Steve Bannon will die europäischen Rechtsnationalisten vereinigen, hat ihnen aber nicht viel zu bieten

Ein eigener Weg zur Hölle

Kommentar Von Jörn Schulz

Stephen Bannon will die rechtsnationalistischen Parteien Europas in einer Bewegung vereinigen. Doch viel zu bieten hat der rechtextreme US-Propagandist nicht.

Stephen Bannon pflegt sein Image als »böses Genie«: Er würde »lieber die Hölle regieren als im Himmel dienen«. In welche Kategorie seine Zeit im Weißen Haus als angeblicher Chefstratege von US-Präsident Donald Trump fällt, erläuterte er nicht. Knapp ein Jahr nach seiner Entlassung (so die Darstellung Trumps) beziehungsweise seinem Rücktritt (so Bannons Version) hat er eine Anschlussverwendung gefunden, die im Sinne seines ehemaligen Vorgesetzten sein dürfte. In seinem Bündnis »The Movement« will er rechtsnationalistische Parteien Europas vereinigen, so dass sie nach der Wahl zum Europaparlament im Mai kommenden Jahres eine Fraktion bilden können, die die EU-Gesetzgebung blockiert.

Die Reaktion ist bislang verhalten. Auf mehr als punktuelle Zusammenarbeit wollen sich Politiker der AfD, der FPÖ oder des Rassemblement National nicht einlassen, sofern sie überhaupt etwas mit Bannon zu tun haben wollen. Viel Geld kann er ihnen offenbar nicht bieten, die Rede ist von Koordination und Beratung. Doch schon die Entscheidung, sich US-amerikanischer Führung zu unterstellen, dürfte den europäischen Rechtsnationalisten widerstreben. Ohnehin haben Nationalisten das Problem, dass sie Nationalisten sind und es ihnen daher schwerfällt, sich mit Nationalisten anderer Länder über etwas anderes als gemeinsame Feindbilder zu einigen.

Bannon ist weder Stratege noch Organisator, sein Talent liegt auch nicht in der Formulierung brillanter Programme, sondern in ­seinem Sinn für Provokation und Selbstvermarktung, der ins Leere liefe, gäbe es nicht eine so große Nachfrage nach rechtsextremer Hetze. Hier aber unterscheiden sich die Bedürfnisse des europäischen und des US-amerikanischen Publikums. So teilen keineswegs alle europäischen Rechtsnationalisten Bannons Ziel, die EU zu zerschlagen. In Europa dominiert noch das Sicherheitsdenken, nicht zuletzt bei Männern wie Viktor Orbán, der lieber weiterhin Ungarn regiert, als Bannon zu dienen. Auch andere einflussreiche rechtsnationalistische Parteien wie die FPÖ scheuen das ökonomische Risiko eines Bruchs mit der EU. Das kann sich ändern, derzeit aber kommt das unter Rechtsextremen in den USA populäre apokalyptische Denken im Stil Bannons in Europa nicht gut an.

Die Bedingungen für die Durchsetzung der »illiberalen Demokratie« sind in Europa andere als in den USA. Bannon trägt dazu bei, die rechtsnationalistische Agenda als politische Diskussionsgrund­lage festzusetzen – im EU-Wahlkampf 2019 soll es einmal mehr um Flüchtlingspolitik und Migrationsfragen gehen. Aber auch hier liegt die Schuld nicht beim »bösen Genie« aus den USA.

Emmanuel Macron hat 2017 bewiesen, dass man eine Wahl mit einem explizit proeuropäischen Programm gewinnen kann. Die Unterstützung für die EU-Mitgliedschaft ist, so das Ergebnis einer Eurobarometer-Umfrage im Mai, mit 67 Prozent so hoch wie seit 35 Jahren nicht mehr. Doch teils aus Sympathie mit rechtsnationalistischen Ideen, teils aus Opportunismus, Ideenlosigkeit und strategischen Fehlkalkulationen verzichten die meisten Parteien, inklusive eines beacht­lichen Teils der Sozialdemokratie, darauf, der rechten Diskursstrategie entschieden entgegenzutreten. Dies und die Willfährigkeit, mit der etwa beim EU-Gipfel Ende Juni viele rechtsnationalistische Forderungen erfüllt wurden, sind weitaus größere Gefahren für die EU und die europäische Demokratie als Bannon. Die europäischen Rechtsnationalisten brauchen ihn nicht, sie bahnen sich ­ihren eigenen Weg, um die Hölle zu regieren.