In der Stichwahl um die tschechische Präsidentschaft könnte es knapp werden

Wahlsieg oder rote Karte

Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Tschechien liegt der Amtsinhaber Miloš Zeman deutlich vorn. Dennoch könnte es für ihn in der Stichwahl knapp werden.

Noch ist nichts entschieden. Die Stichwahl für die tschechische Präsidentschaft ist für den 26. und 27. Januar angesetzt. In der ersten Runde am 12. und 13. Januar standen neun Kandidaten zur Wahl. 38,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler hatten dem Amtsinhaber Miloš Zeman ihre Stimme gegeben. Für den stärksten Herausforderer, den parteilosen Chemiker Jiří Drahoš, ehemals Vorsitzender der Akademie der Wissenschaften, hatten sich 26,5 Prozent entschieden. Die anderen sieben Bewerber erhielten zwischen 0,5 und zehn Prozent.

Trotz des deutlichen Vorsprungs ist das Ergebnis für Präsident Zeman eine Enttäuschung – er hatte auf einen Sieg im ersten Wahlgang gehofft, jedoch sogar deutlich die 42 Prozent verfehlt, die ihm in Umfragen kurz vor der Wahl prognostiziert worden waren. In seiner ersten Reaktion ging Zeman aber nicht darauf ein, vielmehr verwies er darauf, 2013 im ersten Wahlgang nur 24 Prozent der Stimmen erlangt zu haben – ein satter Zuwachs von 14 Prozentpunkten also. Überraschend erklärte er zudem seine Bereitschaft, sich ein oder zwei Fernsehduellen mit Drahoš zu stellen. Mehrere Fernsehsender äußerten daraufhin Interesse. Später waren sogar vier Diskussionsrunden im Gespräch. Zemans rhetorische Stärke ist gefürchtet und könnte Drahoš gefährlich werden.

Diese Kehrtwende zeugt aber von Zemans Verunsicherung. Er hatte es zuvor ausdrücklich abgelehnt, sich am Wahlkampf zu beteiligen: Die Wähler mögen seine erste Amtsperiode bewerten und er habe keinen Grund, ­zusätzlich für sich zu werben. Deshalb hatte er jede Teilnahme an Diskussionsrunden der Kandidaten verweigert. Wie seine Herausforderer bereiste er zwar unentwegt das Land und sprach öffentlich – aber natürlich als Präsident im Dienste und auf Kosten des Staates. Und im ganzen Land hingen Plakate mit dem Slogan »Noch einmal: Zeman!« – aber die hätten engagierte Anhänger finanziert, so Zeman.

Schon am Wahlabend hatte Drahoš dies kritisiert: Die Wahlkampagne des Präsidenten und vor allem ihre Finanzierung seien undurchsichtig. Alle anderen Kandidaten mussten öffentlich Rechenschaft ablegen über die Kosten und die Finanzierung ihres Wahlkampfs.

Zemans Taktik ist nicht aufgegangen. Über 61 Prozent der Wählerinnen und Wähler waren offensichtlich alles andere als begeistert davon, wie er ihren Staat seit 2013 repräsentiert hat. Was den Präsidenten alarmieren dürfte: Die wichtigsten unterlegenen Bewerber haben ihre Wählerinnen und Wähler dazu aufgerufen, ihre Stimme in der Stichwahl Drahoš zu geben. Pavel Fischer, der mit 10,2 Prozent der Stimmen den dritten Platz belegte, wirkte einst in verschiedenen Funktionen im Team von Václav Havel, später war er Botschafter in Frankreich und Monaco. Michal Horáček, ein populärer Musiktexter und Unternehmer, erhielt 9,2 Prozent. Der bislang vollkommen unbekannte Arzt und Pädagoge Marek Hilšer war mit 8,8 Prozent der Stimmen die eigentliche Überraschung der Wahl – ihm waren in Umfragen lediglich zwei Prozent prognostiziert worden. Mirek Topolánek, Ministerpräsident von 2006 bis 2009, kam auf 4,3 Prozent. Das wären viele zusätzliche Stimmen für Drahoš.

Es dürfte Zeman auch Sorgen machen, dass einige seiner bisherigen Parteigänger ihn nicht mehr vorbehaltlos unterstützen. Andrej Babiš, der Ministerpräsident von Zemans Gnaden, distanzierte sich in einer ersten Stellungnahme zum Wahlausgang überraschend vom außenpolitischen Kurs des Präsidenten. Wirtschaftsbeziehungen zu Russland und China seien gut, aber politisch dürfte die Annäherung Tschechiens an diese Länder klare Grenzen nicht überschreiten, so Babiš.

Ähnlich wie in Deutschland übt der Präsident in Tschechien vorwiegend repräsentative Funktionen aus. Aber mit dem Recht zur Ernennung des Ministerpräsidenten und dessen Beauftragung mit der Regierungsbildung spielt er kurz nach den Parlamentswahlen derzeit eine wichtige Rolle. Noch in der vergangenen Woche hatte Zeman das Abgeordnetenhaus aufgesucht, um für die Unterstützung des Kabinetts Babiš bei der anstehenden Vertrauensabstimmung zu werben. Er hatte in Aussicht gestellt, auch im Falle des Scheiterns Babiš eine zweite Chance zu geben und die Minderheitsregierung gegebenenfalls über längere Zeit kommissarisch im Amt zu lassen. Aber der populistische Regierungschef hat ein feines Gespür dafür, wann sich der Wind dreht. Drei Tage nach der Präsidentschaftswahl stellte er im Parlament die Vertrauensfrage. Erwartungsgemäß erhielt er lediglich die Unterstützung der 78 Abgeordneten seiner Partei Ano – zur Mehrheit fehlten 23 Stimmen. Babiš scheint indes nicht mehr mit dem angeschlagenen Präsidenten zu rechnen. Er kündigte den baldigen Rücktritt seiner Regierung an.

Auch die Gewerkschaften haben ­ihren Mitgliedern anders als 2013 keine Wahlempfehlung für Zeman ge­geben. Es sieht ganz danach aus, als erhielte er nun die Quittung für sein häufig unangemessenes und vulgäres Auftreten als Präsident.