Simulationsspiele bereiten auf die Arbeitswelt vor

Arbeiten ist gut, spielen ist nicht besser

Casual Sims sind Games, die die Arbeitswelt simulieren. Spaß hat man dabei nicht unbedingt, dafür jede Menge Stress und Leistungsdruck. Ob man dabei auch etwas lernt, ist umstritten.

Käse. Tomaten. Pepperoni. Halt nein, Paprika. Und Oliven, aber für die ist grad gar keine Zeit, denn der Kunde ganz vorne in der Bestellschlange ist vor Ärger bereits rot angelaufen, weil er schon so lange auf seine Thunfischpizza mit extra Käse wartet – jetzt schnell, sonst geht er wieder und das gibt großen Ärger. Und der Tisch hinten links muss dringend abgeräumt und gewischt werden, sonst kann sich niemand dort hinsetzen. Shit, das Gehackte ist angebrannt. Und der Brötchenlieferant ist da und muss sein Geld bekommen.
Was wie ein sehr scheußlicher, mies bezahlter Arbeitstag in einer Burger-Braterei klingt, ist in Wirklichkeit ein erfolgreiches Spielkonzept. Die Arbeitssimulationen unter den Casual Games, also kostenlos nutzbaren Spiele, die man nicht auf dem Rechner installieren muss, sondern online daddeln kann, sind schon seit Jahren äußerst beliebt.
Mit den ersten »Sims«, also Simulationen, von denen manche Kultstatus erreichten, haben sie jedoch kaum noch etwas gemein. 1989 gehörte das Städtebauspiel Sim City zu den Pionieren des Genres. Rasch entstanden weitere Games, in denen man in einer Phantasiewelt irgendetwas aufbauen konnte, wie zum Beispiel Railroad Tycoon, wo man als Eisenbahnpionier die großen Städte Amerikas miteinander verbinden musste.
Einfach loszuspielen war bei diesen ersten Sim-Zeitvertreiben keine besonders gute Idee, jedenfalls dann nicht, wenn man gern am Ende erfolgreich sein oder wenigstens Spaß haben wollte. Sich vorab eine Strategie auszudenken, gleichzeitig aber flexibel genug zu sein, um die unweigerlich auftauchenden Krisen zu meistern, gehört bei den meisten Sims zum Spielkonzept dazu.
Ihre Nachfolger sind weit einfacher gestrickt, im Prinzip geht es bei ihnen darum, unentwegt zu machen und zu tun – das Spiel ist nicht länger Entspannung, sondern dient als kleiner Stressfaktor für zwischendurch.
Das Konzept der Casual Sims ist ähnlich: Am Anfang steht die Eröffnung eines eigenen Ladens oder Servicebetriebs. Und dann geht der Stress auch schon los: Kunden müssen bedient werden, wobei es notwendig ist, ganz unterschiedliche Bestellungen schnellstmöglich fehlerfrei zu bearbeiten. Was bleibt, ist also arbeiten, arbeiten, arbeiten. Und während der Bergarbeiter Adolf Hennecke 1948 in der DDR nach seiner 387prozentigen Normerfüllung einen zweifellos hübschen Blumenstrauß, drei Päckchen Zigaretten, eine Flasche Schnaps sowie 50 Mark bekam und anschließend nach Hause gehen dürfte, um sich auszuschlafen, haben moderne Sim-Hochleister nicht mal Hilfe (okay, dafür bekommen sie auch keinen Ärger mit Kollegen, die eine Normerhöhung befürchten, aber das ist ein anderes Thema). Zusätzliches Personal anzustellen ist in diesen Spielen ausdrücklich nicht vorgesehen, als Startup-Inhaber hat man gefälligst rund um die Uhr zu schuften, ohne dass man außer ein bisschen schönerem Innendekor irgendetwas davon hätte. Denn jeglicher Gewinn muss sofort wieder in den Laden gesteckt werden. Diese Geschäftserweiterungen führen allerdings zu noch mehr Stress, denn die neue Saftmaschine, das teure innovative Kuchenrezept, der dritte Pizza-Backofen oder die zusätzliche Kosmetikinstallation locken neue Kunden an, die noch kompliziertere Wünsche haben und es noch weniger leiden können, wenn sie warten müssen oder simulierter Staub herumliegt.
Immerhin bereiten diese Spiele sehr schön auf das Arbeitsleben vor, denn wer einmal eine Hotelsimulation gespielt hat, bei der es grob darum geht, rund um die Uhr Gäste willkommen zu heißen und in die jeweils passenden Zimmer zu lotsen, Betten zu machen, zu putzen, zwischendurch kleine Extrawünsche zu erfüllen und am Ende nicht einmal ein kleines Trinkgeld zu bekommen, ist vermutlich für alle Zeiten für den Dienstleistungssektor verloren. Wobei der Rückzug ins Private nun auch nicht gerade eine verlockende Alternative ist, denn es gibt auch Baby-Simulationen, in denen die kleinen Scheißer rund um die Uhr unterhalten, gebadet, gewickelt und gefüttert werden müssen, ohne dass ein Ende absehbar ist (immerhin wachsen die Kleinen in diesen Games nicht, so dass die noch viel lästigere Betreuung eines Teenies nicht erforderlich ist).
Immerhin passen die Knechtenachspielereien ganz gut zu dem, was im Fernsehen als Arbeit präsentiert wird. Donald Trump firmierte beispielsweise von 2004 bis 2015 14 Staffeln lang als Lehrlinge suchender Arbeitgeber in der Doku-Soap »The Apprentice«; insgesamt 13 Wochen lang mussten sich die Kandidaten in der Show diversen, nicht immer sinnvollen Aufgaben stellen und im Fall eines Versagens von Trump mies behandeln lassen. Dass der derzeitige Präsidentschaftsanwärter nicht ganz sauber tickt, hätte Amerika in dieser Zeit durchaus lernen können, denn der hatte schon zur Genüge gezeigt, dass Fakten ihm eher lästig sind: Nachdem Trump etwa im Wahlkampf 2012 die Verschwörungstheorie verbreitet hatte, nach der Obama gar nicht in den USA geboren sei, zeigte ihm der CNN-Moderator Wolf Blitzer während eines Interviews eine Kopie der Geburtsurkunde des Präsidenten. Trump blieb unbeeindruckt: »Hören Sie doch mal endlich auf, Obama zu verteidigen«, lautete seine Antwort, bevor er sich daran machte, Blitzer zu beleidigen. Trump müsse sofort entlassen werden, forderten empörte Zuschauer daraufhin, denn jemand, der die Gewinner nur anstelle, damit sie durch die Talkshows tingeln und Werbung für ihn machen, und dazu noch bewusst Lügen über den Präsidenten verbreite, sei einfach kein geeigneter TV-Star. Trump blieb. Aus der Fernsehshow wurde gleich in den nuller Jahren übrigens ein Computerspiel: Bei »The Apprentice« geht es darum, einen Eisladen zu führen. Es ist, natürlich, furchtbar stressig.