Small Talk mit Martina Renner (Linkspartei) über von Rechtsextremen angelegte Feindeslisten

»Bagatellisierung von Seiten der Behörden«

Small Talk Von Johannes Simon

Mehr als 35 000 Menschen stehen auf verschiedenen sogenannten Feindeslisten von Rechtsextremen. Das teilte die Bundesregierung vergangene Woche als Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei mit. Die Jungle World hat mit der Ab­geordneten Martina Renner gesprochen, die die Anfrage initiierte.

In Ihrer Anfrage ist von drei Listen die Rede, es ging um die des NSU, die des Bundeswehrsoldaten Franco A. und die der Prepper-Gruppe »Nordkreuz« aus Mecklenburg-Vorpommern. Wie schätzen Sie deren Bedeutung ein?
Ich teile die Einschätzung der Sicherheitsbehörden nicht, dass diese Listen, die ja zum Teil Hunderte oder sogar Tausende Namen ­umfassen, keine konkrete Gefahr darstellen. Bei Franco A. wurde ja nicht nur eine Liste gefunden, sondern auch Munition und Aufzeichnungen zu potentiellen Anschlagsorten. Man hatte etwa bei der Amadeu-Antonio-Stiftung die Räumlichkeiten ausgekundschaftet und Skizzen angefertigt. Bei Nordkreuz haben wir eine ähnliche Problematik. Einer der Beschuldigten ist Polizist und hatte in dieser Funktion Zugang zu gesperrten Meldedateien. In Mecklenburg-Vorpommern sind vor allem Politikerinnen und Politiker der Partei »Die Linke« in den Fokus geraten. Wenn man sich die Mühe macht, sich Zugang zu gesperrten Meldeadressen zu verschaffen, und dazu noch Zugang zu Waffen hat, weil man Polizist oder Reservist ist, dann muss die Gefährlichkeit in diesem Kontext betrachtet werden. Die Bagatellisierung dieser Listen von Seiten der Behörden ist absolut sachfremd.

Es wird immer gesagt, das sei nur eine Sammelwut, es gebe keine konkrete Anschlagsplanung. Der NSU ist der Gegenbeweis. Der NSU hat 10 000 Namen gesammelt und er hat Morde und Sprengstoffanschläge begangen. Ähnlich wie bei Franco A. hat man Skizzen zu den Anschlagsorten gefunden. Es gab offenbar eine intensive Ausforschungsarbeit. Wir glauben, dass niemals nur drei Personen diese Arbeit geleistet haben können, sondern dass es Helferinnen und Helfer aus lokalen Naziszenen gegeben hat.

Stimmt es, dass die meisten Menschen, die auf diesen Listen stehen, nicht darüber informiert worden sind?
Ja, die Bundesregierung und die Behörden reden sich damit heraus, das sei Aufgabe der Landeskriminalämter. Ich halte das für falsch. Sowohl zu Franco A. wie zu Nordkreuz führt der Generalbundesanwalt, also eine Bundesbehörde, die Ermittlungen. Das heißt, dass dort auch die Verantwortung liegt, die Betroffenen zu informieren.

Was fordern Sie von den Behörden?
Ganz grundsätzlich braucht es von den ­Sicherheitsbehörden ein Eingeständnis, dass wir es derzeit mit gefährlichen und aktiven rechtsterroristischen Strukturen zu tun haben. Das würde zur Folge haben, dass man Waffenbesitz, Schießübungen und Feindeslisten anders behandelt als derzeit. Jetzt sagt man häufig: Das sind Waffennarren, das sind Dumme-Jungen-Streiche, das ist eine rein abstrakte Gefahr. Und man widerspricht unserer Auffassung, dass es sich um bundesweit organisierte Zusammenhänge handelt. Man sagt, das sind Einzelpersonen, die höchstens lokal ­begrenzt organisiert sind. Viele Menschen haben, gerade vor dem Hintergrund des NSU, berechtigte Angst, in der Bundesrepublik Opfer einer rassistischen Gewalttat zu werden. Wenn man das Schutzversprechen für alle Menschen gelten lassen will, dann müsste man solchen Bestrebungen genauso nachgehen, wie man es zum Beispiel in der jihadistischen Szene tut.