In Linz gibt sich die deutschsprachige extreme Rechte ein Stelldichein

Forum in der Führerstadt

Rechtsextreme, Verschwörungsideologen und Anhänger Putins aus Österreich, Deutschland und anderen Ländern treffen sich in Linz.

Hitler plante einst die Errichtung der »Führerstadt Linz«, mit dem »Führermuseum« sollte sie zum kulturellen Mittelpunkt Europas werden. In den Linzer Redoutensälen wollen seine Gesinnungsnachfahren nun mit dem »Europäischen Forum Linz« (EFL) den »ersten österreichischen Kongress gegen die ethnokulturelle Verdrängung der europäischen Völker« veranstalten. Die »Verteidiger Europas« möchten bei der Zusammenkunft am Samstag nicht nur strategische Debatten führen und Verbindungen knüpfen. Ganz im Zeichen der historischen Bedeutung der Landeshauptstadt Oberösterreichs dient das Treffen auch als »Leistungsschau der patriotischen, identitären und konservativen Arbeit im publizistischen, kulturschaffenden sowie politischen Bereich« mit »diversen kulturellen und künstlerischen Darbietungen«, wie auf der Website des EFL verkündet wird.
Von NPD-Mitgliedern aus dem Umfeld der Zeitschrift Umwelt & Aktiv, »neurechten Intellektuellen« bis zu deutschnationalen Burschenschaftern und sogenannten Identitären haben sich Vertreter aller relevanten Strömungen der gegenwärtigen extremen Rechten angekündigt. Als Organisatoren präsentieren sich zwei selbsternannte »Alternativmedien« – das Online-Portal Unzensuriert.at und die Zeitschrift Info-Direkt. Die FPÖ-nahe Website Unzensuriert.at wird von dem ehemaligen dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) betrieben – eine der schillerndsten Figuren der freiheitlichen Rechtsextremen, zugleich alter Herr der Burschenschaft Olympia, die zu den fanatischsten Or­ganisationen innerhalb der Deutschen Burschenschaft (DB) zählt. Es überrascht deshalb nicht, dass FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl als erster der »hochkarätigen« Referenten auf dem Kongress angekündigt wird. Dass es in Österreich große Überschneidungen zwischen der parlamentarischen Rechten und dem Neonazismus gibt, ist so wenig ein Geheimnis wie die regen Kontakte zwischen österreichischen und bundesdeutschen Kameraden.
Gut illustrieren lässt sich das an Philip Stein, der in Linz nicht nur referieren wird. Stein ist zugleich verantwortlich für die Kampagne »Ein Prozent«, die sich der Vernetzung des österreichischen und deutschen Rechtsextremismus gewidmet hat. Ende 2015 überwies die Kampagne einen fünfstelligen Betrag an die österreichischen Identitären. Stein schreibt Artikel für Info-Direkt, die Blaue Narzisse und die Sezession. Die beiden letztgenannten Publikationen gehören auch zu den Ausstellern auf dem EFL. Götz Kubitschek, der Chefredakteur der Sezession, und Felix Menzel, der Gründer, Herausgeber und Chefredakteur des Magazins Blaue Narzisse, sind als Vertreter der »Konservativen Revolution« wichtige Bezugspersonen für die »Identitäre Bewegung«. Für das EFL besitzen sie als Veranstalter der »konservativ-patriotischen« Messe »Zwischentag« – ein Treffen extrem rechter Intellektueller und Publizisten – gewissermaßen eine Vorbildfunktion. Die von Kubitschek initiierte Messe fand zuletzt im Juli 2015 in Erlangen statt. Wegen der Konferenz in Linz wird die Messe dieses Jahr ausgesetzt. Die Klientel der kurzfristig ab­gesagten Compact-Konferenz in Köln – der private Vermieter hatte sich über den Veranstalter informiert und den Mietvertrag einseitig gekündigt – dürfte dem Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer folgen und sich ebenso in Linz einfinden.
Dass der Kongress nicht nur ein Treffen altbekannter Neonazis und »Neurechter« ist, sondern das Ziel hat, das extrem rechte Milieu möglichst vollständig zu repräsentieren, lässt das starke Engagement der Zeitschrift Info-Direkt vermuten. Herausgegeben wird sie seit März 2015 vom »Verein für Meinungsfreiheit und freie Publizistik« und dessen Vorsitzenden Karl Winkler. Dieser sitzt auch der oberösterreichischen Landesgruppe der Vertriebenenorganisation »Österreichische Landsmannschaft« vor, die vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) als rechtsextrem bezeichnet wird. Auf der Website stellt sich Info-Direkt als Medium vor, das »Informationen« liefert, »die der Mainstream garantiert verschweigt oder verfälscht«. Auf der Facebook-Seite der Zeitschrift mit über 12 000 Likes finden sich Artikel über die »Machenschaften der Rothschilds und die Asylindustrie«. Woher der Wind weht, verrät auch das Cover der ersten Printaus­gabe: »Wir wollen einen wie Putin«, steht dort unter einem Porträt des russischen Präsidenten. Dieselbe Ausgabe enthält ein Interview mit Alexander Dugin, einem rechtsextremen Philosophen und Gründer der mittlerweile verbotenen »Nationalbolschewischtischen Partei Russlands«. Er ist eine Führungsperson der »Eurasischen Bewegung« und beklagt sich als antiliberaler Gegner der »US-Hegemonie«, des »EU-Imperiums« und deren »Menschenrechtsimperialismus«, genau wie die »Verteidiger Europas« von Linz, über die Verwischung »ethnischer und kultureller Identitäten« in Europa (­Jungle World 10/2015).
Auch die Identitären schätzen Dugin: Alexander Markovics, der Leiter der »AG Theorie« der österreichischen Identitären Bewegung (IB), interviewte Dugin für die IB-Website. Nach der österreichischen Bundespräsidentschaftswahl wurde Markovics dann selbst vom russischen Staatssender RT interviewt. Ein konspiratives Treffen der FPÖ mit Dugin wurde im Juni 2014 bekannt. Auf Einladung des russischen Oligarchen Konstantin Malofejew trafen sich die FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus mit Dugin sowie Abgeordneten des französischen Front National und der rechtsextremen bulgarischen Partei Ataka im Wiener Stadtpalais Liechtenstein. Anlässlich des 200. Jahrestags des restau­rativen Wiener Kongresses tauschte man sich dort über den Kampf gegen die »Schwulenlobby« und die Wiederherstellung der »gottgegebenen Ordnung« aus.
Dass sich die Putin verehrenden Rechten nun in den repräsentativsten Räumlichkeiten Oberösterreichs, den Redoutensälen, treffen dürfen, sorgt für Empörung. In einem offenen Brief forderten Shoah-Überlebende und zahlreiche Personen aus Politik, Kultur und Wissenschaft den oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) zur Auflösung des Mietvertrags auf. Dieser Protest bewirkte genauso wenig wie die parlamentarischen Bemühungen der oberösterreichischen SPÖ und Grünen. Dass Pühringer trotz des innerparteilichen Widerspruchs ehemaliger ÖVP-Größen wie Erhard Busek und Heinrich Neisser am Mietvertrag festhält, verwundert manche Beobachter. Andere, wie der Landesrat Rudolf Anschober (Grüne), weisen darauf hin, dass eine ÖVP-FPÖ-Koalition in der oberösterreichischen Landesregierung besteht.
Ein vergleichbarer Fall vom November 2013 macht diese Erklärung plausibel. Damals bewirkte die Innsbrucker Oberbürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer mit Unterstützung der Tiroler Landesregierung (beide ÖVP) die Aufkündigung eines Mietvertrages für ein Treffen deutschnationaler Burschenschaften in der Innsbrucker Messe. Dass der ÖVP-Politiker Pühringer trotz der Proteste diesmal stur bleibt, ist wohl vor allem der Loyalität zum Koalitionspartner FPÖ geschuldet. Das zeigt, wie erfolgreich die extreme Rechte in Österreich mit ihrer parlamentarischen und außerparlamen­tarischen Doppelstrategie ist. Welche Auswirkungen ein Wahlsieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei der Wiederholung der Bundespräsidentschaftswahl im Dezember hätte – daran möchte man mit Blick auf die bevorstehende braune Horrorshow in Linz erst gar nicht denken.