Die preisgekrönte Reportage. Werbung für Markt, Moses und ­Moneten

»Niemand mag Moses«

<p>Dunkel glänzt das edle Holzfurnier, dunkel glänzt auch der Sekretär aus dem 18. Jahrhundert, an dem ein Sekretär aus dem 21.</p>

Dunkel glänzt das edle Holzfurnier, dunkel glänzt auch der Sekretär aus dem 18. Jahrhundert, an dem ein Sekretär aus dem 21. Jahrhundert sitzt: Martin Mumbel, Pressesekretär der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Freundlich begrüßt er uns zum Pressetermin, brüht uns ­einen Espresso auf und serviert ihn uns direkt mit der Rechnung über 11,90 Euro. »Eine wichtige Lektion auch für unsere Kundinnen und Kunden«, so Mumbel. »In der sozialen Marktwirtschaft gibt es nichts umsonst. Schon gar nicht von uns!«

Etwas kosten lassen hat sich die arbeitgebernahe Initiative auch die Kampagne gegen die grüne Kanzlerinnenkandidatin Annalena Baerbock, die vergangene Woche in einigen Zeitungen erschien. »Wir dachten uns: Wie können wir die Grünen so unsympathisch wie möglich aussehen lassen? Da dachten wir natürlich sofort an Moses. Niemand mag Moses, mit seinen ganzen Verboten! Verbote bringen niemanden weiter.« Höflich weist er unseren Hinweis zurück, dass Moses’ Verbotstext immerhin viele Tausend Jahre erfolgreich weitergetragen wurde: »Wir sind überzeugt: Die Zehn Gebote wären noch erfolgreicher gewesen, hätten sie gezielte Impulse zur Wirtschaftsförderung enthalten. Was ist zum Beispiel mit der Eselkarren-Industrie? ›Du sollst alle zwei Jahre einen neuen Eselkarren kaufen‹, das hätten wir eine tolle Ergänzung gefunden. Heute hingegen ist das ganze Land da unten Wüste, sag ich mal.«

Für die INSM ist die Aktion trotz heftiger Kritik ein Erfolg: »Im Gegensatz zu vor zehn Jahren war von uns lange Zeit nichts mehr zu hören. Wie denn auch? Fast alles ist ja schon privatisiert. Außer dem Wahlkampf! Da kommen wir ins Spiel.« Wird es noch weitere Impulse von der INSM geben? »Auf jeden Fall. Zum Beispiel vertritt derzeit kein Kandidat glaubwürdig eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Dabei täte das unserer Wirtschaft gut!« Als Nächstes wolle man sich Olaf Scholz vorknöpfen: »Natürlich, der Olaf ist eigentlich unser Mann seit Schröders Zeiten. Aber er müsste sich stärker dafür einsetzen, dass Hartz-IV-Empfänger mit schweren Knüppeln verprügelt werden, als Anreiz für Eigeninitiative. Wenn da weiter nichts von ihm kommt, werden wir ihn als Ungeziefer darstellen, oder als blutsaugenden Vampir.«

 

Aus der Urteilsbegründung: Leo Fischers preisgekrönte ­Reportagen sind in hohem Maße fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen Personen und Geschehnissen sind unbeabsichtigt.