Laborbericht - Fliegen haben Spaß beim Sex

The Joy of Sex

Kolumne Von Svenna Triebler

Fruchtfliegen sind gut im Vermehren. Das weiß nicht nur jeder, der den Biomüll mal länger nicht rausgebracht hat, es macht sie auch zu beliebten Labortieren. Die Frage, ob die Zweiflügler Freude an der Sache haben oder einfach blindlings ihrer biologischen Programmierung folgen, scheint müßig. Schließlich ist ihr Nervensystem so simpel aufgebaut, dass man ihnen keine Regungen zutraut, die über einfache Reiz-Reaktions-Schemata hinausgehen.

Ein israelisches Forschungsteam gelangte nun allerdings zu neuen Erkenntnissen in Sachen Fliegensex. Bei den Männchen schütten bestimmte Nervenzellen im Hinterleib einen Botenstoff aus, der eine Ejakula­tion auslöst; normalerweise geschieht das nach allerhand Gebalze samt anschließender Kopulation. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler veränderten die Fliegen gentechnisch so, dass die Nervenzellen ihr Programm automatisch bei Bestrahlung mit Licht einer bestimmten Wellenlänge abspulten; ­sinnigerweise wählten sie als Auslöser rotes Licht, mit dem sie dann einen Teil der Versuchs­arena aus­leuch­teten. Und siehe da: Die Fliegenmänner zog es in den Rotlichtbezirk wie sächsische Touristen auf die Reeperbahn.

Die Forschungsgruppe zog daraus den Schluss, dass ein Samenerguss für die Insekten ein angenehmes Erlebnis ist, beziehungsweise strikt wissenschaftlich ausgedrückt, das neuronale Belohnungssystem stimuliert. Denn das Vermenschlichen von Untersuchungsobjekten ist in den Lebenswissenschaften tabu, auch wenn man inzwischen über die Auffassung eines René Descartes hinaus ist, der selbst Wirbeltiere (Menschen ausgenommen) als reine Maschinen ohne Empfindungsvermögen ansah.

Strenggenommen darf man nicht einmal darüber spekulieren, was wohl etwa in Kater Moritz vor sich geht, wenn er sich mit Frauchens Fellpantoffeln vergnügt – so offensichtlich das aus Laiensicht scheinen mag. Lieber sucht man beharrlich nach evolutionären Vorteilen, die die tierische Autoerotik mit sich bringen könnte: Etwa, dass die jungen Makakenweibchen in Japan, die bei »sexuell motiviertem Verhalten« auf dem Rücken von Hirschen beobachtet wurden, damit für den Ernst der Fortpflanzung üben. Die Zoologinnen und Zoologen, die den Vorgang dokumentierten, wollen aber zumindest nicht ganz ausschließen, dass den Tieren die Reiterspiele schlicht Spaß machen.

Dass zwischen Affenhirnen und den Fliegen­neuronen ein qualitativer Unterschied besteht, soll hier nicht bezweifelt werden. Die Fragestellung der israelischen Forschungsgruppe war denn auch nicht, ob man im Namen der Tierethik bei der Haltung von Insekten deren sexuelle Bedürfnisse berücksichtigen sollte. Vielmehr erhofft sich das Team Erkenntnisse über die physiologischen Grundlagen von Suchterkrankungen. Eine frühere Studie hat bereits gezeigt, dass Fruchtfliegen, denen man den Sex vorenthält, vermehrt dem Alkohol zusprechen. Vielleicht sind Fliegen also doch nur Menschen. Oder umgekehrt.