Der »offene Dialog« von BDS Berlin mit Kritikern war eine Farce

Juttas Marionetten

BDS Berlin lud seine Kritiker zum »offenen Dialog«. Die Veranstaltung erwies sich als die Farce, die erwartet worden war.

Der Berliner Ableger der antizionistischen BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions) sah sich nach seiner Teilnahme am Karneval der Geflüchteten (Jungle World 12/2016) und den Übergriffen auf israelsolidarische Linke am Rande der Demonstration zum »Revolutionären 1. Mai« mit verstärkter Kritik konfrontiert. Am Sonntag sollte eine Diskussionsrunde die Wogen glätten. Explizit wurden in der Einladung auf Facebook auch Kritiker der Gruppe gebeten, an der Diskussion teilzunehmen. So war der Veranstaltungsraum im Jockel, einem Biergarten in Berlin-Kreuzberg, gut gefüllt. Der Abend begann verspätet, da die Moderatorin mit ihrem Auto liegengeblieben war. Daher ergriff zunächst eine Vertreterin von BDS das Wort.
Sie ging gleich in die Vollen und spann eine schöne Verschwörungstheorie um die Sperrung des Spendenkontos von BDS Deutschland. Dabei fiel zum ersten Mal der Name Jutta Ditfurth. Im Laufe des Abends wurde immer klarer: Die frühere Grünen-Politikerin, die die Beteiligung von BDS Berlin am »Revolutionären 1. Mai« als Erste skandalisiert hatte (Jungle World 17/2016), ist zurzeit das Hauptfeindbild der deutschen Palästina-Fans.
Als die Moderatorin schließlich erschienen war, blieb ihr nicht viel mehr übrig, als das Wort an Ronnie Barkan, den Star des Abends, zu übergeben. Barkan ist Mitbegründer einer israelischen BDS-Gruppe, sagte aber eher wenig über BDS selbst. Umso mehr Zeit verbracht er damit, Israel als Apartheid-Staat und Tel Aviv sowie Jerusalem als »Apartheid-Cities« zu verteufeln und dem Zionismus genozidale Ziele zu unterstellen. Im Laufe des Abends verstieg er sich zu der Behauptung, in Wahrheit sei es der israelische Staat, der antisemitisch ist.
Nach Barkans Beitrag wurde die Diskussion geöffnet. Hier zeigten sich die Veranstalter geschickt. Anstatt den Abend als Podiumsdiskussion zu bezeichnen, was er letztlich war, wurden kurzerhand alle Anwesenden zu gleichberechtigten Experten ernannt. Es wurde explizit gewünscht, dass die Fragen von allen im Plenum beantwortet werden dürften. So kamen die Antworten auf die ersten kritischen Nachfragen nicht von BDS Berlin oder Barkan, sondern von Mitgliedern der Gruppen »Spartakist« und »Arbeitermacht«, die im Publikum saßen. Dieses Muster zog sich durch die gesamte Debatte. Auf kritische Beiträge antworteten zunächst die offiziell nicht mit BDS verbundenen Teile des Publikums. Dabei fielen die erwartbaren Stichworte. Für Teile des Publikums ist der Gaza-Streifen bis heute besetzt und ein Freiluftgefängnis. Israel sei der schlimmste Menschenfeind seit 1945, Antideutsche seien wahlweise gehirngewaschen oder rassistische Agenten der Bourgeoisie. Verschwörungstheorien lagen in der Luft, in denen wiederum Ditfurth einen prominenten Platz als Drahtzieherin aller Kritik an BDS einnahm. Beschimpfungen fielen, es wurde gejohlt.
Da aber all diese Wortmeldungen aus dem Publikum und nicht aus der BDS-Gruppe kamen, konnten deren offizielle Vertreter dann als konziliant und am konstruktiven Dialog interessiert auftreten. Je krasser und absurder die vorhergegangen Wortmeldungen, desto besser ging die Strategie auf. Nur Barkan schien das Spiel nicht verstanden zu haben und schwadronierte ausgiebig über deutsche Schuldkomplexe, rassistische Antideutsche und angebliche Genozidpläne des israelischen Staats und brachte sogar noch den obligatorischen Nazivergleich unter: »Gaza was built as a concentra … oh, sorry, refugee camp.« (Gaza wurde gebaut als Konzentra … oh, Entschuldigung, Flüchtlingslager.)
Einen weiteren Tiefpunkt erreichte die Veranstaltung, als eine arabische Jüdin auf die Verfolgung von Juden in der arabischen Welt und deren Vertreibung nach 1948 hinwies. Hier setzte im Plenum großes Gejohle und hämisches Lachen ein, das nur noch übertroffen wurde, als die Frau, da ihre Frage offensichtlich unbeantwortet bleiben sollte, entnervt aufstand und ging.
Die kritischen Teile des Publikums wurden immer stiller, da ihre Fragen ohnehin nicht wirklich beantwortet wurden. Dafür gab es immer mehr Wortmeldungen von Fans der BDS-Bewegung. Eine Teilnehmerin, die sich als Mitglied der »außerparlamentarischen Opposition« der sechziger Jahre vorstellte, gab an, schon immer gegen Israel gewesen zu sein. Sie behauptete, dass die Aufnahme Israels in die Nato kurz bevorstehe, damit Israel auch deutsche Soldaten in »seinen Kriegen« einsetzen könne. Dass es für diese Aussage keine Grundlage in der Realität gibt, focht sie nicht an. Grundsätzlich zeigten viele Beteiligte ein eher lockeres Verhältnis zu dem, was man gemeinhin als Realität zu bezeichnen pflegt.
Als Barkan sich dann doch einmal zu einer kritischen Nachfrage äußerte, behauptete er, die Grenzbefestigungen zur Westbank und zum Gaza-Streifen hätten gar keine Reduzierung von Terroranschlägen bewirkt – und überhaupt, »zionistischer Terror« sei ohnehin viel schlimmer.
Zu den Übergriffen vom 1. Mai sagte ein Vertreter von BDS Berlin schließlich, man sei »nicht erfreut« darüber, wie mit der Situation umgegangen worden sei, aber die Gruppe könne nicht alle Leute auf solch einer großen Demonstration kontrollieren. Letztlich schob er die Verantwortung auf die Angegriffenen – diese hätten den Angriff von vornherein provozieren wollen, um BDS zu diskreditieren. Das täten die Gegner von BDS, weil sie keine echten Argumente hätten. Wahrscheinlich weil sie bloß gehirngewaschene Marionetten Jutta Ditfurths oder gleich der israelischen Regierung sind.