Die Serie »Portlandia« muss vor linken Kritikern verteidigt werden

Toni und Candace haben keinen Laden mehr

Die Comedyserie »Portlandia« neigt sich ihrem Ende zu, in den USA wird derzeit die finale achte Staffel ausgestrahlt. Die einen finden sie genial, andere aber fühlen sich durch ihren Humor verletzt und vergleichen die Serie gar mit US-Präsident Trumps Ausfällen.

»So you want to be entertained / Please go away / Don’t go away.« Diese Zeilen singt Carrie Brownstein, ihres Zeichens Sängerin und Gitarristin der Punkband Sleater-Kinney, in dem passend betitelten Song »Entertain«. Die Ausbeutung der Musiker, grade der Musikerinnen, die Erwartungshaltung des Publikums, von ihnen unterhalten zu werden, die Schwierigkeit der Interpretinnen, genau dem gerecht zu werden und vielleicht doch etwas zu sagen, das den Hörern nicht passt – diese Spannung wird in dem Lied verhandelt. »All you want is entertainment / Rip me open / It’s for free« schreit sie weiter. Unterhaltung als etwas Profanes, Unterhaltung als etwas Vermittelndes, Unterhaltung als Zwang und doch als Freude, Unterhaltung als Notwendigkeit, der man als Musiker nicht entkommt. Es ist kompliziert.

Nachdem Sleater-Kinney 2006, ein Jahr nach dem Erscheinen von »Entertain«, eine längere Pause machten, widmete sich Brownstein einem ­anderen Projekt, das die Frage nach Unterhaltung stellt: dem Fernsehen. Zusammen mit ihrem guten Freund Fred Armisen erfand sie erst die Webserie »Thunder Ant«, die sie dann 2009 dem US-amerikanischen Kabelsender IFC anboten. 2011 startete die erste Staffel unter dem Titel »Portlandia«.

»Portlandia« ist eine Sketchserie. Das hat eine gewisse Tradition in den USA. In Sendungen wie »Saturday Night Live« (dessen Ensemble Fred Armisen angehörte und mehrmals in die Rolle des ehemaligen Präsidenten Barack Obama schlüpfte) oder »Mad TV« werden und wurden in kleinen Einspielern Menschen des öffentlichen Lebens imitiert und die Populärkultur karikiert. In »Portlandia« spielen prominente Personen keine Rolle: Nachgestellt werden hier Menschen, die man zwar auch kennt, aber nicht aus den Medien, sondern aus der täglichen Anschauung: Das linksliberale Akademikerpärchen, die lesbischen Gefühls­feministinnen, allerhand Esoteriker, Idealisten, Hipster, gescheiterte Punks, Spießer. Während die klassische Imitation davon lebt, dass die aus zweiter Hand gewussten spezifischen Eigenheiten der zu imitierenden Person besonders gut getroffen werden, führt »Portlandia« eigene Figuren ein, die fortlaufend aufs Korn genommen werden: sie schafft sich ihre eigenen Promis, berühmten Persönlichkeiten sind nicht Ziel der ­Satire. Die Vereinigten Staaten reduzieren sich auf eine Stadt im Nordwesten, nämlich Portland, Oregon, die jedwedem zu veräppelndem Sozialcharakter ein Zuhause bietet. Portland als Abziehbild der USA: linksliberal, divers und ein wenig verschroben.

 

Die von Fragen nach der Repräsentation besessene Linken, die die Show veräppeln will, fehlt es an Humor und Selbstironie.

 

So passiert es also, dass man in »Portlandia« nicht auf die üblichen unbekannten Persönlichkeiten trifft, sondern mitunter auf sich selbst. Und das gilt nicht nur für das Publikum, sondern durchaus auch für Brownstein und Armisen, die nicht nur spielen, sondern die Serie auch mitschreiben und gelegentlich Regie führen. Die beiden sind der Inbegriff des alternativen Amerikas, Brownstein lebt seit Jahren selbst in Portland und ist durch Sleater-Kinney eine Indie-Ikone. Wenn sie und ihr Partner Armisen sich also über Charaktere aus dem Alternativmilieu lustig machen, ist das nicht nur eine sympathische Publikumsbeschimpfung, sondern auch Selbstironie.
Der Aufforderung, sich selbst zu persiflieren, kommen viele gerne nach: In »Portlandia« treten regelmäßig bekannte Gäste auf. Der Sänger von Queens of the Stone Age, Josh Homme, spielt den schwulen Bruder von Brownstein, Laurie Metcalff, ehemalige Schwester von Roseanne in der gleichnamigen Sitcom, mimt eine überarbeitete Angestellte. Kyle MacLachlan spielt den Bürgermeister von Portland, der ehemalige Sänger von Black Flag, Henry Rollins, spielt einen gealterten und spießig gewordenen Punker, in weiteren kleinen Rollen sieht man Steve Buscemi und Chloë Sevigny.

Neben diesen Gästen tauchen immer wieder die Figuren auf, die sich die Serienmacher ausgedacht haben und die auch von ihnen gespielt werden. Vor jedem Sketch sieht man in jeweils einem kurzen Vorspann das fiktive Arbeits- oder Wohnhaus sowie eine eingeblendete Adresse. Peter und Nance zum Beispiel, ein Paar im mittleren Alter, das sich von einer zur nächsten Trenddiät hangelt, um noch gesünder und bewusster zu leben. Nina und Lance sind ein stereotypisches Hetero-Paar – Brownstein spielt den Macho Lance, während Armisen in die Rolle der emotionalen Nina schlüpft. Am bekanntesten sind Candace und Toni, zwei Altfeministinnen, die einen Buchladen mit dem Namen »Women & Women First« betreiben. Die beiden sind notorische Arbeitsverweigerer, Candace trinkt am liebsten ungesüßten Tee, Toni fühlt sich von jeder Geste überrumpelt (jedes Mal, wenn sie einen ausgestreckten Finger sieht, erinnert sie das unangenehm an einen Penis). Die beiden Figuren genießen Kultstatus. Der Buchladen »In Other Words« in Portland, in dem die Szenen gedreht wurden, versagte 2016 dem Team den Zugang zum Drehort. Nachdem der Laden jahrelang Werbung mit seinem Erscheinen in »Portlandia« gemacht hatten, gaben die Betreiber in einem offenen Brief bekannt, dass die Darstellung der Candace durch Fred Armisen »transmisogyn« sei und in dem Buchladen keine Szenen mehr gedreht werden dürften.

Die von Fragen nach der Repräsentation besessene Linken, die die Show veräppeln will, fehlt es an Humor und Selbstironie.

 

Die narzistischen Kränkungen der Zuschauer

 

2015 schon hatte es Blogeinträge auf dem Portal von The Portland Mercury gegeben, in denen der Serie allerlei Übel unterstellt wurden: »Portlandia« sei schuld an der Gentrifizierung in der Stadt, Schwarze wären nicht repräsentiert, alles in allem sei die Serie nicht witzig. Einer dieser Einträge war überschrieben mit dem Satz: »Fuck you, Portlandia!« Das, was Carrie Brownstein schon 2012 in einem Interview gesagt hatte, bewahrheitete sich nun: »Ich habe das Gefühl, dass Menschen aus Portland die Show weniger verstehen als alle anderen.«

Die heftigen Reaktionen auf die Serie lassen sich nur durch die narzisstischen Kränkungen erklären, die sie ihren Zuschauern in aufklärerischer Absicht antut: Es gibt kein zeitgenössisches, angesagtes Phänomen, das den Machern von »Port­landia« entgeht: Therapie, Online-Dating, Crowdfunding – all das wird von den Figuren euphorisch ausprobiert, und endet meist im Fiasko. So wie in dem Sketch, in dem das Rentner-Ehepaar Kris und Malcolm keine Kleidung kaufen will, die in einem Sweatshop hergestellt wurde. Kurzerhand beauftragen sie eine Schneiderin, ihnen ihre Klamotten zu schneidern – mit fatalen Folgen: Kris und Malcolm sind ungeduldig, setzen die Schneiderin unter Druck, als Ergebnis ist der Sweatshop nicht mehr im entfernten China, sondern in ihrem Keller beheimatet, in dem rund um die Uhr gearbeitet wird. Viele kleine Filme der Serie funktionieren nach diesem Eskalationsprinzip.
Die gesamte Serie schreit: Es gibt kein Außen. Jeder Ausweg, der von den Figuren aus ihren Verhältnissen gesucht wird, führt eigentlich wieder nur zu mehr Anpassung. Es geht bei »Portlandia« um das ständige Scheitern der Nonkonformisten an der Realität. Dass die Serie keine linke Agitation betreibt (was zwangsläufig zu Humorlosigkeit führen würde) nimmt man ihr übel. Die Präsidentschaft Trumps wird beispielsweise in der neuen Staffel nicht zum exponierten Thema eines Sketches, dafür sieht man aber in einer Zwischeneinblendung einen Vorgarten mit einem Schild, auf dem geschrieben steht: »Nobody for President«. Subtilität statt Plakativität, das ist das Rezept des Formats.

Apropos Trump: Voriges Jahr verglich die Autorin Monica Drake, wieder auf Portland Mercury, »Portlandia« mit dem amtierenden Präsidenten. »Ich bin mir nicht sicher, ob es zwischen der Verspottung der Charaktere in ›Portlandia‹ und Trumps Verspottung einer Journalistin mit Behinderung einen so großen Unterschied gibt, denn Trump denkt, dass er witzig ist. Es ist alles dieselbe Mentalität.« Selbstverständlich gibt es da einen Unterschied: »Portlandia« denkt von sich nicht nur, witzig zu sein. »Portlandia« ist witzig, ganz anders als der Präsident. Diesem geht es tatsächlich um die Verächtlich­machung von Personen. In »Portlandia« aber geht es um Empathie: die Figuren sind nicht nur überzeichnet, um den Witz zu generieren, sondern um einen Effekt zu erzielen, der die Unterscheidung zwischen tatsächlich existierenden Menschen und ihren Karikaturen deutlich macht. Die Macher zeigen keine Überzeichnung von Menschen, um sie dem Spott preiszugeben, nein, sie zeigen sie, weil durch diese Überspitzung die Vermittlung zwischen Gesellschaft und Individuum überhaupt erst sichtbar wird, wie nämlich Zwänge und Ideologien auf das Individuum wirken – Wahrheit hat immer etwas Übertriebenes. Die oft tragiko­mischen Wendungen, welche die Geschichten nehmen, verhindern ­gradezu den menschenverachtenden Spott. In allen Figuren, die man in »Portlandia« begleitet, erkennt der Zuschauer auch Seiten seiner selbst, und daraus zieht die Serie ihre kritische Kraft. Portland ist in der Serie zwar ein Ort voller Verrückter – aber er erscheint immer noch als der Ort auf der Welt, in dem es sich am besten leben lässt.