Mit Hannah Gadsby die Produktionsbedingungen von Comedy im Patriarchat offenlegen

Nadelstiche gegen das Patriarchat

Die Comedian Hannah Gadsby kündigte in ihrer Show »Nanette« das Ende ihrer Bühnen-Karriere an. Sie kehrte zurück – unter den von ihr veränderten Bedingungen von Comedy.

In das Gesicht der patriarchalen Herrschaft zu lachen, ist für Frauen und LGBTIQ* mitunter (lebens-)gefährlich. Leider ist die lakonische Feststellung der Schriftstellerin Margaret Atwood zum Stand des Geschlechterverhält­nisses noch immer aktuell: »Männer haben Angst, dass Frauen über sie ­lachen könnten. Frauen haben Angst, dass Männer sie töten.« Humor ist ­unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen auch eine individuelle Überlebensstrategie, die den witzlosen patriarchalen Zuständen abgerungen wird. Er ist notwendig, um in Abweichung von der heterosexuellen Norm und im Widerspruch zu den alltäglichen Nadelstichen gegen die weibliche Existenz im Patriarchat bestehen zu können.

Die australische Komikerin Hannah Gadsby entwickelt wie so viele andere weibliche und queere Comedians ihren Humor daher folgerichtig zwischen misslungenen Coming-out-Geschichten und Alltagsanekdoten aus dem ­Leben einer lesbischen Frau. Dass sie ihr eigenes Coming-out vor ihrer Großmutter vergessen hatte (»Ich erinnere mich, es stand auf meiner To-do-Liste«), arbeitet sie ebenso in entwaffnende Witze um wie übergriffige Bemerkungen von Männern auf der Hunde­wiese im Park.

Gadbys Show »Nanette« ist letztlich der Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden, was passiert, wenn die Exposition des Witzes das Patriarchat ist.

Den patriarchalen Verhältnissen Humor als Überlebensstrategie abzuringen, ist jedoch – darauf besteht Gadsby in ihrer furiosen Bühnenshow »Na­nette« aus dem Jahr 2017 – unzureichend. Gadsby zeigt, wie Humor unter den gegebenen Verhältnissen durch die Vorwegnahme der Beleidigung, die Antizipation der Demütigung, die Ausstellung der internalisierten Selbstabwertung funktioniert. Dies ist die Bedingung dafür, überhaupt sprechen zu können und Raum einnehmen zu dürfen: »Ich habe mich abgewertet, um die Erlaubnis zum Sprechen zu bekommen.« Diese internalisierte Selbstabwertung im humorvollen Gewand beendet Gadsby mit den Worten: »Und ich werde mir das einfach nicht mehr antun. Nicht mir und niemandem, der oder die sich mit mir identifiziert.«

Diese Form des Humors ist unzureichend, um die eigene Geschichte angemessen erzählen zu können. Der formale Rahmen eines Witzes lässt nur beschränkte narrative Möglichkeiten zur Ver- und Bearbeitung komplexer und oftmals widersprüchlicher gesellschaftlicher Erfahrungen. Drei Stufen müssen reichen: Die Exposition spannt den Rahmen der Geschichte auf, im Zuge der Complicatio wird Spannung aufgebaut, und die Pointe bringt das Ganze zu einem überraschenden Ende. Die aufgebaute Spannung findet ihre Auflösung im befreienden Lachen, das auf die Pointe folgt – Schluss, aus, Vorhang runter und weiter wie gehabt.

Gadbys Show »Nanette« ist letztlich der Versuch, eine Antwort auf die Frage zu finden, was passiert, wenn die Exposition des Witzes das ­Patriarchat ist, der Rahmen der Geschichte also immer schon gegen Frauen und LGBTQ* abgesteckt ist. Wo die Pointe normalerweise den Witz zu einem überraschenden Ende bringt, hält Gadsby inne. Sie setzt die Pointe aus, um jene Geschichten erzählen können, die sie braucht, um der eigenen Wut zum Ausdruck zu verhelfen und so die gesellschaftlichen Strukturen zu adressieren, die diese hervor­gebracht hat.

Sie zeigt zugleich aber auch, dass bereits die Artikulation der eigenen Wut für die meisten Frauen, Lesben und geschlechtlich nichtbinären Personen schwierig ist. Tradierte weibliche Rollenmuster sehen nicht vor, die eigene Geschichte in den Vordergrund zu stellen. Vielmehr sind Frauen oftmals ­Erfüllungsgehilfinnen oder Zuhörerinnen für die Geschichten anderer. Um ­feministisches Bewusstsein, um das Bewusstsein, eine eigene Geschichte zu haben, muss erst gerungen werden. Die Wut über erfahrene Ungleichbehandlung, über den Ausschluss aufgrund des Geschlechts oder des Begehrens wird in feministisches Denken und – im Fall von »Nanette« – in eine radikale Kritik des etablierten Rahmens von Humor und Comedy überführt.

Gadsby zerlegt mit ihrer Show »Nanette« den Erwartungsraum der Stand-up-Comedy, indem sie die Pointe suspendiert: Sie gibt ihre (Gewalt-)Erfahrungen und ihren verinnerlichten Selbsthass nicht zum Lachen frei und erweitert so den Raum dessen, was feministischer Humor sein kann. Grundlagenarbeit, wenn man so möchte – oder eben die Geschichte einer Emanzipation vom patriarchal geprägten Rahmen gegenwärtiger Comedy.

In »Nanette« erzählt Gadsby keine liberale Empowerment-Geschichte der unendlichen Freiheit, in denen Frauen und LGBTQ* die Zumutungen der pat­riarchalen Vergesellschaftung selbstbestimmt überwinden, ohne dem Publikum die Pointe zu versauen. Sie bricht formal wie inhaltlich mit der im Rahmen von Comedy herrschenden ­Erwartung, dass Frauen und nichtbinäre Personen, wenn sie schon auf der Bühne stehen, doch bitte denselben Hass gegen sich richten sollen, den ­ihnen sonst männliche Komiker entgegenbringen: natürlich mit Verve und zwei Lachern am Ende. Die eigene, oftmals auch körperliche Anspannung wird durch die verstellte Pointe ans Publikum zurückgeben. Humor, der die Mechanismen von Herrschaft entlarven will, bedarf eines Subjekts, das den Verhältnissen ins Gesicht lacht, ohne die eigenen Erfahrungen zum Lachen freizugeben. Er macht es zugleich unmöglich, sich lachend frei zu machen von den gesellschaftlichen Gewaltverhältnissen.

Hannah Gadsby beendete mit »Nanette« nicht, wie in der Show angekündigt, ihre Karriere als Comedian. Sie hat jedoch mit der Show den von ihr verinnerlichten, lächerlich-machenden Außenblick auf ihre Person beendet. Über ihre reflektierte Bearbeitung des eigenen Selbsthasses, durch die Subversion der komödiantischen Mittel, die ihr zur Verfügung stehen, emanzipiert sie sich. Das erzeugt Vorfreude auf alles, was nach »Nanette« kommen wird, auf alle Comedians, die den Raum besetzen werden, den Gadsby ihnen geöffnet hat.

Hannah Gadsbys neue Show »Douglas« ist nur der Anfang – ist die Pointe des patriarchalen Rahmens einmal suspendiert, liegen die Produktionsbedingungen offen und ermöglichen neue und eigene Geschichten als Nadelstiche gegen das Patriarchat, die ­wehtun.