Small Talk mit Heino Stöver zu dem 7. Alternativen Drogenbericht

»Verbote führen zu sozialer Ausgrenzung«

Small Talk Von Jana Borchers

Vergangene Woche stellten die Deutsche Aidshilfe und Akzept e. V., der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit, den »7. Alternativen Drogenbericht« vor, der eine Gegenposition zum Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung bieten soll. Statt Verboten fordern die Verfasser eine liberale Drogenpolitik und Hilfsangebote für Konsumenten. Heino Stöver, Professor für Suchtforschung und Vorsitzender von Akzept e. V., hat mit der Jungle World gesprochen.

In der Kriminalstatistik von 2019 werden 360 000 Drogendelikte aufgeführt. Die Verfasser des alternativen Drogenberichts halten Verbote nicht nur für wirkungslos, sondern auch für schädlich. Warum?
Unkontrollierte Substanzen vom Schwarzmarkt bergen gesundheitliche Risiken. Verbote führen aber auch zu sozialer Ausgrenzung derjenigen, die überführt werden. Das hat dann oft die Wirkung einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung und keine Konsequenz für die Steuerung des Drogenkonsums. Man sollte stattdessen gesundheitspolitische Angebote machen, wie das zum Beispiel in Portugal der Fall ist. Dort werden Menschen, die mit bestimmten Mengen an Drogen angetroffen werden, an eine Beratungsstelle weiterverwiesen.

Wie würde eine staatlich regulierte Abgabe von Drogen ab­laufen und wie unterscheidet sich diese von den sogenannten Konsumräumen, die es bisher in acht Bundesländern gibt?
In Konsumräumen werden nur Rahmenbedingungen bereitgestellt, um die mitgebrachten Drogen unter hygienisch einwand­freien Bedingungen konsumieren zu können. Die Drogen stammen aber nach wie vor vom Schwarzmarkt. Abgabestellen würden bedeuten, dass entweder spezielle Fachgeschäfte eingerichtet werden, wie man das beispielsweise aus Coffeeshops in den Niederlanden kennt. Das forderten die Grünen in ihrem Entwurf des Cannabiskontrollgesetzes. Es könnten auch bestimmte Substanzen in Apotheken verkauft werden, wie die FDP es vorschlägt. Oder man kann beides verbinden.

In Ihrem alternativen Drogenbericht schreiben Sie, dass die Covid-19-Pandemie zu einigen Verbesserungen in der Drogen­politik geführt habe. Welche sind das?
Es hat Verbesserungen im Bereich der Substitutionsbehandlung gegeben, bei der Medikamente als Substitution von Opioiden ­abgegeben werden. Die Behandlung ist während der Pandemie flexibler und unbürokratischer geworden. Vorher war es so, dass man Substanzen nicht nach Hause mitgeben konnte. Wegen der Infektionsgefahr wird von den Patienten nicht mehr verlangt, sich durch die ganze Stadt zu bewegen. Stattdessen können sie die Medikamente bis zu 30 Tage mit nach Hause nehmen. Außerdem können jetzt nicht nur Ärzte, sondern auch von ihnen beauftragte Einrichtungen die Medikamente abgeben. Man muss schauen, dass das auch ­zukünftig ein Erfolg bleibt und nicht nur eine vorübergehende coronabedingte Verbesserung war.

Der diesjährige alternative Drogenbericht ist bereits der siebte dieser Art seit 2014. Setzt die Politik sich mit Ihren Vorschlägen auseinander?
Unterschiedlich. Wir haben in einigen Bereichen zu Erfolgen beigetragen. Beispielsweise haben wir mehrmals ein Verbot von Tabakwerbung gefordert, das ja mittlerweile beschlossen worden ist. Eine Sternstunde war für mich allerdings, als ich einmal in den Bayerischen Landtag eingeladen war für eine Stellungnahme zu Naloxon, ein Antidot bei Opioid-Überdosierung. Am Ende habe ich die Ausschussvorsitzende gefragt, wie denn ausgerechnet Bayern auf Naloxon kommt. Da zog sie aus ihrer Handtasche einen unserer Drogenberichte und sagte: »Hier steht doch drin, dass man das so machen soll.«