Die Abschaffung der Störerhaftung

Stören mit beschränkter Haftung

Von Enno Park

Wie die Regierungskoalition die Störerhaftung abschafft, ohne sie abzuschaffen.

»Störerhaftung« ist der juristische Fachbegriff dafür, für etwas bestraft zu werden, das man gar nicht getan hat. Klingt absurd, ist es meistens auch und kommt weltweit so fast nur in Deutschland vor. Wer sein Auto verleiht und demoliert zurückbekommt, läuft Gefahr, auch noch Schadensersatz an die Geschädigten des Unfalls zu zahlen – zumindest wenn der Fahrer nicht festgestellt werden kann. Ähnliches gilt auch im Internet. Wer sozial eingestellt ist und ein offenes W-Lan für sich und seine Mitmenschen betreibt, wird zur Verantwortung gezogen, wenn über dieses W-Lan Straftaten begangen werden. Aus diesem Grund gibt es in Deutschland so wenige offene Hotspots. Ausgenommen sind nur Internet-Provider: Sie genießen das sogenannte Providerprivileg und können nicht für das verantwortlich gemacht werden, was ihre Kunden im Netz so treiben – solange sie Namen und Anschrift für die Ermittlungsbehörden parat halten. Das ist für Provider eine ziemlich praktische Angelegenheit, weil sie so lästige Gratiskonkurrenz auf Abstand halten und mehr Internetzugänge verkaufen können – vor allem in Form von Mobilfunkdatentarifen, die in Deutschland im internationalen Vergleich überteuert sind.
Diese Störerhaftung wird nach Jahren des Unmutes endlich abgeschafft – jedenfalls was offene W-Lans betrifft. Darauf hat sich die Regierungskoalition gerade geeinigt und lässt sich dafür kräftig feiern. Doch die Sache hat einen Haken: Die Störerhaftung selbst wird zwar wirklich abgeschafft, das heißt, niemand läuft mehr Gefahr, bei Straftaten im Internet mitbeschuldigt zu werden, allerdings gibt es da noch die Unterlassungsansprüche. Noch so eine juristische Vokabel. Unterlassungsansprüche haben zum Beispiel Inhaber von Urheberrechten. Sollte also Erika Musterfrau freudig ihr W-Lan öffnen, läuft sie nicht mehr Gefahr, für die Taten anderer Menschen bestraft zu werden. Allerdings dürfte früher oder später die erste Abmahnung ins Haus flattern, wenn jemand über ihren Internetzugang illegales Filesharing betrieben hat. Das kann gut und gerne ein paar hundert Euro kosten und Erika Musterfrau wird ihr W-Lan ganz schnell wieder dichtmachen. Daran ändert die Gesetzesnovelle der Großen Koalition leider nichts.
Das ist schade. Aber brauchen wir überhaupt freies W-Lan? Reicht es nicht, dass alle mit ihren Smartphones durch die Gegend laufen und per UMTS und LTE ihr eigenes Internet mit sich herumtragen? Eine Antwort auf die Frage findet sich im nächsten Internet-Café. Die sind mittlerweile spärlich besucht, aber ein Rest sitzt dort noch herum: Menschen, die sich keinen DSL-Anschluss und kein teures Smartphone mit Datentarif leisten können: Migranten, Flüchtlinge, Obdachlose, Hartz-IV-Empfänger. Diejenigen, die gesellschaftlich sowieso schon abgehängt sind und auf diese Weise für einen Euro die halbe Stunde wenigstens ab und zu ein klein wenig teilhaben an der weltweiten Kommunikation. Auf drei Einwohner Deutschlands kommt mittlerweile ein W-Lan-fähiges Gerät. Würde nur ein Teil dieser W-Lans geöffnet: Wie bequem könnte das Leben sein – nicht nur für die Abgehängten. Aber dann müssten die Mobilfunk-Anbieter wohl ihre Preise senken. Und das... An dieser Stelle bricht der Text leider ab. Das Datenvolumen unseres Autors war aufgebraucht.