Die Identitäre Bewegung hofft in der Pegida-Stadt Dresden auf offenen Arme

Heimspiel der Patrioten

Die Identitäre Bewegung will ihre politische Relevanz mit einem ­halbkommerziellen Festival in Dresden steigern.

Am Samstag soll in Dresden das Festival »Europa Nostra« der Identitären Bewegung (IB) stattfinden. Als »großspurig angekündigt« und den »üblichen identitären Wanderzirkus« bezeichnet das Antifa-Rechercheteam Dresden (ART) die Veranstaltung. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sie sich vor allem als Merchandising-Event, das Geld in die leeren Kassen der extrem rechten Organisation spülen soll. Diejenigen, die als Redner auftreten sollen, sind zugleich mit ihren eigenen kommerziellen Projekten vertreten, wie zum Beispiel einer Dating-App für Identitäre, einer Biermarke für Nationalisten und eigenen Verlagen. Nach einem hochkarätigen Musikprogramm sucht man vergeblich. Laut Einschätzung des ART haben die Identitären Dresden als Aus­tragungsort gewählt, weil dort »genug Dumme zu finden« seien, die zwischen 25 und 55 Euro Eintritt bezahlen, um sich an den Verkaufsständen der IB und rechter Verlage zu drängeln.

Nach Ansicht der Dresdner Versammlungsbehörde bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der ­Veranstaltung um eine öffentliche, politische Versammlung nach Maßgabe des Versammlungsgesetzes handelt. »Durch die Erhebung eines Eintrittsgelds entfällt das Merkmal der Öffentlichkeit nicht. Vielmehr ist das Merkmal der Öffentlichkeit insbesondere durch den freien Verkauf der Eintrittskarten gegeben«, sagte Rathaussprecher Karl Schuricht der Jungle World.

Proteste gegen rechtsextreme Veranstaltungen fallen in Dresden in der Regel kleiner aus als in anderen Städten. Auch das dürfte ein Grund sein, warum die IB den Ort für ihre Veranstaltung ausgewählt hat. Pegida und ihre Ableger halten nach wie vor wöchentlich rassistische Kundgebungen und Demonstrationen in der Stadt ab. Obwohl das zu einer Abnutzung klassischer Gegenproteste geführt hat, provoziert die anstehende IB-Veranstaltung Widerspruch. Die antirassistische Initiative »Hope – Fight Racism« ruft gemeinsam mit der sächsischen »Linksjugend« zu einer Seebrücken-Demons­tration in Dresden auf.

Zivilgesellschaftliche Gruppen haben in diesem Zusammenhang dem Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) vorgeworfen, er solidarisiere sich nicht ausreichend mit der »Mission Lifeline«. Die Dresdner NGO ist in der Seenotrettung auf dem Mittelmeer aktiv. Schuricht verwies gegenüber der Jungle World auf die Kampagne »Save me«, der sich Dresden bereits im Jahr 2011 angeschlossen habe. Damit habe »die Stadt ihre Bereitschaft erklärt, Flüchtlinge aus Krisengebieten im Rahmen von Resettlement-Programmen des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge und der Bundes­regierung aufzunehmen und die Bedingungen für eine gelingende Integration dieser Menschen zu schaffen«. Nachdem die Kritik an der fehlenden Solidarisierung der Stadt mit dem Dresdner Verein »Mission Lifeline« vergangene Woche in einem offenen Brief geäußert worden war, behauptete ein Rathaussprecher in den Dresdner Neuesten Nachrichten, offene Briefe stellten »keinen konstruktiven Diskurs« dar.
Der Oberbürgermeister selbst plant, am Tag der IB-Veranstaltung im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden gemeinsam mit dem sächsischen »Bündnis gegen Rassismus« eine Demokratiekonferenz zu eröffnen. Das Hygiene-Museum befindet sich in direkter Nachbarschaft der IB-Veranstaltung. Auf der Konferenz soll es nach Angaben der Stadt auch Arbeitsgruppen geben, die sich mit der IB beschäftigen, während die Sonderausstellung »Rassismus – die Erfindung von Menschenrassen« den Besucherinnen und Besuchern den gesamten Tag bei freiem Eintritt zugänglich sein soll. Das Museum will damit nach eigenen Angaben einen inhaltlichen Beitrag gegen die rechtsextreme Veranstaltung leisten. Wie Schuricht sagt, habe sich auf Ini­tiative des Oberbürgermeisters »ein Arbeitskreis formiert, um Aktionen und Aktivitäten zu planen, die sich gegen die von den Identitären verbreiteten Ideologien wenden«. Verschiedene Einrichtungen in der Stadt sollen demnach Plakate gegen die IB aufhängen. Am Abend sollen vor dem Kulturpalast Chöre unter dem Motto »So klingt Dresden« singen.
Antifaschistische Initiativen bemängeln, dass die Stadt die direkte Konfrontation mit der IB in Form ­ei­ner Kundgebung oder Demonstra­tion scheue. Jakob Müschen von der Linksjugend Sachsen sagt: »Erst ab 10 000 unleugbaren Neonazis bequemt man sich mal zu einer Menschen­kette.«
Trotz des Rufs Dresdens als »Hauptstadt des patriotischen Widerstandes« ist fraglich, ob die IB es schafft, die angekündigten 600 Teilnehmer anzu­locken. Bei einem »Jungeuropa-Forum« des extrem rechten Kleinverlegers Philip Stein Anfang August waren lediglich etwa 30 Interessierte aus unterschiedlichen Bundesländern in die Stadt gekommen. Die Veranstaltung wurde in den Räumen der Dresdner Burschenschaft Salamandria abgehalten, deren Haus als ein Zentrum der IB in Sachsen gilt. Nachdem der von Stein geleiteten extrem rechten Vernetzungs- und Finanzierungsplattform »Ein Prozent« die Räume gekündigt worden sind, fehlt es der IB und ihrem Umfeld an Veranstaltungsorten in Dresden. Der Eindruck verstärkt sich, dass die Identitären den Zenit ihrer ­politischen Relevanz überschritten haben. Die Veranstaltung am Samstag kann daher auch als Versuch gewertet werden, ihre politischen Kräfte zu ­reaktivieren.
Die AfD hat so etwas nicht nötig: Sie könnte jüngsten Umfragen zufolge in Sachsen derzeit mit bis zu 24 Prozent der Stimmen und mehr als der Hälfte der Direktmandate rechnen.