In Spanien protestieren Rechtsextreme und Impfgegner gegen Pandemiemaßnahmen

Rechtsextreme Randalierer

Von Jan Marot

In Spanien ist es bei Protesten gegen Coronaregeln zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei gekommen. Rechtsextreme Gruppen hatten zu den Protesten aufgerufen.

Spaniens Regionen, insbesondere Andalusien, Kastilien-León sowie die nordafrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla, verschärften Anfang dieser Woche erneut die Regeln zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie, um steigenden Infektionszahlen entgegenzuwirken. Vorvergangenes Wochenende waren in zahlreichen Städten Proteste gegen Pandemiemaßnahmen zu Gewalt und Zerstörung eskaliert. Dass sich diese Szenen am vergangenen Wochenende nicht wiederholten, war der erhöhten Polizeipräsenz in vielen Städten geschuldet. Einzig in der nordspanischen Stadt Pamplona kam es Samstagnacht zu kleinen Zusammenstößen zwischen Protestierenden und der Polizei.

Am Wochenende zuvor hatten unter anderem in Madrid, Barcelona, ­Bilbao, Santander, Valencia und Málaga Dutzende Mülltonnen gebrannt. Protestierende warfen Steine und Flaschen auf Polizisten, schlugen Aus­lagen ein, verwüsteten Bars und Geschäfte und plünderten Boutiquen. Vielerorts wurden die Randalierer von Balkonen und Fernstern aus beschimpft.

In Barcelona übte sich die mit Schlagstöcken und Schaumgummi­geschossen ausgestattete Polizei an der Plaça de Sant Jaume vor dem Sitz der Regionalregierung und dem Rathaus – verglichen mit ihrem Vorgehen gegen Proteste von Separatisten in der Vergangenheit – in erstaunlicher Zurückhaltung: Vermummte, darunter rechtsextreme Hooligans, schleuderten vor laufenden Fernsehkameras Absperrgitter in Richtung der Polizei.
Die Proteste an besagtem Wochenende endeten nach offiziellen Angaben landesweit mit über 60 Festnahmen und 20 Verletzten, darunter zwölf Polizisten, sowie Sachschäden im mehrstelligen Millionenbereich. Bereits wenige Tage zuvor war es in Pino Montano, einem Stadtviertel in Sevilla, unter dem Ruf »Freiheit für unser Viertel« zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei gekommen.

Bis auf die rechtsextreme Partei Vox verurteilten alle im Parlament vertretenen politischen Kräfte die Unruhen. Vox dagegen zeigte Verständnis für die Protestierenden. »Es sind Spanier, die die Nase voll davon haben, eingesperrt zu sein«, sagte Ignacio Garriga, Mitglied des Exekutivkomitees der Partei. Für die Unruhen machte er minderjährige Migranten ohne elterliche Begleitung verantwortlich. Dabei waren unter den 33 Personen, die in Madrid festgenommenen worden waren, lediglich zwei solcher Migranten.

Viele spanische Medien schrieben die Krawalle »unzufriedenen Anwohnern« oder »radikalen Elementen beider Lager« zu, also Rechten und Linken. Auf Videos, die in den sozialen Medien und im Fernsehen kursierten, waren häufig »Sieg Heil!«-Rufe zu hören und ausgestreckte rechte Arme zu sehen. Die rechtsextreme Kleinpartei Democracia Nacional und die extrem rechte Gruppe Resistencia Española hatten zu Protesten aufgerufen. Nutzer des Kurznachrichtendiensts Telegram, darunter Vox-Anhänger, verbreiteten diese Aufrufe weiter. Marcelino Madrigal, ein Experte für soziale Medien, sagte der linken Online-Zeitung Infolibre, zwischen denen, die die Aufrufe verfassten, denen, die sie weiterverbreiten, und den Protestierenden bestünden durchaus Unterschiede.

De facto sind es vor allem Verschwörungstheoretiker, Impfgegner und Rechtsextreme, die gegen Pandemiemaßnahmen protestieren. Sie fordern gemeinsam »Freiheit« und wollen das »spanische Volk« retten. Am Samstag demonstrierte in Madrid die Gruppe »Polizisten für die Freiheit« gegen (noch gar nicht existierende) Covid-19-Impfungen und die Coronapolitik der Regierung, begleitet von den genannten Gruppen.

Vox klagte vor dem spanischen Verfassungsgericht, mit dem kürzlich von der Regierung für weitere sechs Monate verlängerten Alarmzustand werde die Demonstrationsfreiheit unrechtmäßig beschränkt. Doch dieses Argument wird wohl kaum verfangen. Die Regierung aus der sozialdemokratischen PSOE und dem linken Bündnis Unidas Podemos erlaubt Demonstrationen weiterhin, es muss aber der Mindestabstand zwischen den Teilnehmern garantiert werden.

Gesetze, die Versammlungen und Proteste in Spanien unterbinden sollen, fußten ohnehin viel weiter in der Vergangenheit, wie Carlos Sánchez Almeida, Rechtsanwalt und Präsident der »Plattform zur Verteidigung der Informationsfreiheit« im Gespräch mit der Jungle World sagt. Seit den Demonstrationen der Protestbewegung »15M« in den Jahren 2011 und 2012 versuche der Gesetzgeber, solche Massenproteste zu erschweren. 2015 sei der Aufruf zu Demonstrationen, die in Gewalt münden, gesetzlich zu Terrorismus erklärt worden. Almeida hält es auch für bedenklich, dass die Polizei ohne richterliche Genehmigung Aktivitäten in den sozialen Medien überwacht. Der Tageszeitung ABC zufolge überwachen die Ermittlungsbehörden nach den Unruhen auch Accounts von Antifaschisten und linken Hooligans, denen Konservative vorwerfen, sich an den Protesten beteiligt zu haben.