In den USA profitiert die Alt Right von Bitcoin

Reich ohne Staat

Kryptowährungen sind bei Rechten beliebt. Sie passen zu ihrer ­paranoiden Vorstellung von Gesellschaft.

Ein Phänomen, an dem sich die Konvergenz von kapitalistischer Irrationalität, Verschwörungsideologie und apokalyptischer Krisenfaszination nachzuvollziehen lässt, ist der Goldfetisch. Finanzapokalyptiker jeder Couleur projizieren ins Gold eine krisenfeste, stabile Wertanlage und sind besessen von ihrer konkreten Natur. »Der Schatzbildner opfert daher dem Goldfetisch seine Fleischeslust«, heißt es bereits in einer luziden Bemerkung bei Marx, an die spätere Theorien zur verdrängten Aggression des autoritären Charakters angeknüpft haben.

Neben dem Ressentiment gegen das Abstrakte ist es die paranoide Angst vor staatlicher Enteignung, die Rechte in den Goldfetisch treibt. »Negativ­zinsen«, »Eurobonds« und »Bargeldabschaffung« heißen derzeit die Angstwörter, mit denen sich nebenbei auch lukrative Geschäfte im Edelmetall­sektor machen lassen. Den staatlichen Kontrollmechanismen entzogene Kryptowährungen werden in diesen Milieus als alternative Anlagemöglichkeit intensiv diskutiert. »Natürlich finden wir das gut«, kommentierte Alice Weidel jüngst auf einer Veranstaltung der AfD in Leipzig die Frage nach ihrer Position zu Bitcoin. Im Sinne Dostojewskis, der Geld als geprägte Freiheit bezeichnete, sekundiert Jürgen Elsässer in der aktuellen Compact: »Mit dem Ende des Bargelds stirbt die Freiheit des homo oeconomicus – aber mit Bitcoin entsteht sie neu.« Richard Spencer, der Stichwortgeber der US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung, rief Bitcoin im März 2017 gar zur ­Währung der Bewegung aus.

Argumente dieser Art stehen in der Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, zu deren bekannten Exponenten Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek waren und deren theoretischer Kern ein gesellschaftsblinder ­Individualismus bildet. Hayek entwickelte die Idee einer spontanen Marktordnung und propagierte einen evo­lutionären Erklärungsansatz für alle sozialen Phänomene. Marktgesetze sollten möglichst frei von äußeren Einflüssen wirken und die Menschen sich ihnen anpassen. Heute ist das evolutionäre Denken vor allem bei den Rechts­libertären der Zeitschrift Eigentümlich frei und der neoliberalen Hayek-Gesellschaft verbreitet. Ihr Freiheitsbegriff zielt auf die Zerschlagung von staatlicher Regulierung und sozialer Absicherung, die sie als »organisierten Diebstahl« bezeichnen.

Die Bitcoin-Euphorie der Alt-Right fügt sich in das paläolibertäre Bild vereinzelter Privatproduzenten und ihrer Kritik an staatlicher Finanzregulierung durch das Federal Reserve System.

In den USA erfuhren die Austrian economics unter Murray Rothbard und Lew Rockwell eine naturrechtliche Erweiterung, in deren Zentrum das Recht auf Eigentum steht. Als Vertreter eines Paläolibertarismus streben beide eine radikal dezentralisierte Gesellschaft von ausschließlich über den Markt vermittelten Privateigentümern an und wollen das Individuum durch soziale Autoritäten wie Familie und Religion vor dem Staat schützen. Eine vermeintlich natürliche Wertsubstanz des Goldes gilt ihnen dabei als Bollwerk gegen staatliche Währungsmanipulation.

Im 1982 von Rothbard, Rockwell und Burton Blumert gegründeten »Ludwig von Mises Institute« in Alabama wurden in den letzten Jahren Flügelkämpfe ausgetragen, die an die Spaltung der deutschen Hayek-Gesellschaft erinnern (Jungle World 31/2015). Eine der schillerndsten Figuren in diesem ­Konflikt ist der Ökonom Hans-Hermann Hoppe, der in den siebziger Jahren bei Jürgen Habermas promovierte und mittlerweile als Scharnierdenker zwischen dem Rechtslibertarismus und der Alt-Right gilt. Hoppe radikalisiert das Naturrecht auf Eigentum dahingehend, dass der Staat seine Bevölkerung mit der Verfügungsgewalt eines Privateigentümers traktieren und unangepasste Minderheiten diskriminieren solle. In seiner Schrift »Demokratie. Der Gott, der keiner ist«, heißt es: »In einer libertären Sozialordnung kann es keine Toleranz gegenüber Demokraten und Kommunisten geben. Sie müssen aus der Gesellschaft physisch entfernt und ausgewiesen werden.« Mit der Freedom and Property Society sucht Hoppe den direkten Kontakt zu Vertretern der Alt-Right, die seine Schriften wiederum ausgiebig zitieren und in Form von Memes im Netz verbreiten. Bereits 2010 trat Richard Spencer auf einem Podium der Stiftung auf.

Die Bitcoin-Euphorie der Alt-Right fügt sich in das paläolibertäre Bild vereinzelter Privatproduzenten und ihrer Kritik an staatlicher Finanzregulierung durch das Federal Reserve System. Auch für die Neoreaktionäre des sogenannten Dark Enlightenment und die Anhänger antisemitischer Verschwörungstheorien, die hinter den Zentralbanken die Macht des Weltjudentums halluzinieren, sind dezentralisierte Währungen attraktiv. Hoppe hingegen meint, dass es sich bei der elektronischen Bitcoin nicht um eine Währung handeln könne.

Dass die Protagonisten der Alt-Right verstärkt auf Kryptowährungen setzen, hat allerdings auch ganz pragmatische Gründe. Nach den Ausschreitungen von Charlottesville im August vorigen Jahres sperrten die Internetdienste Google, Godaddy und Wordpress zahlreiche Domains aus dem Umfeld der Alt-Right, darunter den neonazistischen Daily Stormer und die Gruppe American Vanguard.

 

Ein Geschenk des Himmels für die die Alt-Right

Auch Bezahldienste und Crowdfunding-Plattformen wie Paypal, Apple Pay, Gofundme und Kickstarter schlossen die Accounts bekannter Neonazis mit Verweis auf Gesetze gegen hate speech von ihren Serviceleistungen aus. Diese Art des de-platforming bereitet der Alt-Right enorme Probleme. »Es ist eine Sache, bei Twitter rauszufliegen, eine andere Sache ist es, aus dem ganzen Banksystem rauszufliegen«, warnte Spencer. Aus Bitcoin hingegen könne man nicht einfach rausgeschmissen werden.

In den Kommentarspalten der Faschosphäre fabulieren Nutzer derweil schon von Alternativen zu Bitcoin und deren Vereinbarkeit mit dem Regressionstheorem von Ludwig von ­Mises.

Für die Alt-Right sind Kryptowährungen ein Geschenk des Himmels, sagt Heidi Beirich vom Southern Poverty Law Center. Sie hat die Transaktionen von 200 rechtsextremen Bitcoin-Wallets (den digitalen »Geldbörsen« der Nutzer) beobachtet und in den vergangenen Monaten einen enormen Investitionsanstieg registriert. Bitcoins werden dabei vor allem für normale Geschäftszwecke eingesetzt. So empfing Andrew Anglin, der Herausgeber des Daily Stormer, im August 14,88 Bitcoins im Wert von 60 000 Dollar. Die Summe ist eine Anspielung auf die »14 Words« (»Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern«, eine Art Glaubensbekenntnis der extremen Rechten) und dem Code für »Heil Hitler«. Mittlerweile verfügt die Alt-Right mit Wesearch und Hatreon über eigene Crowdfunding-Plattformen für Internettrolle und politische Kampagnen, die hauptsächlich Bitcoins nutzen. Für einen Rechtshilfefonds des Daily Stormer konnten dort knapp 160 000 Dollar eingeworben werden. Auch die Aktion der Identitären Bewegung gegen die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer wurde so mit 234 000 Dollar ­kofinanziert.

Die rasanten Kurssteigerungen der letzten Zeit stellen allerdings auch diese Systeme vor Probleme. Anfang Dezember warnte Spencer vor einer kommenden Bitcoin-Blase. Weil viele Leute die Kryptowährung nicht als Tauschmittel verwenden, sondern lediglich als Investition, um reich zu ­werden, sei ein Crash programmiert. Auch Jürgen Elsässer sieht die Bitcoins bereits zum Spekulationsobjekt de­gradiert.

In den Kommentarspalten der Faschosphäre fabulieren Nutzer derweil schon von Alternativen zu Bitcoin und deren Vereinbarkeit mit dem Regressionstheorem von Ludwig von ­Mises. Dieses führt das allgemeine Wertäquivalent des Geldes auf seinen ursprünglichen Gebrauchswert als Edelmetall zurück. Finanzesoteriker halten ungedecktes Papiergeld daher für die Wurzel aller wirtschaftlichen Krisenerscheinungen und sind sich uneinig darüber, ob das energieintensive Bitcoin-Mining mit dem Schürfen von Gold vergleichbar und deshalb krisenfest sei oder ob die Bits wie sogenanntes Fiatgeld gespenstisch aus dem Nichts entstünden. Auch Sicherheitsbedenken gegen öffentliche Wallets werden ins Feld geführt. So lassen sich über den Twitter-Bot @Neonaziwallets sämtliche Kryptowährungstransaktionen bekannter Neonaziaccounts verfolgen. Aus antifaschistischer Sicht ist das immerhin ein Vorteil gegenüber der anonymen Nutzung von etablierten Bezahldiensten.