Der Bundesparteitag der AfD

Gegen Muezzins und Minarette

Auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart hetzen die Mitglieder der »Alternative für Deutschland« durch ihr neues Parteiprogramm. Die Debatte war zäh.

Die »Alternative für Deutschland« (AfD) gibt es jetzt seit knapp drei Jahren. Im Februar 2013 wurde sie als Partei gegen die »Rettungspolitik« für den Euro gegründet. Seit knapp einem Jahr führt die Sächsin Frauke Petry die AfD. Auf Stimmenfang geht sie als islam- und flüchtlingsfeindliche Partei. Jetzt gibt es dafür auch ein Programm.
Im Juli 2015 hielt die AfD einen Parteitag in Essen ab. Dort wurde, an einem der heißesten Tage des Jahres bei einer Stimmung, die eher an ein Fußballstadion erinnerte, Bernd Lucke als Parteivorsitzender abgewählt. Lucke wandte sich damals, nachdem er zwei Jahre nichts einzuwenden hatte, gegen einen Rechtsruck der Partei. Die sächsische AfD-Vorsitzende Frauke Petry gewann nach vielen hitzigen Debatten die Mehrheit der anwesenden Parteimitglieder. Jetzt, keine zehn Monate nach ihrer Wahl, gelingt es Petry nicht, »rote Linien« gegen völkisch-nationalistische Tendenzen unter ihren Anhängern zu ziehen. Vielmehr wird sie nun selbst vom rechten Flügel der Partei in die Enge getrieben.
Zwei Tage saßen die Mitglieder der AfD am Wochenende auf dem Stuttgarter Messegelände zusammen, um über ihr Programm zu beraten. 78 Seiten war der Leitantrag des Bundesvorstandes lang. Auf über 1 400 Seiten gab es Änderungswünsche; außerdem hatten mehrere Parteigliederungen alternative Programmentwürfe eingebracht. Am Samstag dauerte es Stunden, bis die AfD überhaupt die Debatte beginnen konnte. Vorher wurde unter anderem darüber abgestimmt, ob man den saarländischen Landesverband wegen seiner guten Kontakte zur NPD auflösen sollte. Eine knappe Mehrheit entschied sich dafür. Man beschloss, sich nur mit dem Leitantrag des Bundesvorstands und Änderungen dazu zu befassen. Die anderen Programmentwürfe, die fleißig an Mitglieder verteilt wurden, waren nur noch Altpapier.
Den Sonntag begannen gut 20 AfD-Mitglieder, unter ihnen Beatrix von Storch, mit einem Gottesdienst in der Messe. Diesen leitet Frederik Haas, ein maltesischer Bischof der »Anglikanischen Katholischen Kirche von Christus dem Erlöser«. Haas zitierte in seiner Predigt aus dem Grundgesetz und sagte, wer diesem verpflichtet sei, müsse sich zum Christentum bekennen. Dass der christliche Glaube das einzig Wahre sein soll, war auch der Tenor der folgenden Debatten des Parteitags. Dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, wird, wenig verwunderlich, in das Programm aufgenommen. Muezzin-Rufe, Minarette und jede Verschleierung sollen verboten und muslimische Organisationen nicht den Kirchen gleichgestellt werden. Ein Mitglied, das auf die im Grundgesetz festgeschriebene Religionsfreiheit hinweist, wird ausgebuht. Als die Partei später über Natur- und Umweltschutz spricht, beschließt, ein Verbot der Schächtung zu fordern. Der Hinweis, davon seien auch jüdische Mitbürger betroffen, interessiert kaum jemanden. Über den Islam und die Zuwanderung, die man stark begrenzen will, wird beim Parteitag am leidenschaftlichsten diskutiert. Immer nach dem Motto: Wer hat die härteste Position?
Für andere Themen bleibt wenig Raum. Für Wirtschaftspolitik nimmt sich der Parteitag gerade einmal 20 Minuten Zeit. Ergebnis der Debatte: Mindestlohn ja, Erbschaftssteuer nein und die Gewerbesteuer will man überprüfen. Auch die Klimapolitik hat es in das AfD-Programm geschafft. Die deutsche Regierung unterschlage die positive Wirkung von CO2 für das Pflanzenwachstum und damit für die Welternährung, heißt es im Parteiprogramm. Ein Mitglied raunt, es sei ganz schwer, bei Infoständen zu erklären, warum die AfD sich in die Riege der Klimawandelskeptiker einreihe.
In der Sicherheitspolitik gibt es dann doch eine Überraschung, die AfD fordert nicht den Austritt Deutschlands aus der Nato. Deutschland müsse in der Nato bleiben, diese aber stärker auf deutsche Interessen hin ausrichten, so würde Bismarck es versuchen, meint Alexander Gauland. Den Parteimitgliedern scheint das schlüssig zu sein.
Die inhaltlichen Debatten beim Parteitag sind zäh, beinahe im Minutentakt stellen Mitglieder Geschäftsordnungsanträge. Das eine Thema solle vorgezogen, über ein anderes abgestimmt oder eine Diskussion beendet werden. Über was sie gerade genau diskutieren, dürfte vielen der Anwesenden nicht immer klar sein. Das Ganze wirkt wie ein großes Experiment in Sachen Basisdemokratie von rechts: Man sperre über 2 000 Menschen in eine Halle und lasse sie über Dinge diskutieren, von denen sie keine Ahnung haben. Herausgekommen ist ein Programm, das sich zu Recht »vorläufig« nennt. Einzelne Themen werden wohl auf den kommenden Parteitagen wieder diskutiert werden.
Den Führungspersonen der AfD dürfte auch relativ egal sein, was im Programm steht. Frauke Petry wirkte gelangweilt. Björn Höcke war am Sonntag nicht mehr zu sehen. Seine Inhalte ließ er den Sachsen Hans-Thomas Tillschneider durchboxen. Martin Renner, der Sprecher des nordrhein-westfälischen Landesverbandes, hatte, nachdem sein Entwurf für ein »politisches Manifest« der AfD nicht diskutiert wurde, die Lust am Parteitag gänzlich verloren. Er verbrachte die meiste Zeit vor der Tür, lästerte über Marcus Pretzell, mit dem er sich das Sprecheramt in Nordrhein-Westfalen teilt, und betrieb Netzwerkpflege am rechten Rand der Partei. Das neue Programm und die immer wieder auftauchenden Konflikte zwischen den einzelnen Strömungen könnten in den kommenden Monaten zu einigen Verwerfungen führen. Eine Austrittswelle wird es wohl nicht geben, aber vermutlich Alleingänge, die sich nicht um das beschlossenen Programm scheren.