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Gekonnt geschrammelt

PBWas sicher ist: Stramme Amtlichkeitsfanatiker und 24jährige Trend­scouts würden nach zwei Takten den Saal verlassen. Und die aufrechten Rocktypen erst, die wären regelrecht entsetzt über das gekonnt ungekonnte Geschepper auf der Bühne – pöbelnd liefen sie davon. Was der Band Little Whirls vermutlich nur recht wäre. Wer Geschäftssinn in den Proberaum trägt, wird solche Musik nicht zustande bekommen.

Das war in den Anfangstagen von Lo-Fi vermutlich nicht anders. Zu Beginn der achtziger Jahre etwa, als Daniel Johnstons Aufnahmen klangen, als hätte jemand versehentlich ein Mikrophon in der Ecke liegen gelassen. Damals hätte wohl kaum jemand gedacht, dass dieses Gerumpel jemals mehr als ein paar ohnehin Eingeweihte interessieren könnte. Mit der Veröffentlichung von Alben wie »Slanted and Enchanted« von Pavement änderte sich die Situation Anfang der Neunziger. Die Genialität dieser Slacker bestand auch darin, dass sie mit unverschämter Lässigkeit zu Werk gingen und große Melodien mit zurückhaltender Geste präsentierten. Endlich war das Durchhängen salonfähig geworden – und ­verschaffte so mancher Slacker-Combo kommerziellen Erfolg.

Ob Robert Pollard das interessierte? Wahrscheinlich nicht. Der ungekrönte König des Lo-Fi-Gitarrenpops schlägt sich seit Jahrzehnten mit ­einem Luxusproblem herum: Kreativität. Er hat zuviel davon. Gerüchten zufolge sitzt er auf Hunderten Kassetten unveröffentlichter Songs. Little Whirls aus Hamburg haben sich nach einem Song von Pollards Band Guided By Voices benannt – und sie scheinen dessen Problem zu teilen. Auf dem Debütalbum der Supergroup um Mitglieder von Phantom Horse, Herrenmagazin und Schrottgrenze sind nicht weniger als 19 Songs enthalten. 36 Minuten, die sagen: Fett, aufgeräumt und durchtrieben produzieren kann heute jeder Trottel. Für feinsinnige Lo-Fi-Songs ist noch immer ein Können vonnöten, wie es sich auf »Rearrange the Comfort Zones« zeigt. Chapeau.

Little Whirls: Rearrange the Comfort Zones (Unbreakmyheart)