Die Versprechungen des neuen mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador sind voller Widersprüche

Das Vabanquespiel

Kommentar Von Wolf-Dieter Vogel

Der neue mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador hat bei seiner Amtseinführung seine Regierungs­vorhaben vorgestellt. Sie strotzen vor Widersprüchen.

Er kniete vor einer indigenen Delegation nieder, versprach Arbeitsplätze, mehr Universitäten und Rente für alle. Und er kündigte das Ende des Neoliberalismus, der Korruption und der Straflosigkeit an. Zwei Stunden lang legte der neue mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador bei seiner Amtseinführung am Samstag im Zentrum von Mexiko-Stadts sein Regierungsprojekt dar. Der Staatschef ließ keinen Zweifel daran, dass nun in Mexiko ein radikaler Wandel vollzogen werde. »Ich brauche euch«, rief er zum Abschluss seiner Rede auf dem Zócalo-Platz seinen etwa 150 000 Anhängern zu. »Ohne euch bin ich nichts.«

Wer dem 65jährigen zuhörte, war versucht zu glauben, dass hier eine friedliche Revolution vonstatten gehe. Dabei ist López Obrador kein Linksradikaler, der die kapitalistischen Verhältnisse überwinden will. Das hat er auch nie behauptet, selbst wenn ihn Konservative mit dem früheren venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez vergleichen und Linke ihn gerne als Genossen sehen würden. López Obrador baut auf einen »ehrlichen« Kapitalismus, darauf, dass Unternehmer ihre Steuern zahlen, Politiker sich nicht korrumpieren lassen und Arbeiter und Bauern nicht kriminell werden, wenn sie unter gerechten Bedingungen ausgebeutet werden. Und tatsächlich wäre das ein großer Fortschritt in einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt, häufig kriminelle Organisationen das Sagen haben und Rechtsstaatlichkeit nicht gegeben ist.

Allerdings ist fraglich, ob López Obrador die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit und zwischen auf Rohstoffexport und Raubbau beruhender Wirtschaftspolitik auf der einen und indigenem Selbstverständnis auf der anderen entschärfen kann. Er will den heimischen Markt stärken. Der Maispreis soll erhöht werden, ­Kredite für die Viehzucht sollen Kleinbauern helfen.

Zugleich versprach sein Stabschef Alfonso Romo ein »Investitionsparadies«. In ­armen Regionen sollen steuerbegünstigte Sonderwirtschaftszonen entstehen, eine neue Raffinerie soll die Erdölproduktion stärken, von einer Abkehr von der sozial und ökologisch problematischen Bergbaupolitik ist nicht die Rede. Das hat schon dazu geführt, dass ­einige Indigene und Linke auf Abstand zu López Obrador gegangen sind. Sie befürchten schlechte Arbeitsbedingungen, die Zerstörung indigener Gebiete und, wie bei der Durchsetzung von umstrittenen Megaprojekten üblich, eine Zunahme der Gewalt.

Um auf der anderen Seite zu punkten, hat López Obrador mit Hilfe einer nicht repräsentativen Volksbefragung den Bau eines Flug­hafens für Mexiko-Stadt zum Stillstand gebracht, in den bereits Milliarden Peso geflossen sind. Die Investoren standen Kopf, der Wert des mexikanischen Peso ging bergab. Kurz danach hat er wiederum Menschenrechtsverteidiger mit einer unerwarteten Ankündigung befremdet. Eine neue, 50 000 Personen starke Nationalgarde soll gegen die organisierte Kriminalität vorgehen. Nach seiner Wahl hatte er sich noch dafür ausgesprochen, die Soldaten von den Straßen abzuziehen, da sie erheblich zu Menschenrechtsverletzungen beigetragen hatten.

Diese Widersprüche werden die Amtszeit des Präsidenten prägen. Vieles bleibt unklar: Wie kann er seine Sozialprojekte finanzieren und den Haushalt stabil halten? Wie will er Sonderwirtschaftszonen schaffen und die Rechte Indigener respektieren? Sein größtes ­Kapital besteht darin, dass er als ehrliche, selbstlose Seele gilt. Als einer, der auf die Hälfte seines Gehalts verzichtet, den Präsidentenpalast nicht bewohnt, sondern zum Kulturzentrum macht und den Präsidentenjet verkauft. Genau das wollten seine Anhänger auf dem Zócalo hören.