Der Kandidatencheck für den CDU-Vorsitz

Wer kann Kanzlerin?

<p>Es war ein Überraschungsangriff, der einer Maxime des chinesischen Philosophen Sunzi folgte: »Sei in der Lage, lässig zu warten, wenn der Feind sich abmühen muss.« Erst als Helmut Kohl, der scheinb</p>

Es war ein Überraschungsangriff, der einer Maxime des chinesischen Philosophen Sunzi folgte: »Sei in der Lage, lässig zu warten, wenn der Feind sich abmühen muss.« Erst als Helmut Kohl, der scheinbar Unantastbare, 1999 durch eine Wahlniederlage und eine Parteispendenaffäre hinreichend geschwächt war, forderte Angela Merkel in der FAZ, dass die CDU nun »ohne ihr altes Schlachtross« in den Kampf ziehen müsse. »Gib Unterwürfigkeit vor, um die Arroganz des Gegners anzustacheln«, riet Sunzi, und unter Beachtung dieses Grundsatzes schaffte es »Kohls Mädchen«, dem das kaum jemand zugetraut hätte, ihren ehemaligen Paten zu stürzen und siegesgewisse Konkurrenten auszustechen.

Aber die Patriarchen haben dazugelernt und Annegret Kramp-Karrenbauer erfolgreich aus dem Amt der Parteivorsitzenden intrigiert, das sie nur noch bis zur Wahl eines Nachfolgers innehaben wird. Es ist schon eine anspruchsvolle Aufgabe, mehr als 400 000 Mitglieder – Herz-Jesu-Sozialisten, christliche Fundamentalisten, Sozialdarwinisten, NS-Nostalgiker, Liberalkonservative und vor allem viele, viele intrigante Karrieristen – bei Laune und zusammenzuhalten. Doch wer den Vorsitz übernimmt, ist, nachdem Kramp-Karrenbauer dies verwehrt wurde, de facto als Kanzlerkanidat der Union nominiert.

Da die politischen Konflikte in der CDU nun offen ausgetragen werden, folgt der Kampf um den Parteivorsitz nicht mehr den althergebrachten Regeln. Es genügt nicht mehr, in unzähligen Hinterzimmergesprächen zu lavieren und zu intrigieren, um die nötige Mehrheit zu gewinnen. Das ist keineswegs überflüssig geworden, denn am 25. April sollen 1 000 Delegierte den Vorsitzenden wählen, und man darf annehmen, dass machtpolitische Interessen und Klientelismus bei ihrer Entscheidung eine Rolle spielen werden. Es kommt nicht zuletzt darauf an, einflussreiche Landesverbände zu gewinnen.

Die gute Nachricht ist: Die ostdeutschen Landesverbände, in denen die Sympathisanten einer Koalition mit der AfD besonders stark sind, haben relativ wenige Stimmen. Alle zusammen entsenden kaum mehr als 100 Delegierte, Nordrhein-Westfalen allein fast 300. Aber wir sprechen von der CDU, also gibt es dazu zwei schlechte Nachrichten: Auch im Westen ist der rechte Flügel einflussreich, so hat sich der mächtige Landesverband Baden-Württemberg für Friedrich Merz ausgesprochen. Und die Wahl ist geheim, folglich kann bei einem überraschenden Ergebnis jeder Delegierte sagen: »Ich war das nicht.« 

Vor dem Parteitag müssen die Kandidaten in offenem Wettbewerb gegeneinander antreten. Es geht auch um politische Inhalte, und diese Auseinandersetzung ist auch für Menschen von Bedeutung, die nicht die Absicht haben, die Union zu wählen.

Vor allem geht es um die Frage, welche Koalitionsoptionen sich die Union offenhalten will. Auch Friedrich Merz wird nicht offen für eine Koalition mit der AfD werben. Mit ihm als Kanzlerkandidaten dürfte aber eine Koalition mit SPD oder Grünen unwahrscheinlich sein. Bliebe die FDP, doch das reicht höchstwahrscheinlich nicht für eine Mehrheit. Tja, und wäre es dann in staatspolitischer Verantwortung nicht womöglich doch geboten, eine Minderheitsregierung mit Duldung der AfD zu bilden? Gewinnt das Team Laschet-Spahn, wird es gewiss keinen unüberwindlichen antifaschistischen Schutzwall bilden. Aber eine schwarz-grüne Koalition wäre möglich, wohl sogar wahrscheinlich.