Die deutsche Linke hat Post vom feministischen Shootingstar Laurie Penny

Feministin gegen Israel

Die britische Autorin Laurie Penny schreibt einen offenen Brief an die deutsche Linke, in dem sie jedes Klischee eines »israelkritischen« Textes erfüllt.

Die Britin Laurie Penny gilt als eine der angesagtesten jungen Feministinnen, zumindest in Deutschland – Popstar-Appeal inklusive. Ihre letztjährigen Lesungen waren große Events; sie ist schlagfertig, witzig und eloquent, kombiniert Feminismus mit Antirassismus und Kapitalismuskritik.
Kritik handelt sich Penny allerdings immer wieder mit ihrer Haltung zu ­Israel ein. So kritisierte die Amadeu-Antonio-Stiftung Pennys Unterstützung von Boykottaufrufen gegen Israel. Zuletzt geriet sie auf Twitter mit der deutschen Feministin Merle Stöver aneinander. Der Grund: Stöver wollte anderntags bei einem Frauenbarcamp über das Thema »Feminismus und ­Antisemitismus« sprechen, unter anderem über Feministinnen, die die Boykottinitiative BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) und andere »­antizionistische bzw. antisemitische Kampagnen« unterstützen. Penny veröffentlichte daraufhin auf ihrer Facebook-Seite einen offenen Brief an »die deutsche Linke«, in dem sie so ziemlich jedes Klischee eines sogenannten israelkritischen Textes bedient.
Die 29jährige beginnt mit dem Verweis auf eigene jüdische Wurzeln, mit dem sie sich – wie schon in anderen Artikeln zuvor – gegen den Vorwurf des Antisemitismus immunisieren will. Als ob Nachfahren von Juden keine antisemitischen Äußerungen tätigen könnten; als ob es darüber hinaus nicht eine lange Tradition des jüdischen Antizionismus und jüdischen Selbsthasses gäbe. Auf Twitter bezeichnete sich Penny gegenüber Stöver als »halbjüdisch« (half-Jewish)  – eine spezielle Form des Jüdischseins, die das Judentum selbst nicht kennt. Vielmehr war es die nationalsozialistische Rassenideologie, die die Bruchrechnung in die Definition des Judentums einführte.
Einen Großteil ihres Facebook-Beitrags verwendet Laurie Penny im Folgenden darauf, der deutschen Linken zu erklären, dass diese aufgrund der spezifischen deutschen Geschichte ­Israel nicht kritisieren könne. »Ich habe begriffen, dass die deutsche Linke in ihrer prozionistischen Haltung und in ihrem Beharren, israelische Militär­aktionen um jeden Preis zu unterstützen, in Europa einzigartig ist«, schreibt Penny. Womit sie allerdings mehr weiß als die deutsche Linke selbst.
Die Britin zeigt damit zum einen die völlige Unkenntnis der hiesigen politischen Lager – schließlich ist die Kritik an Israel auch bei vielen sich als links verstehenden Gruppen verbreitet. Tatsächlich echauffieren sich Linke über wenige Themen sowie über die israelische Politik, wofür bereits ein Blick auf die Bundestagsfraktion von »Die Linken« genügt, wo Fraktionsmitglieder von Inge Höger bis Diether Dehm keine Gelegenheit des Israel-Bashings ungenutzt lassen.
Zum anderen bedient Penny damit einen klassischen Topos des sekundären Antisemitismus: die Vorstellung, dass die Deutschen Geisel ihrer Geschichte seien – sei es, weil sie wegen der eigenen moralischen Befangenheit nicht mehr objektiv urteilen könnten; sei es, weil eine wie auch immer geartete »Israel-Lobby« den Holocaust zur Gängelung der Deutschen instrumentalisiere.
Die Kritik an ihren antiisraelischen Boykottaufrufen pathologisiert Penny damit und entpolitisiert sie durch den Verweis auf kulturgeschichtliche Unterschiede: »Ich kann verstehen, dass wohlmeinende Deutsche sich zutiefst unwohl fühlen würden, wenn sie das Essen einer israelischen Avocado verweigerten, auch wenn die Auseinandersetzungen über Israel und das Judentum zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Es gibt einfach zu viel Geschichte, zu nahe und zu blutig, als dass eine neutrale Entscheidung getroffen werden könnte«, schreibt Penny. »Wenn ich deutsch wäre, würde ich vermutlich ähnlich empfinden.«
Inhaltliche Argumente liefert sie ­indes keine. Lediglich in einem Satz bemüht sie die gängige israelfeindliche Metapher von Gaza als »Freiluftgefängnis« – dem vermutlich einzigen Gefängnis weltweit, dessen Insassen über Raketenarsenale, Selbstverwaltung und eine eigene Armee verfügen. An anderer Stelle schreibt sie von der »andauernden Besetzung Gazas« – die bekanntlich seit 2005 vorbei ist. Die Hamas erwähnt sie, wie in vielen sogenannten israelkritischen Texten üblich, mit keinem einzigen Wort.
Es stimmt selbstverständlich, dass judenfeindliche Äußerungen in Deutschland seit dem Holocaust mit Recht tabuisiert sind. Penny verkennt allerdings, dass lange tradierte antisemitische Denk- und Sprechmuster ­lediglich in antiisraelische oder anti­zionistische Äußerungen transformiert wurden. Selbstverständlich sind Boykottaufrufe wie der des BDS, der übrigens selbst von prominenten »Israel-Kritikern« wie Noam Chomsky und Norman Finkelstein abgelehnt wird, antisemitisch, zielen sie doch auf die einseitige Dämonisierung und ­Delegitimierung Israels und argumentieren mit zweierlei Maß. Oder ist irgendein anderes Land bekannt, zu dessen Boykott Laurie Penny aufriefe? Vielleicht eines, in dem es im Gegensatz zu Israel keine Demokratie gibt, Frauen nicht gleichberechtigt sind und Homosexuelle verfolgt oder gar hingerichtet werden? Für eine Feministin wäre das ja möglicherweise ein inter­essantes Betätigungsfeld.
Stattdessen beruft sich Penny – was auch sonst? – auf den Holocaust und die Verfolgung ihrer eigenen Familie, die sie bei ihrem antiisraelischem Engagement besonders motiviere. Es ist die altbekannte Täter-Opfer-Umkehr und die damit einhergehende Relativierung des Holocaust.
Am Ende des Textes schlägt Penny schließlich den Bogen zum Beginn ihres offenen Briefs: »Aber es ist nicht die Aufgabe von deutschen Linken, Juden in der ganzen Welt vorzuschreiben, welche politische Meinung sie haben sollen – und wird es auch niemals sein.«
Womit Laurie Penny zwar innerhalb eines Textes von einer »Halbjüdin« zur Jüdin geworden wäre, aber ausnahmsweise sogar recht hat. Zum Glück lässt sich Israel von deutschen Linken sowieso nicht in seine Politik hineinreden – sonst wäre es nämlich schon längst nicht mehr da.