Porträt: Die Hongkonger Aktivistin Chow Hang Tung wurde verhaftet

Der unerwünschte Jahrestag

Porträt Von Johannes Simon

<p>Am Freitag voriger Woche, dem 4. Juni, jährte sich die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen) in Peking zum 32.Mal.</p>

Am Freitag voriger Woche, dem 4. Juni, jährte sich die blutige Niederschlagung der Proteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen) in Peking zum 32.Mal. Dass sich seitdem an der Repressionspolitik des chinesischen Staates wenig geändert hat, zeigt die Festnahme von Chow Hang Tung am diesjährigen Jahrestag. Die 36jährige Anwältin ist Vizevorsitzende der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements of China, die 1989 gegründet wurde, um die Tiananmen-Proteste zu unterstützen. Die Allianz setzt sich für die Rehabilitation der damaligen Demokratiebewegung und für das Ende der Einparteienherrschaft in China ein. Die chinesische Regierung hat sie als »subversiv« eingestuft, ihr Vorsitzender, der Generalsekretär des Hongkonger Gewerkschaftsverbands HKCTU, Lee Cheuk-yan, sitzt derzeit im Gefängnis. Er wurde zu einer Haftstrafe von 14 Monaten verurteilt, weil er im August 2019 prodemokratische Proteste organisiert hatte.

Bis heute ist es in China verboten, öffentlich an die Ereignisse vom 4.Juni 1989 zu erinnern. Doch in Hongkong veranstaltet die Allianz seit drei Jahrzehnten zum Jahrestag der Niederschlagung der Tiananmen-Proteste eine Gedenkdemonstration. Voriges Jahr wurde der Protest erstmals verboten. Als Grund wurde die Pandemie angegeben. Trotzdem hatten sich Tausende im Viktoriapark versammelt, wo der Protest traditionell stattfindet. Auch dieses Jahr wurde die Versammlung mit derselben Begründung verboten. Erst voriges Jahr hat die chinesische Regierung ein neues Gesetz zur Nationalen Sicherheit in Hongkong erlassen, das fast unbeschränkte Repressionsmaßnahmen ermöglicht. »Viele fragen, ob die Gedenkveranstaltung nun verschwinden wird«, sagte Chow Hang Tung der BBC einige Wochen vor dem Jahrestag. »Ich denke, wir halten das nun schon seit 30 Jahren durch und es ist gewissermaßen Teil der DNA der Bevölkerung Hongkongs geworden.«

Dieses Jahr wurde der Viktoriapark präventiv von der Polizei gesperrt. Trotzdem fanden sich einige Hundert Menschen zusammen, die mit Kerzen und den Lichtern ihrer Smartphones an die Tiananmen-Proteste erinnerten. Chow Hang Tung wurde jedoch schon am Morgen des 4.Juni verhaftet, ebenso ein 20jähriger Lieferfahrer, dessen Name bloß als Cheung angegeben wurde. Beiden wurde vorgeworfen, auf sozialen Medien zu nichtgenehmigten Versammlungen aufgerufen zu haben. »Ich bin bereit, verhaftet zu werden. So ist es in Hongkong inzwischen«, hatte Chow Hang Tung zuvor der BBC gesagt. »Lasst sie kommen. Ich bin bereit, den Preis zu zahlen, um für die Demokratie zu kämpfen.« Am 5.Juni kam die Anwältin gegen Kaution wieder auf freien Fuß.