An »Hygiene-Demonstrationen« beteiligen sich auch Linke

Auch Nazis tragen Batikhose

Kommentar Von Linus Pook

Zwar beteiligten sich auch einige Linke an den Coronademonstrationen, ein Beleg für die sogenannte Hufeisen­theorie ist das jedoch nicht.

Wenn es überhaupt Proteste gegen die Coronademonstrationen Verschwörungsgläubiger gibt, die seit März überall in Deutschland stattfinden, dann sind diese fast immer antifaschistisch. Antifa-­Recherche war es auch, die die Beteiligung Rechtsextremer an den Coronademonstrationen publik machte. Wahr ist aber auch: Die Mischung aus Umsturzphantasien, Antisemitismus und wahnhafter Panikmache wegen vermeintlicher Impf- oder Maskenpflicht finden auch einzelne Linke attraktiv, die vielerorts zu den Demonstrationen stoßen.

In den Pandemiemaßnahmen eine von langer Hand geplante Entrechtung zu sehen oder die Gefährlichkeit des Virus gar zu leugnen, setzte sich als Ansicht in der Rechten gegen die autoritäre rassistische Phantasie durch, man könne Covid-19 etwa mit geschlossenen Grenzen beikommen. Während die Rechten noch stritten, ob die Pandemie eine Lüge oder eine Folge der Migration sei, und organisierte Linke etwa bei kleineren »Leave No One Behind«-Aktionen Solidarität gegen social distancing abwägten, formierte sich um die »Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand« ein breites Bündnis, dessen Proteste das Erscheinungsbild und die Inhalte der großen Coronademonstrationen der folgenden Monate vorwegnahmen.

Anselm Lenz, ein ehemaliger Redakteur der Jungen Welt, und eine Handvoll Mitstreiter – mit einigen hatte er das kapitalismuskritische Kunstkollektiv »Haus Bartleby« gebildet – versammelten im März auf dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz die antisemitische Verschwörungsszene, Rechtsextreme und viele Menschen, die angaben, sich in diesem Rahmen zum ersten Mal politisch zu betätigen. Mit der von der »Kommunikationsstelle« herausgegebenen Zeitung Demokratischer Widerstand beeinflusste sie die Proteste in anderen Städten.

Von Anfang an gaben bei diesen Protesten Einzelne aber auch ihr linkes Selbstverständnis zu erkennen. Die Menschen, die durch Shirts, Jutebeutel oder Plakate ihre Nähe zum geräumten Neuköllner Kiezladen »Friedel 54«, zum Leninismus oder zur palästinensischen marxistisch-leninistischen DFLP ausdrückten, dürften unverdächtig sein, sich als Rechte bloß aus strategischen Gründen linker Symbolik zu bedienen, wie oft über nur vermeintlich linke Protestierende gemutmaßt wird. Ein »No border«-Slogan an einem Lautsprecherwagen und Symbolik von »Pro Asyl« oder der Sammlungsbewegung »Aufstehen« bei der Großdemonstration am 1. August in Berlin zeigten, dass auch nach Monaten der rechten Beteiligung die Coronademonstrationen noch linken Zulauf erhalten. Irreführend sind indes Darstellungen wie etwa die der ZDF-Journalistin Dunja Hayali, denen zufolge bei den Protesten »von ganz rechts bis ganz links« alles vertreten sei. Sie suggerieren, hier zeige sich das bei Extremismustheoretikern beliebte Hufeisen-Theorem – die politischen »Extreme« nähern sich demzufolge einander an – endlich auch praktisch.

Es ist richtig, diesen Darstellungen zu widersprechen und zu benennen, wie stark Rechtsextreme die Proteste prägen und dass manch ein langhaariger Leinenhemdträger ein Neonazi mit Hang zum Mythos des »germanischen Bauerntums« ist. Die Anwesenheit von Linken bei den Protesten zu leugnen oder sie aus der Linken zu exkommunizieren, ist zu einfach und unsolidarisch gegenüber jenen, denen die antisemitische Hetze gilt. Dass sich einige Linke nach wie vor für plumpe Agitation gegen »die da oben« oder Verschwörungserzählungen begeistern und Seite an Seite mit Neonazis demonstrieren, ist ein Umstand, dessen Zutreffen konzediert ­werden muss, um ihn politisch bekämpfen zu können.