In Weil am Rhein blieben rassistische Angriffe auf eine Familie nahezu ohne Konsequenzen

Gefährliche Nachbarschaft

Im baden-württembergischen Weil am Rhein war eine Familie jahrelang rassistischen Angriffen ausgesetzt. Nun sind alle Gerichtsverfahren in dem Fall abgeschlossen – mit geringen Konsequenzen.

Nun ist der Fall erledigt – zumindest für das Oberlandesgericht Freiburg. Es verurteilte kürzlich den im baden-württembergischen Weil am Rhein ­lebenden Daniel K. in einem Berufungsverfahren wegen Sachbeschädigung und Diebstahls zu 30 Tagessätzen à 35 Euro. Sachbeschädigungen am Auto, Müll und rohes Schweinefleisch im Briefkasten, verklebte Türschlösser – mit solchen Taten hatte er eine Familie in seinem Wohnort seit dem Jahr 2013 immer wieder heimgesucht. Auf Anraten der Polizei installierte diese 2015 eine Videokamera an ihrem Haus. So konnte schließlich der Nachbar Daniel K. als Täter überführt werden. Er hatte die Familienmitglieder zuvor mehrfach wegen der schwarzen Hautfarbe des Vaters auf rassistische Weise beleidigt.

Anfang 2016 erwirkte die Familie ein Annäherungsverbot, K.s Vermieter kündigte ihm wegen der Vorfälle die Wohnung. Daraufhin eskalierte die ­Situation. K.s Schwiegersohn schlug im Juni 2016 die Mutter der Familie im Beisein ihres damals sechsjährigen Sohnes auf ­offener Straße zusammen, sie erlitt einen dreifachen Bandscheibenvorfall und ist seither arbeitsunfähig. Während der Attacke soll der Mann gerufen ­haben: »Ich hole meine Kumpels von Pegida.« In den darauffolgenden Wochen versammelten sich beinahe täglich Mitglieder des lokalen Nazimilieus vor dem Haus der Familie und tauchten vor den Schulen der beiden Kinder auf. Nach einem großen Presseecho und Annäherungsverboten, die das Amtsgericht Lörrach gegen einen ­größeren Personenkreis verhängte, entspannte sich die Lage für die Familie in einem gewissen Maß. Dennoch gingen der Familie zufolge die Drohungen weiter.

Das Berufungsverfahren am Oberlandesgericht Freiburg war der vorerst letzte Prozess in dem Fall. Im ­vorangegangenen Verfahren hatte das Amtsgericht Lörrach lediglich 20 ­Tagessätze zu jeweils 35 Euro verhängt, das Oberlandesgericht sah jedoch ­einen weiteren Fall von Sachbeschädigung als erwiesen an. Dennoch blieb das Urteil weit unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 90 Tages­sätzen, da das Gericht den Tatbestand der Nachstellung zwar als naheliegend, aber nicht beweisbar bewertete. Die rassistischen Motive der Taten spielten für das Urteil keine Rolle, wurden in dem Berufungsverfahren aber immerhin angesprochen. Im ursprünglichen Verfahren hatte der Richter sie ignoriert, während K.s Anwalt sie ­gänzlich abgestritten hatte. Unter anderem hatte K.s Verteidiger in seinem Abschlussplädoyer gesagt: »Wer hat sich denn nicht schon einmal ­irgendwann abfällig gegenüber Ausländern geäußert? Da müsste man ja halb Deutschland als rechtsradikal bezeichnen.«

Im Berufungsprozess erfuhr die als Zeugin aussagende Mutter der Familie zudem, dass das Körperverletzungs­verfahren gegen den Schwiegersohn des Angeklagten bereits Ende November 2017 eingestellt worden war. Da die Frau nicht als Nebenklägerin aufgetreten war, war sie über den Beschluss nicht informiert worden. Den Akten zufolge war das Verfahren gegen die Zahlung von 600 Euro eingestellt worden – unverständlich für die arbeits­unfähige Mutter. Auf Nachfrage der Jungle World sagte der Pressesprecher des Amtsgerichts Lörrach, die zustän­dige Richterin habe »eine unklare Situation vorgefunden«, die zur Einstellung des Verfahrens geführt habe. »Gerade in Körperverletzungsverfahren ist dies nicht ungewöhnlich, weil die Zeugenlage unübersichtlich ist«, so der Sprecher. Er räumte jedoch ein, dass die Behörden wegen der politischen Hintergründe des Falls den Versuch hätten unternehmen sollen, diese unklare Situation in einer Hauptverhandlung zu erhellen.

Da dies nicht geschehen ist und die rassistischen Motive wie bereits in der Verhandlung gegen Daniel K. außen vor blieben, gilt die Sache in Weil am Rhein weiterhin als unpolitischer Nachbarschaftsstreit. So muss sich niemand mit der Frage des Rassismus und des Neonazismus in der Gegend auseinandersetzen. Personen aus dem Nazimilieu können sich weiterhin ungestört in Weil am Rhein bewegen. Andreas W., ein örtlicher Funktionär der Nazipartei »Die Rechte«, hat beispielsweise mehrmals das gegen ihn verhängte Annäherungsverbot missachtet und sich dem Haus der Familie genähert. Das Verfahren gegen ihn ruht jedoch, da er als »nicht auffindbar« gilt. Daran ändern auch Anrufe der ­Familie bei der Polizei nichts, wenn W. ihr wieder einmal zu nahe kommt.