Eine Filterpflicht für Online-Plattformen bei Uploads birgt Probleme und Gefahren

Schlecht gefiltert

Von Enno Park

Der Bundestag hat die Einführung von Upload-Filtern zum 1. August beschlossen. Das wird die freie Meinungsäußerung beschneiden und für Komplikationen sorgen.

Ab dem 1. August müssen Online-Plattformen wie Youtube, Instagram, Twitch und Tiktok filtern, was ihre Nutzerinnen und Nutzer hochladen. Alle Texte, Bilder, Videos und Klänge sollen ab diesem Zeitpunkt mit einer langen Liste urheberrechtlich geschützten Materials verglichen werden. Findet sich ein Treffer, muss die Plattform den Upload blockieren. Damit ist künftig ein Verfahren gesetzlich vorgeschrieben, welches im Grunde auf Youtube als »Content ID« seit über zehn Jahren im Einsatz ist. Dort zeigte sich bereits, dass solche Filter nicht besonders gut funktionieren.

Das neue Gesetz enthält ein Paradox, das es Plattformen wie Gerichten unmöglich macht, sich daran zu halten.

Da ein Werk in verschiedenen Varianten und Dateiformaten vorliegen kann, reicht es nicht, nur solche Uploads zu blockieren, die mit einem Original identisch sind. Stattdessen arbeiten solche Filter mit ähnlichen Algorithmen, wie sie zum Erkennen von Fingerabdrücken und Gesichtern verwendet werden. Diese sind hochentwickelt und können zum Beispiel Musikstücke auch dann noch erkennen, wenn Teile von ihnen nur zufällig im Hintergrund zu hören sind, zum Beispiel weil ein Radio läuft. Sie liefern dabei aber keine eindeutigen Ergebnisse, sondern rechnen nur die Wahrscheinlichkeit aus, mit der Klänge einem hinterlegten Musikstück entsprechen. Auch wenn sie sehr gut funktionieren, machen sie Fehler. Angesichts der massenhaften Uploads privater Nutzerinnen und Nutzer kommt es durchaus nicht selten zu solchen Fehlern.

Das wäre vielleicht vertretbar, wenn die Automatik wenigstens menschliche Fehler unterbinden würde, aber das ist nicht der Fall. Immer wieder kommt es dazu, dass die Medienindustrie Rechte im System anmeldet, obwohl sie diese nicht besitzt. Das erlebte zum Beispiel Ulrich Kaiser, Professor für Musiktheorie an der Münchner Musikhochschu­le. Er gibt auf seiner Website zwölf Dateien an, die er bei Youtube hochlud. Sie enthielten klassische Musikstücke, deren Urheberrecht längst abgelaufen war. Alle wurden vom Upload-Filter sogleich wegen Urheberrechtsverletzungen gesperrt. Gegen die meisten Sperren konnte Kaiser erfolgreich Einspruch erheben, doch bei zwei Videos weigerte sich das Klassiklabel Deutsche Grammophon beharrlich, diese aufzuheben.

Besonders ärgerlich sind Fälle, in denen Youtuber Videos produzieren, welche so viel Aufsehen erregen, dass sie anschließend in Fernsehsendungen zitiert werden. Immer wieder kommt es in solchen Situationen vor, dass Fernsehproduktionsfirmen ihre Beiträge bei Youtube schützen lassen und daraufhin Videos der eigentlichen Urheberinnen und Urheber gesperrt werden. Zudem können die Upload-Filter mit politischer Absicht missbraucht werden, um beispielsweise die Veröffentlichung eines Videos zu verzögern. So wird es demnächst möglich sein, Musik auf einer Demonstration zu spielen, um zu verhindern, dass Videos der Veranstaltung auf die Plattformen gelangen.

Der Versuch, mit dem neuen Urheberrecht solche Probleme zu beheben, ist gescheitert. Weil Filter unsicher sind und bisweilen komplett versagen, zum Beispiel wenn es darum geht, Parodien oder Zitate zu erkennen, führt es Bagatellgrenzen ein. Die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material darf laut dem neuen Gesetz nicht verhindert werden, wenn drei Kriterien erfüllt sind: Es muss mit neuem Inhalt kombiniert werden, es darf nicht mehr als die Hälfte des ursprünglichen Materials verwendet werden und es muss sich um ein Zitat, eine Parodie, eine ­Karikatur oder ein Pastiche handeln. Als geringfügig und somit gestattet gilt die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Material von höchstens 160 Zeichen Text, 125 Kilobyte Bildmaterial oder 15 Sekunden Audio- und Videoaufnahme.

Diese Regelung wird für Komplikationen sorgen. Das lässt sich am Fall des Rechtsanwalts und Youtubers Christian Solmecke verdeutlichen, der in einem Video den Song »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« des Musikers Danger Dan juristisch kommentiert hat. Häppchen für Häppchen ist er dabei das das ganze Stück durchgegangen. Hochladen konnte Solmecke das Video allerdings nicht, weil Warner Music die Rechte an dem Stück geltend machte und Youtube deswegen den Upload sperrte. Nach Widerspruch von Danger Dan konnte es doch noch veröffentlicht werden. Ein solches Happy End wird nach dem neuen Gesetz jedoch nicht mehr möglich sein. Es schreibt vor, den Upload von Videos zu unterbinden, die mehr als die Hälfte des geschützten Materials enthalten, obwohl ein Zitat wie das von Solmecke grundsätzlich weiterhin legal ist. Verschiedene Teile des deutschen Urheberrechts stehen nun also im Widerspruch zueinander und erschweren die freie Meinungsäußerung.

Das neue Gesetz enthält ein Paradox, das es Plattformen wie Gerichten unmöglich macht, sich daran zu halten. Es ist allerdings fraglich, ob es juristisch überhaupt Bestand haben kann. Die polnische Regierung hat bereits vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die zugrundeliegende EU-Richtlinie geklagt. Die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt auf Erfolg hoffen. Verwirft er die EU-Richtlinie, wäre auch das deutsche Gesetz Makulatur.