 1987 auf die Frage, ob er das erste Mal in der Sowjetunion sei: »Das zweite Mal, aber das erste Mal kam ich nur bis Stalingrad.« Strauß beugte sich nie dem Terror der politischen Korrektheit. Da mochte alle Welt auf die Abschaffung der Apartheid in Südafrika drängen – er hielt daran fest, dass dies »unverantwortlich« sei.
Vor allem aber lehrte Strauß seine Zöglinge, dass Bayern zu Größerem berufen ist, als im Ausland wie ein gewöhnliches Bundesland von deutschen Außenministern vertreten zu werden. Trefflich wusste er Antikommunismus und Geschäft zu verbinden. So verschaffte er dem syrischen Diktator Hafez al-Assad Panzerabwehrraketen, damit dieser solche Waffen nicht in der Sowjetunion kaufen musste, konnte sich aber auch an einem Auftrag für den bayerischen Konzern MBB erfreuen. In dieser Tradition verhandelte Seehofer mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Mangels eines ernstzunehmenden Außenministers ist der Feind nun Angela Merkel, die ohne Rücksicht auf die bayerische Handelsbilanz an den Sanktionen gegen Russland festhält. Darunter leiden, wie Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner beklagt, »auch die Schweinehalter, denen mit Russland ein wichtiger Absatzmarkt, insbesondere für fettere Teilstücke, gekappt wurde«. Hier die Krim, da das Kotelett – für CSU-Politiker ist das keine schwierige Werte­abwägung. Sie wissen, wie man die fetteren Teilstücke ergattert.
Der Antikommunismus erübrigt sich derzeit, aber aus der Sicht der CSU gibt es andere Gefahren: Flüchtlinge und Merkel. Man sei sich einig gewesen, dass der Bürgerkrieg in Syrien nicht die einzige Ursache für die »Flüchtlingskrise« sei, sagte Seehofer, während sein Gesprächspartner die syrische Stadt Aleppo bombardieren ließ. Da wären »etwa die Anreizsysteme, aber das lasse ich hier jetzt mal weg«. Stoiber hatte im vorigen Jahr bereits Seehofers Treffen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán arrangiert, der eifrig gegen Merkels Flüchtlingspolitik agitierte. Putin dürfte ebenfalls als Verbündeter willkommen sein. So versucht Seehofer, Strauß’ Maxime zu folgen: »Es ist mir egal, wer unter mir Bundeskanzler wird.«