In Frankfurt am Main demonstrierten Querfrontler gegen die vermeintliche Abschaffung des Bargelds

Die Querfront zahlt bar

In Frankfurt am Main trafen sich besorgte Bürger, um gegen die vermeintliche Abschaffung des Bargelds zu demonstrieren. Die Kampagne lockt Rechte wie Linke an.

»Geld ist gemünzte Freiheit« prangte als Slogan auf einem Schild über einer kleinen Gruppe von Demonstranten am Samstag in Frankfurt am Main. Sie protestierten gegen die vermeintlich drohende Abschaffung des Bargelds. Die Kundgebung sollte der Beginn einer großen Kampagne mit mehreren Versammlungen in der Stadt sein. Sie fiel mit ungefähr 200 Bargeldliebhabern zwar klein aus, war aber keineswegs harmlos. Etliche Organisatoren und Teilnehmer der Demonstration verfügen über Verbindungen ins rechte Milieu.
Sorge bereitet den Bargeldfreunden ein Schritt der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese beschloss Anfang Mai, den 500-Euro-Schein bis zum Jahr 2018 aus dem Verkehr zu ziehen. Begründet wird diese Entscheidung mit der häufigen Verwendung des höchsten Euro-Scheins bei kriminellen Geschäften auf dem sogenannten Schwarzmarkt oder im Drogenhandel.
Für manche ist das jedoch nur der Anfang einer gefährlichen Entwicklung. Die Initiative »Stop Bargeldverbot« und eine Kampagne der »Stiftung für Freiheit und Vernunft« sehen in der Maßnahme der EZB einen Schritt in eine totalitäre Gesellschaft. Banken erhielten gefährliche Freiheiten und die Bevölkerung werde »gläsern«. Zur Kampagne für das Bargeld gehören eine Internetpetition und vier Kundgebungen in Frankfurt, gefolgt von einer Demonstration Mitte Oktober in der hessischen Großstadt.
Manche Protagonisten der Initiative und manche Erstunterzeichner der Petition stehen eindeutig der rechten Szene nahe. Die Vorsitzende der »Stiftung für Freiheit und Vernunft«, Dagmar Metzger, war bis Anfang 2014 Bundespressesprecherin der AfD, seit November 2015 ist sie Pressesprecherin der EU-Parlamentsabgeordneten der AfD-Abspaltung »Allianz für Fortschritt und Aufbruch« (Alfa). Unter den Erstunterzeichnern der Petition befinden sich vor allem Ökonomen, Journalisten, Universitätsprofessoren und Unternehmer. Darüber hinaus unterzeichneten die EU-Abgeordneten der Alfa, Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty, außerdem Vertreter neoliberaler Think Tanks und ein Redakteur von »Smart Investor«, einem Onlineportal, das regelmäßig Anzeigen in der Querfrontzeitschrift Compact schaltet.
Die Auftaktkundgebung in Frankfurt am Main unter dem Motto »Finger weg vom Bargeld« lag mit 200 Bargeldfans weit unter der erwarteten Größenordnung. Für die erhoffte Großkundgebung waren bis zu 2 000 Personen angemeldet worden. Unter den Anwesenden befanden sich vor allem Mitglieder der Alfa, jedoch auch lokale Funktionäre und Mitglieder der Linkspartei, der Piratenpartei, der AfD sowie Überbleibsel der örtlichen Pegida. Dass es sich um eine Veranstaltung mit Querfrontpotential handelte, wurde durch die zentrale Rolle der Gruppe »Neue Geldordnung«, einer Nachfolgeorganisation von »Occupy Frankfurt«, deutlich, die den offiziellen Informationsstand der Kundgebung betrieb und sich zudem auf der Bühne als örtlicher Ansprechpartner der Initiative »Pro Bargeld« bewarb – unter großem Beifall. Einzelne Teilnehmer trugen Shirts der verschwörungsideologischen Band »Die Bandbreite«, andere erzählten von der »Klimalüge«, trugen Halsketten mit dem nationalsozialistischen Symbol der »schwarzen Sonne« oder Schilder gegen EZB-Präsident Mario Draghi, die Rockefellers oder das Finanzunternehmen Goldman Sachs. Mit einer großen Bühne, einer angemieteten Event-Firma, Kampagnenkleidung und viel Informationsmaterial machte die Veranstaltung einen überraschend professionellen Eindruck.
Eine Person prägte den Tag besonders: Thorsten Schulte, Betreiber des Internetblogs »Der Silberjunge« und selbsternannter »Kapitalmarkt- und Konjunkturexperte«. Der eloquente Redner trumpfte mit polemischen Ausführungen in »Die da oben«-Manier auf und wurde dafür mehrfach bejubelt. Er beklagte die »stinkende, parasitäre Geldpolitik des Mario Draghi«, sah die Abschaffung des Bargelds als Angriff auf die bürgerliche Selbstbestimmung und behauptete eine drohende Diktatur, die durch digitale Bezahlung dem Überwachungsstaat immer ähnlicher werde. »Stalin, Hitler und Mao hätten sich eine bargeldlose Gesellschaft gewünscht«, rief er unter Beifall. Im Stile von Pegida wurde das Schreckensszenario einer globalen Bedrohung durch die »unheimliche Allianz« aus EZB, »Kreditkartenunternehmen« und der Politik aufgebaut. Die »Mainstream-Medien« seien nichts als eine »Propagandamaschine« der Banken und der USA. Auch das Argument der Kriminalitätsbekämpfung hält Schulte lediglich für einen Vorwand. Schließlich gebe es auch weiterhin Möglichkeiten für illegale Geschäfte. So könnten sich »die Politiker« ihr Kokain ja »in bestimmten Berliner Stadtteilen« auch mit türkischer Lira kaufen.
Auf der Internetpräsenz des rechtsesoterischen Kopp-Verlags begründete Schulte seinen Austritt aus der CDU mit Angela Merkels angeblich zu offener Asylpolitik und forderte eine stärkere Sicherung der Außengrenzen, beispielsweise durch einen Grenzzaun. Für »Kopp Online« schreibt Schulte bereits seit 2010, zumeist über den Silbermarkt. Kürzlich beklagte er die angeblich zunehmenden Zensurmaßnahmen gegenüber regierungskritischen, sprich rechten und verschwörungstheoretischen Aktivisten und Journalisten. In Frankfurt wetterte er im Hinblick auf die Zwischenrufe »der Antifa« gegen eine »zunehmende Gesinnungsdiktatur«, die möglicherweise auch die Bargeldbefürworter treffe. Er hingegen wolle »mit allen« reden, um eine breite »Bürgerbewegung« für den Erhalt des Bargelds und gegen die Macht der Banken zu erreichen – und das gelte von der AfD bis zur Linkspartei, man sei schließlich »nicht links und nicht rechts« und »jeder Extremist ist Mist«.
Nahezu zur gleichen Zeit wie der Auftakt der Proteste von »Pro Bargeld« begann die Alfa eine Kampagne, in der die Partei fordert, den gesicherten Bargeldverkehr im Grundgesetz festzuschreiben. Viele Mitglieder der Partei waren in Frankfurt, einige in den offiziellen Pullovern von »Pro Bargeld«, und verteilten Flugblätter zur Kampagne ihrer Partei. Der EU-Abgeordnete Joachim Starbatty trat als einer von drei Rednern auf der Veranstaltung auf. Doch die zentrale Stellung der Alfa stieß bei einigen Teilnehmern auf Skepsis und Ablehnung. Viele beschwerten sich über den sichtbaren Auftritt der Partei, ein Demonstrant nannte die Alfa eine »abgehobene Klugscheißerpartei«. Die Redner betonten hingegen immer wieder, »Pro Bargeld« sei überparteilich.
Schulte kündigte für die kommenden Veranstaltungen eine »große Bewegung« an. Als Rednerin soll neben einem CDU-Bundestagsabgeordneten auch Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, gewonnen werden, die Schulte zufolge bisher lediglich aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. Der Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen wird sich auf den kommenden Kundgebungen zeigen.