Warum Juden weiterhin besser auf massive Holztüren statt auf Antisemitismusbeauftragte vertrauen sollten

Der Holztür vertrauen

Kommentar Von Ralf Fischer

Es gibt viele Antisemitismusbeauftragte. Sie haben viele Aufgaben. Das Leben von Juden wird dadurch nicht sicherer.

Seit vergangener Woche hat Berlin mit dem Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn einen Antisemitismusbeauftragten. Er ist in dem Bundesland aber nicht der einzige: Auch die Berliner Polizei beispielsweise hat einen eigenen Antisemitismusbeauftragten. Zu dessen im Internet einsehbaren Aufgaben und Zielen gehört unter anderem die »externe und interne Netzwerkarbeit«, die »durch die Einrichtung regelmäßiger jours fixes gestärkt« wird. Er soll sich der »fortlaufenden Sensibilisierung« widmen, durch ihn wird die »Sichtbarkeit des Themenfeldes gewährleistet«. Das hat wenig mit dem Kampf gegen den Antisemitismus zu tun, dafür aber viel mit der üblichen Werkelei in behördlichen und zivilgesellschaftlichen Stellen, bei denen es um irgendetwas mit »Antidiskriminierung« oder »Diversity« geht. Ähnliche Aufgaben wie ihr Kollege bei der Polizei hat die Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, mit dem kleinen Unterschied, dass sie noch einen »jährlichen Tätigkeitsbericht« erstellen muss, in dem dann wahrscheinlich steht, wie es mit der Netzwerkarbeit und der Sensibilisierung so gelaufen ist.

Auch andere Bundesländer halten sich neben den jeweiligen Landesbeauftragten ähnliche Funktionsträger bei den Generalstaatsanwaltschaften. Viel hilft in diesem Fall aber doch nicht allzu viel. So blieb Felix Klein, dem »Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus« der Bundesregierung, vor einem Jahr nur der Tipp an Juden, nicht »jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen«, sich also zu verstecken, um nicht angegriffen zu werden.

Antisemitismusbeauftragte in den Generalstaatsanwaltschaften zu haben, könnte sinnvoll sein, denn eine strenge Strafverfolgung antisemitischer Angriffe liegt durchaus im Interesse der jüdischen Gemeinden. Allerdings sprach in Berlin erst kürzlich ein Gericht zwei Personen frei, die im Juni 2017 eine Veranstaltung mit einer Holocaustüberlebenden in der Humboldt-Universität mit Parolen wie »Das Blut des Gaza-Streifens klebt an euren Händen« gestört hatten. Die Anklage wegen Hausfriedensbruchs wurde fallengelassen, weil »kein wirksamer Strafantrag« vorlag, das Verfahren wurde eingestellt auf Kosten des Landes Berlin.

Den »Schutz von jüdischem Leben und von jüdischer Kultur« betrachtet die Berliner Polizei als »einen wichtigen Bestandteil unseres demokratischen Zusammenlebens«. Deshalb hat sie wohl den Antisemitismusbeauftragten inklusive Stellvertreter, schließlich steht das Image der deutschen Hauptstadt auf dem Spiel. Während das Konzept der polizeilichen Antisemitismusprävention gleich in drei Sprachen im Internet einsehbar ist, stehen vor jüdischen Einrichtungen allerdings nicht immer die nötigen Beamten. Erst im vergangenen November kritisierte Yehuda Teichtal, Rabbiner der jüdischen Gemeinde in der Synagoge Chabad Lubawitsch in Wilmersdorf, im Gespräch mit der Taz, dass »der Schutz in kleineren Gemeinden oft unausreichend« sei. Gerade Hinterhofsynagogen, die nicht in Reiseführern auftauchen, werden weniger geschützt.

Ein running gag sind unter Juden die zumeist gelangweilt wirkenden Beamten, die vor den Einrichtungen auf und ab gehen. Wie weit es mit dem »Vertrauen in die Arbeit der Polizei Berlin bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten und der Kriminalprävention« her ist, das der zuständige Antisemitismusbeauftragte stärken soll, zeigt sich daran, dass viele Synagogen auch von israelischen Sicherheitsfirmen oder ehemaligen Angehörigen der israelischen Armee geschützt werden.

Dass sich das Vertrauen von Juden in den deutschen Staat und dessen Institutionen durch die Ernennung von Antisemitismusbeauftragten erhöht, ist angesichts der Rolle, die diesen zugestanden wird, zweifelhaft. Als »Ansprechpartner des Landes Berlin zum Thema Antisemitismus« bezeichnet der Berliner Senat seinen Antisemi­tismusbeauftragten, also als eine Art menschlichen Kummerkasten. Über Befugnisse verfügt ein Antisemitismusbeauftragter ohnehin nicht. So bleibt es für Juden weitaus sinnvoller, einer stabilen Holztür Vertrauen zu schenken.