Nach dem Tod des tschadischen Präsidenten Idriss Déby regiert eine von dessen Sohn geführte Junta

Der Sieger im Sarg

Die Präsidentschaftswahl im Tschad hatte der Amtsinhaber Idriss Déby angeblich gewonnen, doch wenige Tage später wurde er von Rebellen getötet. Die Macht hat eine Militärjunta unter Führung seines Sohns übernommen – mit Unterstützung Frankreichs und der EU.

Auch triumphale Erfolgsmeldungen konnten ihm am Ende nicht mehr helfen. Am Montag voriger Woche gab das Regime des seit Dezember 1990 amtierenden Präsidenten des Tschad, Idriss Déby Itno, dessen Wiederwahl für eine sechste Amtszeit mit 79,32 Prozent der abgegebenen Stimmen bekannt. Die Behörden behaupteten, die Wahlbeteiligung acht Tage zuvor, am 11. April, habe 64,81 Prozent betragen.

Nicht nur Oppositionelle, sondern auch ausländische Beobachter, zum Beispiel die des in Frankreich publizierten, auf Afrika-Politik spezialisierten Internetmagazins Afrique actuelle, sprachen jedoch von verbreitetem Desinteresse an der Wahl, die für die trotz Erdölförderung im Land mehrheitlich bitterarme Bevölkerung keine war. Hatte doch der Terror des Regimes ­sichergestellt, dass am Sieg Débys von vornherein kein Zweifel bestehen konnte.

Wo es nötig war, wurde tatkräftig nachgeholfen. Wollte jemand als Kandidat gegen Déby antreten, bekam er alsbald die Gewalt des Regimes zu spüren – so wie Yaya Dillo. Dieser meldete im Februar eine Kandidatur an. Daraufhin wurde sein Haus von Ordnungskräften belagert, ein Panzer fuhr auf, schließlich wurde es gestürmt, seine 80jährige Mutter und sein elfjähriger Sohn wurden dabei getötet. Yaya Dillo gilt seither als flüchtig, nach ihm wird intensiv gefahndet. In Frankreich, dessen Regierung das tschadische Regime unterstützt, berichtete der Sender Radio France Internationale (RFI) zurückhaltend über einen »Zwischenfall« an Dillos Wohnsitz.

Idriss Déby konnte sich jedoch über seinen vermeintlichen Wahlsieg nicht mehr freuen; als die offiziellen Zahlen publiziert wurden, war er wahrscheinlich bereits tot. Zwar gaben Armeesprecher in der Hauptstadt N’Djamena den Tod des 68jährigen erst am Dienstag voriger Woche bekannt, doch war Déby wahrscheinlich schon am Sonntag zuvor gestorben, noch vor der amt­lichen Bekanntgabe der Wahlresultate.

Déby kam bei Kämpfen im Sahara-Gebirgszug Tibesti ums Leben. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass er im Wüstenkrieg durch den Sand robbte, doch mutmaßlich befehligte er die Kämpfer im Feld von einem Gefechtsstand aus. Dabei wurde er offenbar tödlich getroffen. Am Tag zuvor hatte die 2016 gegründete Rebellengruppe Front für Machtwechsel und Eintracht im Tschad (Fact) bekanntgegeben, 15 namentlich von ihr aufgelistete Generäle getötet und Idriss Déby verletzt zu haben. Das Regime verkündete gleichzeitig, man habe 300 Rebellen getötet und fünf Soldaten verloren.

Im Süden des Nachbarstaats Libyen sind mehrere von dort aus im Tschad agierende Rebellengruppen ansässig, unter anderem Fact sowie dessen Abspaltung, der Rat des militärischen Oberbefehls für die Rettung der Republik (CCSMR). Die Anführer beider Gruppen waren zuvor als politische Flüchtlinge in Frankreich anerkannt worden. Jener des Fact, Mahamat Mahdi Ali, war 1989 nach Frankreich gekommen, hatte dort Jura und Politikwissenschaften studiert und war zeitweilig bei einer früheren Regierungspartei, dem mittlerweile fast bedeutungslos gewordenen Parti Socialiste (PS), aktiv gewesen.

Doch die französischen Regierungen halten seit vielen Jahren unverbrüchlich zum Regime des Tschad. Der französische Außen- und frühere Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian war 30 Jahre lang mit Idriss Déby befreundet. Die französische Wirtschaftszeitung La Tribune schrieb am Donnerstag ­voriger Woche, die französische Armee habe die tschadischen Truppen mit Luftaufklärung gegen die Attacken des Fact unterstützt, was der Generalstab jedoch dementierte.

Frankreich intervenierte in den Jahren 1969, 1972, 1983/1984, 1986, im Februar 2008 und zuletzt drei Tage lang im Februar 2019 militärisch im Tschad, um das dortige Regime vor Invasoren und Rebellen zu schützen. Seit den achtziger Jahren, als Libyen unter seinem damaligen Staatschef Muammar al-Gaddafi den nördlichen Tschad ­angriff und einen Wüstenkrieg führte, ist die fran­zösische Armee dort dauerhaft stationiert; bereits zuvor unterhielt sie Stützpunkte im Tschad. Im Dezember 1990 hatte man hingegen Idriss Déby gewähren lassen, als dieser mit Waffengewalt die Macht übernahm. In N’Djamena unterhält die französische Militäroperation Barkhane, die gegen islamistische Organisationen in der gesamten Sahelzone vorgeht, seit 2014 ihr Hauptquartier, der Tschad gilt Frankreich als einer der wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen den Jihadismus.

Nach Débys Tod übernahm dessen 37jähriger Sohn Mahamat Idriss Déby Itno, der unter seinem Vater zum Viersternegeneral befördert worden war, an der Spitze eines Militärrats die politische Macht. Die juristischen Regeln hätten zwar vorgesehen, dass Parlamentspräsident Haroun Kabadi die Übergangsperiode leitet. Ihn sperrte die Armee jedoch kurzerhand ein, Parlament und zivile Regierung wurden aufgelöst. Am Montag wurde Idriss Débys bisheriger, weitgehend willfäh­riger Ministerpräsident Albert Pahimi Padacké wieder in sein Amt eingesetzt.

In Paris rechtfertigte Außenminister Jean-Yves Le Drian die Absetzung Kabadis und die Einsetzung der Militärregierung mit den »außergewöhnlichen Umständen« und Sicherheitsimpera­tiven. Präsident Emmanuel Macron nahm, ebenso wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, am Freitag vergangener Woche in N’Djamena an den Beerdigungsfeierlichkeiten für Déby teil. Dabei brachten beide eine 18monatige »Übergangsperiode« unter Leitung der Militärs ins Spiel.

Dem widersetzt sich die zivile Opposition im Tschad, sie rief zu Demons­trationen im In- und Ausland auf. Am Montagabend verbot der tschadische Sicherheitsminister Souleyman Abakar Adoum Demonstrationen, am Dienstag gingen die Ordnungskräfte in N’Dja­mena mit Tränengas gegen Protestversammlungen vor; bislang wurden drei Todesopfer gemeldet. Bei einer Kundgebung von tschadischen Exiloppositionellen und politischen Flüchtlingen am Sonntag auf der Place de la République in Paris sagte der Oppositionspolitiker Abakar Assileck, die französische Botschaft in N’Djamena kontaktiere Parteiführer im Tschad telefonisch und bedrohe sie, falls sie der Militärführung ihre Unterstützung verweigerten.

Das Magazin Jeune Afrique publizierte am Donnerstag voriger Woche die Namen der 18 Mitglieder des regierenden Militärrats. Unter ihnen sind altgediente Experten für Repression sowie einige Männer, die eher als Technokraten eingestuft werden. Einige wurden in Frankreich ausgebildet, Amine Ahmat Idriss auch in Russland. Mehrere Mitglieder garantieren auch eine Verbindung zum Nachbarstaat Sudan, wo nach dem Sturz des Diktators Omar ­al-Bashir 2019 eine Übergangsperiode eingeleitet wurde, die zivilen Politiker jedoch durch die weiterhin mächtigen Generäle und Milizenführer bedroht werden.

Zu diesen zählt der auch international bekannt gewordene Mohammed Hamdan Dagalo, genannt Hemedti, dessen Truppen für zahlreiche Massaker, Folterungen und Vergewaltigungen verantwortlich waren. Er konnte dennoch von EU-Zahlungen zu Zwecken der Migrationskontrolle profitieren, derzeit gehört er der sudanesischen Übergangsregierung an. Sein Vetter Bichara Issa Djadallah ist nun Mitglied des Militärrats im benachbarten Tschad. Das sind weder für die Menschenrechte noch für den Frieden gute Aussichten. Ein Waffenstillstandsangebot des Fact lehnte das tschadische Regime am Montag ab.