Was ist zu erwarten, wenn die rechtspopulistische FPÖ mitregiert?

Was Blaumänner wollen

Die Freiheitliche Partei Österreichs hat gute Chancen, der nächsten Regierung anzugehören.

Im Jahr 2013 brachten die Nationalratswahlen für die FPÖ einen moderaten Stimmenzuwachs. Kaum war aber die Bildung einer neuerlichen großen ­Koalition aus Sozialdemokratie (SPÖ) und Konservativen (ÖVP) vermeldet worden, schossen die Umfragewerte der Freiheitlichen weit nach oben und ­verblieben dort – bis Mai 2017, als Außenminister Sebastian Kurz die Führung der Konservativen übernahm. Ab diesem Zeitpunkt verlor die FPÖ den ­ersten Platz in den Umfragen. Sie wird nun aller Voraussicht nach mit der SPÖ um den zweiten Rang kämpfen.

Obwohl die Freiheitlichen schwer damit hadern, dass die ÖVP ihnen mit den eigenen Standpunkten das Wasser abgräbt, können sie zuversichtlich in die anstehenden Wahlen gehen, denn sie haben gute Chancen, der künftigen Regierung anzugehören. Niemand zweifelt daran, dass der wahrscheinliche Wahlsieger Kurz einem schwarz-blauen Bündnis mehr als aufgeschlossen ­gegenübersteht. Und auch die Sozialdemokratie hat diesen Sommer ihre langjährige Abgrenzung von der FPÖ aufgegeben und damit zumindest grundsätzlich den Weg für eine Koalition freigemacht. Auf Landesebene, im ost­österreichischen Burgenland, besteht eine solche Zusammenarbeit bereits seit 2015. Der in Österreich seit jeher rissige und eher von Machtkalkül als von antifaschistischer Gesinnung getragene cordon sanitaire um den ­parteiförmigen Rechtsextremismus ist schon längst Geschichte.

 

Die Rückkehr der Burschenschaftler

Was aber kommt, wenn die Freiheitlichen mitregieren? Die FPÖ fordert in ihrem Wahlprogramm ein Ende der Zuwanderung und eine konsequente Abschiebepolitik. Die Betreuung von Flüchtlingen soll gänzlich verstaatlicht und damit unliebsamen NGOs entrissen werden. Um das Asylrecht, das im Lauf der vergangenen Jahrzehnte stetig verschärft wurde, weiter auszuhöhlen, soll die Europäische Menschenrechtskonvention »evaluiert« und »gegebenenfalls« durch eine österreichische ersetzt werden.

In der Kulturpolitik will die FPÖ die Förderung kritischer und avantgar­distischer Künstler einstellen und dafür solche unterstützen, die sich der Brauchtumspflege und »Stärkung der kulturellen Identität« verschrieben ­haben. Für nicht massentaugliche Filmproduktionen, die »keinen Zugang zum Publikum« finden, soll es keine Förderung mehr geben. Dafür soll »dem Volksliedgut« möglichst viel Platz eingeräumt werden. Schülerinnen und Schüler seien im Unterricht wieder verstärkt dazu anzuhalten, deutsche Gedichte zu lernen, um »Liebe zur ­eigenen Sprache« zu entwickeln – das steht zwar nicht im Wahlprogramm, aber im »Handbuch freiheitlicher Politik« für »Führungsfunktionäre und Mandatsträger«.

Plebiszitäre Instrumente sollen aufgewertet werden, auf dass das gesunde Volksempfinden sich Bahn breche, die direkte Demokratie soll »nach Schweizer Vorbild« ausgebaut werden, »Veto-Volksabstimmungen« gegen bereits parlamentarisch verabschiedete Gesetze sollen ermöglicht werden.
Für neue Österreicher sollen die ­Österreicher selbst sorgen. Die Freiheitlichen wollen die autochthone Geburtenbilanz durch gezielte Förderung inländischer Familien aufbessern, für Schwangerschaftsabbrüche soll es neue Hürden geben. Sozialleistungen sollen Nichtösterreichern erst nach fünfjähriger Beitragszahlung gewährt werden, der Arbeitsmarkt für sie in manchen Branchen geschlossen werden. Auch beim Zugang zum sozialen Wohnungsbau sollen Österreicher bevorzugt werden. Wirtschaftspolitisch fordert die FPÖ umfangreiche Steuer- und Ab­gabensenkungen insbesondere für Unternehmen, Vermögenssteuern lehnt sie ab. Die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschafts- und Arbeiterkammer – den gesetzlichen Interessenvertretungen von Unternehmern sowie Arbeitern und Angestellten in Österreich – soll entfallen, was das geltende Kollektiv­vertragssystem aushöhlen und eine erhebliche Schwächung der wichtigsten Interessenvertretung der Lohnabhängigen bedeuten würde. Außerdem ­findet sich im Programm die obligatorische Forderung nach einer Stärkung von Polizei und Militär.

Seit jeher betreibt die FPÖ eine Politik gegen Frauen, die nicht bereit sind, sich in die ihnen zugedachte Rolle zu fügen.

Auf personeller Ebene wäre im Fall einer Regierungsbeteiligung der FPÖ eine Rückkehr der Burschenschafter in Ministerien, Bürokratie und staats­nahe Wirtschaft zu erwarten. Bereits während der Koalition von ÖVP und FPÖ von 2002 bis 2005 kam die wichtigste akademische Personalreserve der FPÖ aus dem Burschenschaftsmilieu. Auf oberster politischer Ebene ­waren die völkischen Korporierten damals ­allerdings weniger stark repräsentiert, als es diesmal wohl der Fall wäre. Zum einen übte die schwarz-blaue Regierung mit Blick auf die Weltöffentlichkeit eine gewisse Zurückhaltung, die angesichts der seither erfolgten Enttabuisierung rechtsextremer Regierungsbeteiligungen in Europa und anderswo wohl wegfiele. Zum anderen hatte Jörg Haider, FPÖ-Obmann von 1986 bis 2000, die Partei im Laufe der neunziger Jahre personell umgebaut, ihren völkischen

Flügel immer mehr an den Rand gedrängt und jene ideologisch nicht festgelegten Karrieristen nach oben gebracht, denen die diversen Korruptionsskandale der Regierungszeit zuzurechnen sind. Heinz-Christian Strache dagegen wurde 2005 von den völkischen Hardlinern in den Vorsitz bugsiert und hat diesen seither die Treue gehalten. Eine deutliche Mehrheit des derzeitigen Bundesparteivorstands (22 von 37 Mitgliedern) gehört völkischen Studentenverbindungen an – ebenso wie sechs von neun Landesparteivorsitzenden, Strache selbst und vier seiner fünf Stellvertreter. Auch programmatisch hat sich die Rückkehr der Korporierten ausgewirkt: Das Bekenntnis zur »deutschen Volks-, Sprach- und Kulturgemeinschaft«, das unter Haider aus dem Parteiprogramm gestrichen worden war, wurde 2011 wieder hineingeschrieben – von jenem Norbert Hofer, der vergangenes Jahr als das »freund­liche Gesicht der FPÖ« um ein Haar die Bundespräsidentschaft und damit das formal höchste Amt im Staat für die Freiheitlichen errungen hätte.

 

Eine Männerpartei

Nicht nur wegen der tragenden Rolle akademischer Männerbünde in ihren Reihen kann die FPÖ als Männerpartei charakterisiert werden. Der Frauen­anteil an der derzeitigen Nationalratsfraktion liegt bei kümmerlichen 16 Prozent, unter knapp 100 Landesvorsitzenden über die Parteigeschichte hinweg finden sich gerade einmal zwei Frauen. Auch die freiheitliche Wählerschaft weist einen deutlichen Gender Gap auf: Bei den Parlamentswahlen von 2013 gaben 28 Prozent der Männer, aber lediglich 16 Prozent der Frauen der FPÖ ihre Stimme. In der Stichwahl zur Bundespräsidentschaft im vergangenen Jahr schlug der FPÖ-Kandidat Hofer seinen Gegenkandidaten Van der Bellen bei den Männern um zwölf Prozentpunkte (56 zu 44), während er unter Frauen in wahlentscheidendem Ausmaß zurücklag (38 zu 62).

Die für die Geschlechter offenkundig unterschiedliche Attraktivität der FPÖ kommt nicht von ungefähr: Seit jeher betreibt die Partei eine Politik gegen Frauen, die nicht bereit sind, sich in die ihnen zugedachte Rolle zu fügen. Auch im aktuellen Partei- und Wahlprogramm wird Frauenpolitik weitgehend mit ­Familienpolitik gleichgesetzt und werden Sexismus und sexualisierte Gewalt ethnisiert, während dieselben Probleme verharmlost werden, wenn sie in in der »autochthonen« Bevölkerung auftauchen. Feminismus und Gender Mainstreaming gelten den Freiheitlichen – einschließlich ihrer weiblichen Mitglieder – als Versündigung an der Natur und als die Volksgemeinschaft ­zersetzendes Umerziehungsprojekt.

Galt eine baldige Regierungsbe­teiligung der FPÖ lange Zeit als ausgemacht, hat sich die Lage jüngst durch den Aufstieg der von Kurz geführten ÖVP leicht verändert. Das Szenario ­eines FPÖ-Kanzlers scheint vorerst vom Tisch zu sein. Selbst ein Verbleib in der Opposition wäre unter Umständen möglich, sofern die zu erwartende Wahlniederlage der Sozialdemokratie dort neues Personal in Führungsposi­tionen bringt, das bereit wäre, den Juniorpartner unter Kanzler Kurz zu ­geben. Gleich aber, ob die FPÖ im neu konstituierten Nationalrat der Regierung angehören wird oder nicht – die Rolle der Stichwortgeberin für die nach rechts gerückten Parteien der Mitte dürfte ihr auf absehbare Zeit nicht zu nehmen sein.