Französische Rechtsextreme wandern nach Osteuropa aus

Reinrassig im Osten

Etwa 200 rechtsextreme Franzosen wanderten in den vergangenen Jahren nach Osteuropa aus. Ein neu erschienenes Buch widmet sich dieser besonderen Form der Migration.

Manche hatten sich schon gefragt, wo Daniel Conversano abgeblieben war. Der Franzose, im März 1986 in Grenoble geboren, ist eine Berühmtheit im rechtsextremen Milieu in Frankreich, ein selbsternannter »Verteidiger der weißen und europäischen Rasse«, Prophet eines bevorstehenden »Rassenkriegs«, Betreiber und Autor vielgelesener Blogs wie La France und Vive l’Europe. Facebook und Instagram löschten allerdings im September 2019 seine Profile.

Außerhalb der extremen Rechten wurde Conversano durch die Aufnahmen bekannt, die am 8. Dezember 2016 im Studio des damaligen Youtube-Kanals des früheren Kabarettisten und mittlerweile hauptberuflichen Antisemiten sowie Internet-Geschäftemachers Dieudonné M’bala M’bala entstanden waren. Conversano war zeitweilig dessen technischer Mitarbeiter. An jenem Tag sollte er jedoch in einer Sendung mit dem langjährigen ideologischen Stichwortgeber Dieudonnés – dieser ist in der Öffentlichkeit vor allem unter seinem Vor- und Künstlernamen bekannt – diskutieren, dem gleichfalls fanatisch antisemitischen Schriftsteller Alain Soral. Die Debatte artete schnell aus. Soral beschimpfte Conversano als Zionisten, dieser jenen als Araberfreund. Daraufhin verpasste Soral, der zeitweilig auch Boxunterricht erteilt hatte, Conversano einen rechten Haken. Nach fünfminütiger Unterbrechung und gutem Zureden setzten beide die Diskussion dennoch fort. Kurz darauf wurde Soral jedoch erneut gewalttätig, die Sache endete mit einem Fußtritt in Conversanos Gesicht und einer geplatzten Lippe. Die Szene wurde ausgestrahlt, das Video hunderttausendfach angeklickt, und nicht nur von extremen Rechten.

Völkisch denkende Franzosen sollen sich Daniel Conversano zufolge in Osteuropa niederlassen und ethnisch reine Gemeinschaften bilden.

Mittlerweile lebt Conversano in Bukarest, von wo aus er sich mit verpixeltem Gesicht per Skype an seine Fan­gemeinde in Frankreich wendet. Er wanderte im Oktober 2018 nach Rumänien aus. Diese Entscheidung war weder auf eine plötzliche Offenheit für Migration zurückzuführen, noch erfolgte sie überraschend. Denn bereits im Jahr 2013 hatte Conversano nach einer Reise in die Tschechische Republik öffentlich in lauten Tönen von dem Osten Europas geschwärmt, der vor Zuwanderung »bewahrt« sei: »Kein Schwarzer, kein Araber. Ich hatte den Eindruck, zu mir selbst zu finden.«

Der Mann leitete daraus eine Strategie ab: Völkisch denkende Franzosen sollten sich dort niederlassen und ethnisch reine Gemeinschaften bilden, sich mit osteuropäischen Frauen fortpflanzen und auf die Dauer auch politischen Einfluss nehmen. Auf diese Weise könnten sie im Laufe der Zeit auch auf das bereits durch Einwanderung und Vermischung verdorbene Frankreich zurückwirken. Zum Jahresende 2019 sprach Conversano von 14 Geburten, die bereits in dieser Mission erfolgt seien. Vor seiner Auswanderung hatte er noch an der Spitze der 2016 von ihm gegründeten Gemeinschaft Suavelos (»Glück« auf Keltisch), die etwa 600 aktive Mitglieder zählt, versucht, Landkommunen für Weiße in mehr oder minder abgelegenen Ecken Frankreichs, Belgiens und der Schweiz zu gründen.

Eine Reihe von Gesinnungskumpanen folgten Conversano, dem jungen Journalisten Paul Conge zufolge ungefähr 200. Weitere französische Verteidiger eines Europas der »weißen Rasse« könnten unabhängig von Conversano auf eine ähnliche Idee gekommen sein. Conge, beim Magazin L’Express und zuvor bei der Wochenzeitschrift Marianne tätig, folgte ihren Spuren. Sein Buch zum Thema, »Les Grands-remplacés« (etwa »Die Groß-Ausgetauschten«), in Anlehnung an das von dem rechtsextremen Schriftsteller und Ideologen Renaud Camus entworfene Konzept vom großen Bevölkerungsaustausch (le grand remplacement), ist am 3. September erschienen.

Unter den im Buch Porträtierten findet sich auch ein gewisser »Alexandre«. Von ihm erfährt man, dass er bereits 2017 nach Rumänien auswanderte. Er baute demnach zusammen mit Alain Soral dessen 2011 gegründeten Online-Handel »Kontre Kulture« auf. Dieser Gemischtwarenladen im Internet, als dessen Gründer offiziell allein Soral firmiert und dessen Geschäftsführer Julien Limes ist, wurde mehrfach gerichtlich verurteilt, unter anderem wegen des Vertriebs antisemitischer Klassiker wie »La France juive« von Édouard Drumont aus dem späten 19. Jahrhundert.

Soral wurde am Donnerstag voriger Woche wegen der Wiederaufnahme des bereits gerichtlich verbotenen Vertriebs solcher Schriften zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 134 400 Euro an die liberale Internationale Liga gegen Rassismus und ­Antisemitismus (Licra) verurteilt, die als Nebenklägerin aufgetreten war. Da auch mehrere noch nicht angetretene, zum Teil noch nicht rechtskräftige Haftstrafen gegen Soral ausstehen, die sich insgesamt auf zwei Jahre summieren, scheint seine nähere Zukunft nicht rosig. Sollte er die Geldbuße nicht zahlen, dürfte eine weitere Haftstrafe hinzukommen.

Nach dem völligen Scheitern der im November 2014 von Dieudonné und Soral angekündigten Parteigründung befindet sich deren Strömung im Vergleich zu anderen Fraktionen der extremen Rechten eher im Niedergang. Aber auch aus anderen Unterströmungen des rechtsextremen Milieus kommen die Auswanderer, die es bislang vorwiegend nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien und in die Ukraine zieht.

Soral veröffentlichte im Oktober 2019 ein Video zu Conversanos Auswanderung, das auch auf der von Gamern frequentierten Website www.jeuxvideo.com publiziert wurde. In dieser Szene rekrutierten Conversano und andere immer wieder Anhänger, auch das ist ein Thema in Conges Buch. In dem Video lässt Soral sich über seinen Widersacher aus. »Conversano ist ein Zuhälter in Rumänien«, sagt er. »Er hat ein Netzwerk der Prostitution in Rumänien aufgezogen, wohin er Sozialhilfeempfänger mit identitären Ideen und ohne Sexualleben lockt.«

Diese Anspielung bezieht sich auf Aussagen Conversanos, der sich nicht damit begnügte, die osteuropäischen Zielländer für die Auswanderung von Rassisten mit den Worten anzupreisen, dort lebe man »weit von der postmodernen Verzweiflung Frankreichs, von der sexuellen Frustration und von der alltäglichen Unsicherheit«. Er sagte auch, in Rumänien fänden sich genügend willige Frauen, die vor allem an der Nationalität westeuropäischer Ehemänner interessiert seien: »Sie sehen euch als Pass.« Was er und seinesgleichen jenen vorwerfen, die nach Europa einwandern, praktizieren sie selbst, teils mit Erfolg.