»Es fehlt das Bewusstsein«

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Alle Welt redet über die »Alternative für Deutschland« (AfD). Dabei ist auch der Linkspartei in der vergangenen Woche der furiose Einzug in ein Landesparlament gelungen: Daniel Schwerd, ehemals Landtagsabgeordneter der Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen und seit Oktober fraktionslos, ist in »Die Linke« eingetreten und hat ihr so einen Sitz im Parlament verschafft. Er hat mit der Jungle World gesprochen.

»Die Linke« sitzt dank Ihnen wieder im Landtag. Welchen Vorteil bringt Ihnen der Parteieintritt?
Als einzelner fraktionsloser Abgeordneter ist man in seinen Möglichkeiten sehr beschränkt. Man kann nur zu dem Thema arbeiten, in dem man selbst die nötige Kompetenz hat. Es fehlt die Unterstützung, um auch in anderen Fragen mitreden zu können. Isoliert nur Netzpolitik zu betreiben, ist mir zu wenig. Ich möchte sie in eine faire Gesellschaftspolitik eingebettet sehen. Und ich weiß, dass das bei »Die Linke« passt.
Wie beurteilen Sie die Netz- und Datenschutz­politik Ihrer neuen Partei?
Es gibt schon eine Reihe Leute, die sich damit beschäftigen. Die Grundsätze eines diskriminierungsfreien und nicht zugangsbeschränkten Netzes, in dem niemand die Meinungsmacht ausspielen darf, sind bei »Die Linke« anerkannt. Es fehlt aber teilweise das Bewusstsein, wie sehr sich das Netz auf die Gesellschaft auswirkt, zum Beispiel darauf, wie, was und wo wir arbeiten werden. Da tut sich zurzeit eine Menge, weg von den traditionellen Beschäftigungsverhältnissen, hin zu vermehrten Ausschreibungen für Freelancer und kleine Selbständige, die Heimarbeit leisten, Crowdworking über das Internet und so weiter. Da tun sich neue soziale Fragen auf: Wie können wir diese Menschen auch sozial absichern?
Während des Gaza-Kriegs 2014 haben Sie den Antisemitismus im Gewand der Israel-Kritik und auch die Linkspartei scharf angegriffen. Sehen Sie keinen Grund mehr zur Kritik?
Ich habe mich vor dem Eintritt nochmals mit den einschlägigen Demons­trationen von 2014 befasst. Mittlerweile würde ich sagen, dass man den einen oder anderen Vorfall differenzierter sehen muss. Wenn einige Teilnehmer der von »Die Linke« angemeldeten Demonstration zur anderen Veranstaltung wechseln, wo dann antisemi­tische Parolen gebrüllt werden, kann man das nicht dem ganzen Landesverband anlasten. Es gibt in der Israel-Frage unterschiedliche Auffassungen in der Partei, das ist kein Geheimnis. Wenn man sich die Programmatik auf Landes- und Bundesebene ansieht, wird aber eindeutig sichtbar, dass niemand am Existenzrecht Israels rüttelt. Ich hoffe zudem, dass man ein größeres Bewusstsein dafür schaffen kann, wann genau Israel-Kritik zu Antisemitismus wird.
Haben Sie mit Ihren neuen Parteikollegen über das Thema geredet?
Ja, wir haben darüber geredet. Ich hatte während des Gaza-Kriegs massive Vorwürfe gegen die Partei geäußert. Die Kollegen wollten wissen, wie ich dazu gekommen bin und mittlerweile dazu stehe.
Im nächsten Jahr wird auch in Nordrhein-Westfalen gewählt. Wie stark ist die AfD dort?
Man konnte in den Landtagswahlen am Sonntag sehen, dass es sich nicht um ein rein ostdeutsches Phänomen handelt. Die Versuche anderer Parteien, sich der AfD-Politik anzubiedern, sind fehlgeschlagen und haben nur das Original gestärkt. Ich denke, der einzige Weg ist es, sich der AfD entgegenzustellen und zu sagen: Nein, Grenzschließungen und nationalistische Töne sind keine Lösung. Über das Menschenrecht auf Asyl darf es keine Diskussion geben. Man darf verschiedene Gesellschaftsgruppen nicht gegeneinander ausspielen. Man muss die Situation für alle verbessern, mit einem konsequenten sozialen Gedanken.