Verharmlosung vs. Dramatisierung. Über die Reaktionen auf die Gewalttaten von Würzburg, München und Ansbach

Es geht auch anders

Nach Terroranschlägen sind in Deutschland stets die gewohnten Verharmlosungen und Dramatisierungen zu vernehmen. Stimmen der Vernunft hört man kaum. Doch es gibt sie.

Zu den unvermeidlichen Begleiterscheinungen von Terroranschlägen gehören hierzulande die anscheinend unabänderlichen Reaktionsmuster von Politikern, Medienschaffenden und Internetnutzern. Mag der Täter auch noch so laut »Allahu akbar« gebrüllt und dem »Islamischen Staat« (IS) ewige Treue geschworen haben – Linke und Linksliberale wissen stets sofort, dass der Angriff auf keinen Fall etwas mit dem Islam zu tun hat und dass das, was die Rechten nun veranstalten werden, viel schlimmer ist. Eben diese Rechten wiederum wissen ganz genau, dass in jedem Flüchtling ein Terrorist steckt, der eigentlich schnell abgeschoben gehörte, wäre da nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel, die das Land in den Untergang treibt. Wird ein Attentäter von der Polizei getötet wie in Würzburg, ist für die Grünen-Politikerin Renate Künast das größte Problem, dass er nicht lediglich »angriffsunfähig geschossen« wurde, während Jakob Augstein pathetisch dekretiert: »Gerechtigkeit entsteht vor Gericht, nicht durch Erschießen.« Der Juristin Künast scheint also der Unterschied zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung nicht klar zu sein, der Publizist Augstein kennt den zwischen Recht und Gerechtigkeit nicht.
Wenn der IS dann eine Attacke wie die in Würzburg »für sich reklamiert«, wie es in den Medien gerne heißt, verbreitet sich in den sozialen Netzwerken ein Hashtag wie »#ISbekenntsich« rasch vieltausendfach: Der IS bekenne sich zu den Serverproblemen bei »Pokémon Go«, zu den Verspätungen bei der Deutschen Bahn oder zum Analogkäse auf der Pizza. Damit wird die Terrororganisation zu einer Ansammlung von Trittbrettfahrern verniedlicht, die gerne alles Mögliche für sich in Anspruch nehme – darunter eben auch einen Anschlag in Deutschland –, um mächtig zu wirken. Dumm nur, wenn dann ein Video auftaucht, in dem der Täter sich tatsächlich als »Soldat des Kalifats« bezeichnet und bekundet, zum »Märtyrer« werden zu wollen. Da hätte den Witzbolden eigentlich das Lachen im Halse stecken bleiben müssen.
Dass es auch anders geht, zeigt eine Initiative, die sich »Solidarität mit den Bewohnern des Asylbewerberheims Würzburg« nennt und am Tag nach dem Attentat in der bayerischen Stadt eine Kundgebung für die Opfer veranstaltete. Der »islamische Terror«, so hieß es im Aufruf dazu, sei »ein Krieg gegen das freie Leben, die Liebe, die Lust« und werde »schon lange nicht mehr nur in der arabischen Welt geführt«. Man rufe daher zur Solidarität mit all jenen auf, »die seit Jahren gegen diese Barbarei ankämpfen, und ­explizit auch mit jenen, die vor der Gewalt nach Europa fliehen«. Gleichzeitig forderte die Gruppe »Maßnahmen und Programme, um den Islamismus in den Heimen und den Vierteln zu bekämpfen«. Dazu gehöre etwa die Revision des von fragwürdigen Institu­tionen geleiteten Islamunterrichts, die Stärkung von säkularen Vereinen sowie der Schutz »für die Betroffenen nicht nur des Terrors, sondern auch des reaktionären Alltagsislam«.
Man muss auf Anschläge also nicht mit Beschwichtigungen, ­autoritären Forderungen, dummen Verharmlosungen oder falschen Prioritätensetzungen reagieren. Doch die Stimmen der Vernunft sind leise. Und sie taugen oft nicht zum Hashtag.