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Der ehemalige NPD-Politiker Michael Schäfer veröffentlicht nun Comics. Das Geld dafür kommt von dem neurechten Verein »Ein Prozent für unser Land«, die Ideen aus dem Fundus identitärer Medienarbeit.
Der extrem rechte Verein »Ein Prozent für unser Land« macht nach dem im Herbst veröffentlichten Videospiel »Heimat Defender: Rebellion« nun auch in Comics und hat dafür mit »Hydra Comics« in Dresden einen eigenen Verlag gegründet. Verantwortlich für das Projekt ist Michael Schäfer. Der ehemalige Bundesvorsitzende der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationalisten« ist mittlerweile fester Mitarbeiter von »Ein Prozent«. Er fungiert nicht nur als Herausgeber, sondern ist auch der Autor aller drei Geschichten in der ersten Ausgabe des Comics.
Die Zeitschrift muss höchstens die Anwälte von Sahra Wagenknecht fürchten. Die Politikerin wird in einem Zeitreisen-Comic nämlich zur Kanzlerkandidatin der AfD.
Rechtsextreme Ideologie als Comic verpackt – das klingt gefährlich und wird dementsprechend kritisch vom Antifa-Infoblatt bis Blick nach rechts diskutiert. In der Praxis wirkt das Schaffen von »Hydra Comics« aber reichlich unbeholfen. Wer an den »politisch unkorrekten Bildgeschichten« der ersten Ausgabe von »Hydra« irgendwie Spaß hat, war vermutlich auch vorher schon rechtsextrem.
Held der ersten Geschichte ist ein Dauerstudent der Politikwissenschaft, der nach einer durchzechten Nacht in einer Burschenschaft Assistent eines Physikprofessors wird. Selbst Rechtsextreme wissen, dass die Qualifikation bei der Karriereplanung weniger wichtig ist und Verbindungen über alles entscheiden. Der besagte Physikprofessor hat eine Zeitmaschine erfunden und möchte damit in das Jahr 2016 zurückreisen, um den von einem Islamisten begangenen Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz zu verhindern. Weil er daran scheitert, wird er zum fiktiven Märtyrer, hinter den die realen Opfer eines furchtbaren Terroranschlags zurücktreten.
Die Abenteuer erreichen künstlerisch etwa das Level von Andi, dem Helden des »politischen Aufklärungs-Comics« des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen, der Jugendliche vor den Gefahren von Islamismus, Rechtsextremismus und Linksextremismus warnen soll. Kennerinnen und Kenner denken vielleicht auch an die kurzen Traktate des 2016 verstorbenen evangelikalen Cartoonisten Jack T. Chick. Diese Comics wollen nicht unterhalten, sondern Propaganda verbreiten, und das merkt man beim Lesen jeder Seite. Panels und Figuren sind Abziehfiguren aus dem reichen Schatz der Comic-Geschichte. Hinter bekannten Genre-Konventionen und fan art stecken altbackene Einschlafgeschichten für die mit der Moderne hoffnungslos überforderte rechte Seele.
Inhaltlich hält sich das Comic relativ eng an die ideologischen Vorgaben der identitären Bewegung. Diese medienaffine rechtsextreme Bewegung hat ihren Ursprung in Frankreich und Italien. Unter Bezugnahme auf die Hegemonie-Theorien des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci wildern Identitäre im popkulturellen Feld, um ihre faschistische Ideologie aufzuhübschen. In allen drei Comics des ersten »Hydra«-Bandes werden die Feindbilder als jüdisch oder links markiert; der ehemalige US-Präsident Donald Trump fungiert als guter Mensch, der jüdische Investor George Soros – ein seit einigen Jahren typisches Feindbild für Rechtsextreme und Antisemiten – als Bösewicht. An Verschwörungstheorien und Seitenhieben auf die Presse fehlt es auch nicht. Eigentlich vermeidet die Bildsprache der Identitären, denen »Ein Prozent« nahesteht, tunlichst jeglichen Bezug auf historische Nationalsozialisten. Statt Adolf Hitler, Heinrich Himmler und Rudolf Heß beziehen die Identitären sich lieber auf in Deutschland weniger geächtete Namen der faschistischen Bewegung wie auf den des italienischen Esoterikers und Rassisten Julius Evola oder den des reaktionären japanischen Schriftstellers Yukio Mishima.
Die zweite Geschichte des Bandes zeichnet eine rechtsextreme Utopie, die stilistisch an Mike Mignolas »Hellboy« angelehnt ist. Weil es an brauchbaren realen Beispielen für ein hippes faschistisches Utopia mangelt, greift Schäfer hier auf ein ausgelutschtes Science-Fiction-Klischee zurück: Nazis auf dem Mond, nicht als Bedrohung, sondern als überlegene Gesellschaft. »Nazis« sagen in dem Comic allerdings nur »die Bösen«, die Mond-Germanen selbst berufen sich auf ein deutsches Raumfahrtprojekt aus dem Zweiten Weltkrieg, um »eigene Wege zu gehen«, dazu die Zeichnung einer V-2-Rakete – die Verweise sind deutlich. Doch diese technologisch hoch überlegene Mondzivilisation findet kurioserweise ihren mächtigen Gegenspieler in der linken Szene Berlins. Die gefährlichste Gang des Universums ist die Antifa.
Das Nachwort des »Hydra«-Auftaktbandes zeigt ganz gut die Strategie, mit der das rechtsextreme Projekt Anschluss an die Comic-Szene sucht und auf welche Hindernisse es dabei stößt. In einem kurzen Aufsatz schreibt Michael Schäfer, Warren Ellis sei sein liebster Comic-Autor. Einerseits hat Warren Ellis 2020 seine Karriere vorerst beendet, nachdem knapp 100 Frauen und geschlechtlich nichtbinäre Personen ihm Manipulation, sexuelle Nötigung und emotionalen Missbrauch vorgeworfen hatten. Sich ausgerechnet 2020 so überschwänglich zu Warren Ellis zu bekennen, passt in die frauenfeindliche Agenda der Rechten. Andererseits hatte Ellis in seinem Newsletter kurz zuvor auch die folgenden Sätze geschrieben: »Es ist immer richtig, Nazis zu schlagen. Sie haben ihr Recht verwirkt, nicht ins Gesicht geschlagen zu werden.«
In identitären Medienstrategien regelmäßig eingeplant ist die ablehnende Reaktion anderer Medien. Das Fachmagazin Comixene hatte die Gründung des Verlags in seiner jüngsten Ausgabe kurz angekündigt und dabei arglos aus dem euphorischen Pressetext zitiert. Der Trubel in der Comic-Szene danach war groß und hat dem Verlag damit in kurzer Zeit große Aufmerksamkeit verschafft. »Das Ausmaß der Verstrickung in rechtsextreme Kreise war mir nicht klar. Natürlich wird die Comixene diesen Veröffentlichungen kein Forum bieten«, schrieb der Chefredakteur René Lehner später auf Facebook.
Seitdem kolportiert der Verlag auf Twitter die klassisch rechtsextreme Opfergeschichte, der linke Mainstream wolle seine Comics verbieten. »I read banned Comics«, postet der Verlag stolz auf Twitter; im Impressum des Comics steht: »Für alle Sittenwächter, Zensurfreunde und Gesinnungswächter: Schaut doch einfach mal ins Grundgesetz in den Artikel 5.« Dass die erste Ausgabe des Comics nur an Erwachsene verkauft werden darf, liegt allerdings nicht am explosiven Inhalt seiner Geschichten, sondern an einer Werbeanzeige für das mittlerweile indizierte Videospiel »Heimat Defender« von »Ein Prozent«. Ansonsten muss die Zeitschrift höchstens die Anwälte von Sahra Wagenknecht fürchten. Die Politikerin wird in dem Zeitreisen-Comic nämlich zur Kanzlerkandidatin der AfD.
Klassisch identitär ist auch die vorgespiegelte Größe des Projektes. Was sich als gigantische Jugendbewegung präsentiert, sind oft nur zwei oder drei Burschenschaftler mit ausreichend Zeit und Geld. Sämtliche Texte in der ersten Ausgabe von »Hydra« stammen von Schäfer selbst und im Impressum steht als Erscheinungsweise die bemerkenswerte Formulierung: »Unregelmäßig (liegt auch daran, wie die Autoren, Zeichner und Leser mitmachen).« So ganz scheint man bei »Hydra Comics« den eigenen Leuten und deren Begeisterung für das Projekt nicht zu trauen.
Sollten die Ergebnisse allerdings weiter so aussehen, kann man aus antifaschistischer Perspektive eigentlich ganz zufrieden sein, wenn »Ein Prozent« sein Geld für die künstlerische Selbstverwirklichung ehemaliger NPD-Kader ausgibt. Dieser Comic macht vielleicht Nazis zu Comic-Fans, aber kaum Comic-Fans zu Nazis.