Im US-amerikanischen Baseball wird über Clubnamen diskutiert

Die letzten »Indians« von Cleveland

Im US-amerikanischen Baseball wird über Rassismus diskutiert. Im Zentrum der Debatte stehen einmal mehr kritikwürdige Mannschaftsnamen und das Verhältnis zur rassistischen Vergangenheit.

Wenn alles nach Plan läuft, soll am 1. April die neue Saison der US-amerikanischen Major League Baseball (MLB) beginnen. Es wird wohl die letzte sein, die die Cleveland Indians ­unter diesem Namen spielen. Im Dezember kündigte der Verein an, den umstrittenen Namen abzulegen und einen neuen zu suchen. Bereits 2018 hatte er sich von Chief Wahoo getrennt, einem Logo, das in stereotyper Weise einen Native American darstellt. Dass die Verantwortlichen nun noch einen Schritt weiter gehen, liegt auch an den Ereignissen des vergangenen Jahres.

Im Zuge der landesweiten Proteste nach dem gewaltsamen Tod George Floyds im Mai 2020 war auch die Kritik an rassistischen Namen, Logos und Maskottchen von Sportvereinen wieder lauter geworden. Mittlerweile erwägen in der Eishockeyliga NHL die Vancouver Canucks und die Chicago Blackhawks, sich neue Logos zu geben. Auch bei den Kansas City Chiefs im American Football und den Atlanta Braves im Baseball sind seit langem schwelende Debatten neu aufgeflammt.
Die größten Schlagzeilen machte im Juli die Ankündigung der Washington Redskins, ihren bereits seit vielen Jahren kritisierten Namen abzulegen. Einen neuen gibt es bislang nicht; die abgelaufene Saison der Nation Football League (NFL) bestritt die Mannschaft als Washington Football Team.

Bereits 1972 wurden die Savages der Dickinson State University (North Dakota) in Blue Hawks umbenannt, ein Jahr später folgte das gleichnamige Team der Eastern Washington University, das seither Eagles heißt.

Weniger Aufmerksamkeit erhielten die Edmonton Eskimos aus der Canadian Football League (CFL), die ihren Namen bereits zehn Tage vor dem Verein aus Washington, D.C., abgelegt hatten. Die Mannschaft läuft vorübergehend schlicht als Edmonton ­Football Team auf. Ein neuer Name wird noch gesucht, als Favorit gilt Edmonton Eagles.

Die Debatte ist alles andere als neu. Bereits 1972 wurden die Savages der Dickinson State University (North Dakota) in Blue Hawks umbenannt, ein Jahr später folgte das gleichnamige Team der Eastern Washington University, das seither ­Eagles heißt. Ein Jahr darauf änderten die Dartmouth College Indians ­ihren Namen in Big Green. In den Jahren zuvor hatten die Bürgerrechtsbewegung und die Studentenproteste in den USA die gesellschaftliche, vor allem aber auch die universitäre Aufmerksamkeit in bis dahin ungekannter Weise auf das Thema Rassismus gelenkt und damit den Boden für diese erste Welle von Umbenennungen bereitet.

Zu einer zweiten Welle kam es in den Neunzigern und zu Anfang des Jahrtausends vor allem bei Collegeteams. Auch sie stand in direktem zeitlichen Zusammenhang mit einer gesellschaftlichen Debatte über Rassismus – damals ausgelöst durch den Freispruch für vier Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King halbtot geprügelt hatten, was im April 1992 zu schweren Ausschreitungen vor allem in Los Angeles geführt hatte. Es ist also wenig verwunderlich, dass die Ereignisse von Ferguson, Baltimore, Minneapolis und Kenosha die Diskussionen erneut angefacht haben. Die Kontroversen über rassistische Namen und Logos von Sportteams sind Ausdruck gesellschaftliche Konflikte – damals wie heute.

Besonders deutlich wird das am Beispiel der Killingly High School in der Kleinstadt Killingly in Connecticut. Etwa 90 Prozent der Einwohner sind weiß. Obwohl es dort mehr registrierte Wähler der Demokraten als der Republikaner gibt, konnte Donald Trump in den beiden vergangenen Präsidentschaftswahlen die Mehrheit der Stimmen holen.

Seit 2013 gab es in Killingly Diskussionen darüber, die Sportteams der örtlichen High School umzubenennen, weil der Name Redmen rassistisch ist, was auch in der Nähe lebende Native Americans wiederholt kritisiert hatten. 2019 entschied die demokratische Mehrheit des Killingly Board of Education schließlich, die Mannschaften in Redhawks umzubenennen. Zuvor hatten bei einer Umfrage an der Schule 58 Prozent der Lehrer und sonstigen Angestellten für eine Umbenennung gestimmt, bei den Schülern jedoch 59 Prozent dagegen.

Als im November 2019 das Board of Education neu gewählt wurde, holten republikanische Kandidaten, die den neuen Namen zum einzigen Wahlkampfthema gemacht hatten, die absolute Mehrheit der Sitze. Prompt wurde die Entscheidung im Januar 2020 rückgängig gemacht. Einer der neu Gewählten, die für die Rückumbenennung stimmten, war Jason Muscara, ein ehemaliges Mitglied der American Guard, einer Gruppe der Alt-Right. Dass er am Tag der Abstimmung versuchte, ein Kamerateam des Fernsehsenders CNN aus dem Sitzungssaal zu verweisen, passt ins Bild.

Anhänger von Donald Trump, Konservative und sogenannte weiße Nationalisten nutzen solche Diskussionen über rassistische Vereinsnamen für ihren reaktionären Kulturkampf. Wenn sie wie in Killingly gewinnen, können sie das als Zeichen ihrer Stärke verbuchen. Verlieren sie jedoch wie in Cleveland und Washington, dann gilt ihnen das nur als ein weiterer Beleg für eine Verschwörung von Liberalen, Sozialisten, Feministinnen und den fake news verbreitenden Mainstream-Medien.

Es dürfte daher spannend werden zu sehen, wie es in Cleveland weitergeht. Einer der Namen, die für die ehemaligen Indians im Gespräch sind, ist Buckeyes. Das war der Name eines Baseball-Teams aus Cleveland, das in den vierziger Jahren in der Negro American League spielte und 1945 sogar die Negro World Series gewann. Bereits dreimal spielten die Indians in den vergangenen Jahren in sogenannten Throwback Jerseys, also Retro-Trikots der Buckeyes. Abwegig wäre die Namenswahl nicht. Sie wäre zudem eine Sensation, denn das Verhältnis der MLB zu den Negro Leagues ist alles andere als einfach.

Das beginnt schon damit, dass es überhaupt Negro Leagues gab. Zwar spielten in den Anfangsjahren vereinzelt schwarze Spieler in der National League und der American Association, durch eine Vereinbarung der Clubbesitzer waren sie ab 1884 jedoch de facto vom Spielbetrieb der Major Leagues ausgeschlossen. Die Entstehung schwarzer Teams und schwarzer Ligen – in denen vereinzelt auch Weiße spielten – war die logische Reaktion darauf. Es gab die Negro Leagues also nur deshalb, weil die Major Leagues in der Hand weißer Rassisten waren.

Erst 1947 spielte mit dem heutzutage legendären Jackie Robinson wieder ein Afroamerikaner in der MLB, genauer gesagt bei den Brooklyn Dodgers. Die meisten anderen Teams zogen bald nach, mit Ausnahme der Boston Red Sox, die sich noch bis 1959 weigerten, schwarze Spieler aufzunehmen. Dass diese in der Liga so schnell Fuß fassen konnten, lag vor allem daran, dass die Teams der Ne­gro Leagues keineswegs schlechter waren als jene der Major Leagues. Dem Dokumentarfilmer Ken Burns zufolge gewannen Teams aus den Negro Leagues von 438 Freundschaftsspielen gegen Mannschaften aus den Major Leagues 309, also über 70 Prozent.

Allein was das Leistungsniveau angeht, ist es also folgerichtig, dass die MLB seit Mitte Dezember in ihren Statistiken sieben Negro Leagues als gleichwertige Major Leagues anerkennt. Es gibt jedoch auch Kritik an der Entscheidung, die Negro Leagues in die Statistiken aufzunehmen. So befürchtet Howard Bryant, ein Kommentator des Sportsenders ESPN, die MLB könne versuchen, ihre eigene unrühmliche Geschichte zu glätten. Bislang fiel die MLB bei vielen kontroversen Themen, allem voran beim Doping, in der Tat eher damit auf, unliebsame Aspekte unter den Teppich zu kehren, als damit, transparent mit den Problemen umzugehen.

Doch im derzeitigen Fall scheint diese Gefahr nicht groß zu sein. Wer die überaus wichtige Statistik für das beste sogenannte batting average, die Offensivleistung eines Spielers, über eine gesamte Saison hinweg ansieht, wird dort bald mit Josh Gibson einen Spieler aus den Negro Leagues auf dem ersten Platz finden. 1943 erzielte er für die Homestead Grays ein batting average von .441 oder, je nach Berechnung, sogar von sagenhaften .466. Der bisherige offizielle Rekord lag bei .440, Hugh Duffy stellte ihn 1894 bei den Boston Beaneaters auf.

Der letzte Spieler der MLB, der überhaupt auf mehr als .400 kam, war Ted Williams von den Boston Red Sox im Jahr 1941. Es ist also gut möglich, dass Gibsons Rekord lange Bestand haben wird. Niemand wird von ihm sprechen können, ohne auch von den Negro Leagues zu reden und sich die Frage zu stellen, wie es jemals so etwas Absurdes wie nach vermeintlichen Rassen getrennte Sportligen geben konnte.