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Der rechte Terrorismus wird in den USA immer stärker. Doch die Trump-Regierung interessiert sich dafür kaum.
Innerhalb von nur sieben Tagen wurden in den USA Dutzende Menschen von drei Amokläufern erschossen. Am 28. Juli schoss ein Rechtsextremer bei einem Volksfest in der nordkalifornischen Kleinstadt Gilroy mit einem Schnellfeuergewehr um sich, danach tötete er sich selbst. Am Samstag darauf, dem 3. August, drang ein weiterer Rechtsextremer in der texanischen Grenzstadt El Paso in ein Einkaufszentrum von Walmart ein und schoss um sich, die meisten seiner Opfer waren Latinos. In einer im Internet veröffentlichten Hetzschrift stellte er sich selbst als gerechten Streiter für sein Land dar.
US-Präsident Donald Trump konnte sich kaum dazu aufraffen, auch nur Interesse für die Opfer der Anschläge zu heucheln.
Nur wenige Stunden später schoss in Dayton im Bundesstaat Ohio ein Nachahmer, der allerdings als »linken Ideen« und dem »Satanismus« zugewandt galt, mit einem Automatikgewehr auf Passanten in einem belebten Ausgehviertel und auf seine Schwester, die mit ihm dort angekommen war. Er wurde von den eintreffenden Einsatzkräften erschossen.
Der 3. August sei »einer der tödlichsten Tage in der texanischen Geschichte« gewesen, so der Gouverneur des Bundesstaats, Greg Abbott von der Republikanischen Partei. Nur zwei Monate vor dem Angriff hatten beide Parlamentskammern des Staates ein vom Gouverneur befürwortetes Gesetzespaket verabschiedet, das die Waffengesetze in Texas erheblich lockert, wie die Waffenlobby National Rifle Association (NRA) in einer Pressemitteilung stolz verkündete.
US-Präsident Donald Trump konnte sich kaum dazu aufraffen, auch nur Interesse für die Opfer der Anschläge zu heucheln. Seinen Wochenendurlaub in seinem privaten Golfclub in New Jersey wollte er nicht unterbrechen, nach einer flüchtigen Beileidserklärung ging er auf eine Hochzeitsfeier und ließ sich von seinen Anhängern feiern. Am Montag vergangener Woche kehrte er wieder ins Weiße Haus zurück und hielt eine nichtssagende Rede, in der er pflichtschuldig den Rechtsextremismus verurteilte. Dabei wirkte er jedoch vor allem gelangweilt. Dayton und El Paso besuchte er erst Mitte vergangener Woche, seine Besuche wurden von Protesten gegen zu laxe Waffengesetze und die Regierung Trump begleitet.
Viele US-Medien stellen den Präsidenten nun als eine Art Mittäter dar oder zumindest als Gesinnungsgenossen der Attentäter. Kein Wunder, wählte doch der Todesschütze von El Paso in seinem Manifest ähnliche Worte, wie man sie auch bei Wahlkampfreden Trumps bereits zu hören bekam. Dennoch sollte man mit Schuldzuweisungen vorsichtig sein. Zwar heizt Trump mit seiner Rhetorik den Rassismus in den USA weiter an, aber die Verantwortung für individuelle Verbrechen liegt immer beim Verbrecher.
Allerdings waren zwei der Schützen bekennende Rechtsextreme, und die Regierung Trump hat es bislang versäumt, gegen die rechte Terrorszene vorzugehen. Bei einer Senatsanhörung am 23. Juli – fünf Tage vor dem Massaker in Gilroy – warnte FBI-Direktor Christopher Wray vor Inlandsterrorismus und gab an, das FBI habe dieses Jahr bereits »an die 100 Festnahmen« in diesem Zusammenhang vorgenommen.
Bei den meisten Verdächtigen, gegen die wegen Inlandsterrorismus ermittelt werde, handelt es sich Wray zufolge um Personen, die motiviert seien »von einer Version dessen, was man als Gewalt von white supremacists bezeichnen könnte«. Die US-Geheimdienste gaben bekannt, seit 2016 seien white supremacists, also Rechtsextreme, die der Idee einer »weißen Vorherrschaft« anhängen, in den USA für mehr Morde verantwortlich als jede andere Terrororganisation.
Doch die Regierung interessiert sich für diese Bedrohung kaum. So berichtete der Fernsehsender CNN im November 2017, dass die Regierung Trump in ihrem Haushaltsetat 2018 dem Ministerium für Innere Sicherheit (Department of Homeland Security, DHS) über 200 Millionen US-Dollar zur Bekämpfung von Inlandsterrorismus gestrichen habe.
Beim FBI konzentrieren sich nur noch 20 Prozent der Ermittler auf rechtsextreme Verbrechen, wie das Nachrichtenmagazin Time berichtete. Angeblich habe der Präsident einfach nicht auf die Warnungen des FBI hören wollen. »Selbst wenn wir jetzt hart durchgreifen, wird es Jahre dauern, bis die Dynamik dieser Gruppen geschwächt wird«, so Daryl Johnson, ein ehemaliger Analyst des DHS. »Ich fürchte, wir haben einen Wendepunkt erreicht und werden noch lange Zeit mit dieser Art von Gewalt konfrontiert werden.«
Bei Rechtsextremen in den USA handelt es sich oft um Einzelgänger, die sich im Internet radikalisieren. Die USA erleben gerade Nachahmungseffekte, zukünftige Täter lassen sich von bereits begangenen Taten inspirieren und wollen sich gegenseitig übertreffen. Dazu trägt auch die hitzige Berichterstattung in den Medien bei.
Begünstigt wird diese virale Form der Gewalt aber auch durch die freie Verfügbarkeit von Militärwaffen. Die Verfassung der USA erlaubt zwar den Waffenbesitz zur Selbstverteidigung, doch befördert dies die Gewalteskalation. Zwei der Todesschützen, in Kalifornien und in Texas, benutzten beispielsweise ein Schnellfeuergewehr desselben Typs. Zwar ist diese Art von Gewehr in Kalifornien illegal, doch der Täter von Gilroy kaufte sich die Waffe einfach im Nachbarstaat Nevada und brachte sie dann über die Grenze. Der Walmart-Mörder in Texas konnte sich die Waffe problemlos an Ort und Stelle besorgen.
In seiner Rede am Montag voriger Woche hat Trump ausdrücklich »Geistesgestörtheit und Hass« für die Tat verantwortlich gemacht, von Schusswaffen war nicht die Rede. Laut Adam Winkler, einem Professor für Staatsrecht an der University of California in Los Angeles, gibt es in den USA über 400 Millionen Schusswaffen, pro Jahr werden in den USA über 13.000 Menschen mit Schusswaffen getötet, die meisten davon mit Handfeuerwaffen.
So schockierend große Massaker auch sind, sie machen nur einen kleinen Bruchteil der Gesamtzahl der Opfer aus. Die Demokraten fordern in erster Linie ein Verbot von Sturmgewehren und Schnellfeuerwaffen, um Massenschießereien möglichst zu verhindern, sowie eine bessere Überprüfung der Käufer von Waffen und Kontrolle von Waffenverkäufen allgemein.
Derzeit blockieren die Republikaner noch alle Vorschläge dieser Art. Sie lassen höchstens über red flag-Gesetze mit sich reden, also Gesetze, die es rechtlich ermöglichen sollen, einem potentiellen Amokläufer vor der Tat die Waffen wegzunehmen. Viele fürchten, dass das nicht reichen wird. Zwar wächst mit jedem Massaker die Anzahl der Befürworter strengerer Waffengesetze – besonders hervorgetan hat sich der Jugendliche David Hogg aus Parkland, der nach dem Massaker an seinen Mitschülern zu einem der prominentesten Sprecher der Bewegung für Waffenkontrolle wurde –, aber die Republikaner zeigen sich davon bislang weitgehend unbeeindruckt.
Die Republikanische Partei bezieht erhebliche Spendengelder von der US-Waffenlobby, und insbesondere Trump hat eine enge Verbindung zur NRA – so kann man sich bei Waffen-Shows in Florida gleich als Wähler registrieren lassen, natürlich mit dem Verweis darauf, wer zu wählen sei. Dabei ist die NRA derzeit entscheidend geschwächt, denn die Lobbyorganisation wird von einer Reihe von Korruptionsskandalen erschüttert. Das Wall Street Journal berichtete, dass sich die 76 Vorstandsmitglieder der NRA an den Beiträgen ihrer Mitglieder bereichert haben sollen; der Hauptgeschäftsführer und stellvertretende Vorsitzende der NRA, Wayne LaPierre, soll in den vergangenen 15 Jahren über 200 000 US-Dollar für maßgeschneiderte italienische Anzüge in einer Boutique in Beverly Hills ausgegeben haben.
Gut möglich also, dass die Macht der NRA wegen ihrer internen Finanzskandale langsam zu bröckeln beginnt, zumal die Schießereien an Schulen in Newtown 2012 und Parkland 2018 die Zahl von Waffengegnern in der jungen Generation vergrößert haben. Erstmals gibt es in den USA nun auch gut finanzierte Organisationen für schärfere Waffengesetze, beispielsweise die NGO Everytown for Gun Safety, deren politischer Einfluss der NRA in Zukunft durchaus Konkurrenz machen könnte. Auch zeigen Online-Proteste mittlerweile Wirkung – viele Großhändler in den USA, wie beispielsweise Dick’s Sporting Goods und Walmart, haben sich dem Druck waffenkritischer Konsumenten gebeugt und verkaufen keine Automatikgewehre mehr.
Die Debatte über Schusswaffen könnte für die Republikaner auf lange Sicht zur Belastung werden. Tatsächlich gab es am Wochenende Anzeichen für etwas Bewegung. Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, schloss in einem Radiointerview eine zaghafte Reform nicht mehr kategorisch aus. Noch ist der Kongress in der Sommerpause. Das Magazin Politico berichtete am Wochenende, Trump telefoniere mit Senatoren und Abgeordneten, um eine Strategie zu erarbeiten. Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Morning Consult vom 9. August zufolge befürworten immerhin 55 Prozent der befragten konservativen Wählerinnen und Wähler ein Verbot von Sturmgewehren, aber gerade das hat die Parteispitze bislang immer vehement abgelehnt.
Zumindest einige republikanische Politiker haben sich nach den jüngsten Schießereien dem Ruf nach schärferen Waffengesetzen angeschlossen. Unter ihnen ist auch der konservative Kongressabgeordnete Mike Turner aus Ohio, denn dessen Tochter war bei der Schießerei in Dayton zufällig anwesend. Sie hat das Massaker überlebt. Wenn es um die eigenen Kinder – oder die eigene politische Zukunft – geht, kann es also zu einem Umdenken kommen. Ansonsten ist den Republikanern, allen voran Trump, die Gefährdung der Bevölkerung offensichtlich gleichgültig.