Der Basketball-Nationalspieler Joshiko Saibou verbreitete Verschwörungstheorien

Nicht geimpft im Kader

Der deutsche Basketball-Profi Joshiko Saibou darf in Split beim Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele antreten – obwohl er Verschwörungspropaganda über die Covid-19-Pandemie verbreitete.

Es war eine einfache E-Mail, mit der der Deutsche Basketball-Bund (DBB) am 11. Juni per Pressemitteilung ­seinen erweiterten Kader für das elf Tage später im kroatischen Split gestartete Olympia-Qualifikationsturnier bekanntgab. Aber ein Name in diesem Aufgebot sorgte für gewaltiges Aufsehen: Mit Joshiko Saibou holte Bundestrainer Henrik Rödl ­jemanden in sein Team, der im vergangenen Jahr vor allem abseits des Spielfelds für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Ein Blick zurück: Saibou und seine Freundin, die Weitspringerin Ale­xandra Wester, waren die bekanntesten deutschen Sportler, die sich öffentlich gegen die Coronamaßnahmen der Regierung äußerten. Die vorgeschriebene Mund-Nase-Bedeckung bezeichneten sie als »Maulkorb« und Wester breitete in ihren Instagram-Storys nahezu alles aus, was es an geläufigen Verschwörungstheorien gibt – bis hin zu den Wahnideen der Qanon-Bewegung samt dem sogenannten Pizzagate-Phantasma, demzufolge Hillary Clinton im Zentrum eines von einer Pizzeria aus agierenden Kinderpornorings stehen soll.

Bundestrainer Rödl reagierte auf eine Frage nach Saibou kurz angebunden: »Ich glaube, zu dem Thema ist nun alles gesagt.« Nur hatte er noch gar nichts dazu gesagt.

Als der Spiegel-Redakteur Thilo Neumann sich der Äußerungen Saibous und Westers annahm, veröffentlichte die Leichtathletin seine diesbezügliche Anfrage ebenfalls in ihren Instagram-Storys, zeigte ein Foto von ihm und warf ihn so ihren Anhängern zum Fraß vor.

Nachdem das Paar dann noch am 1. August 2020 Bilder von sich ohne Masken auf der großen Demo der sogenannten Querdenker in Berlin veröffentlicht hatte und dort keine rechten Gruppen gesehen haben wollte, obwohl Rechtsextreme nachweislich in der Bewegung aktiv sind und auch zu diesem Anlass anwesend waren, wurde es Saibous damaligem Club zu viel. Die Telekom Baskets Bonn kündigten ihrem Spieler fristlos. Sie verwiesen darauf, dass Saibou »ein permanentes Infektionsrisiko« sei und »ein wasserdichtes Hygienekonzept mit ihm nicht zu machen« sei.

Für den Spieler war die Kündigung »ein Schlag ins Gesicht der Meinungsfreiheit«. Sein einziges Interview nach dem Rauswurf gab Saibou im Herbst 2020 dem Basketball­magazin Big. Saibou sagte, dass er kein »Coronaleugner« sei, und wehrte sich damit gegen einen der Vorwürfe, die ihm gemacht wurden. Alle anderen brennenden Themen blieben unberührt, es war ein reines Gefälligkeitsinterview.

Nachdem er zuerst gegen seinen Rauswurf geklagt und sich dann mit seinem Bonner Team außergerichtlich geeinigt hatte, wechselte Saibou in die französische Erste Liga zu Champagne Basket nach Reims. Da Alexandra Wester aus sportlichen Gründen nicht mehr dem Olympia-­Kader des Deutschen Leichtathletik-Verbandes angehört, hätte das Thema auf nationaler Ebene eigentlich erledigt sein können. Doch nun versetzte die Nominierung Saibous durch den DBB nicht nur die Basketball-Szene in Aufruhr.

Der Sky-Kommentator Florian Schmidt-Sommerfeld fragte in einem Tweet: »Ist das euer Scheiss Ernst@DBB_Basketball?! Habt ihr null Haltung?« Beim DBB schien man vollkommen überrascht darüber zu sein, welche Lawine man da losgetreten hatte. Erst nach den heftigen Reaktionen gab der Verband am Abend ein dünnes Statement ab, in dem unter anderem stand: »Mit Joshiko Saibou ist vereinbart, dass mit ihm intensive Gespräche geführt werden, sobald er am kommenden Mittwoch zur Mannschaft stößt.« Damit ließ der DBB erkennen, dass es vor der Nominierung keine Gespräche mit Saibou gegeben hatte. Eine am 16. Juni über die Kanäle des DBB verbreitete Stellungnahme von Saibou beruhigte die Gemüter keineswegs: Er gibt in dem Video nur das wieder, was er über ein halbes Jahr zuvor bereits dem Magazin Big erzählt hatte.

Zum Desaster entwickelte sich ­anschließend die Pressekonferenz des DBB vor dem vom 18. bis 20. Juni stattfindenden Supercup in Hamburg, einem renommierten Vierländerturnier. Zwar gestand der Sportdirektor Armin Andres, dass der Verband bei der Bekanntgabe des Kaders große Fehler gemacht habe und sich dafür entschuldigen wolle. »Wir hätten nach der Bekanntgabe in die Offensive gehen müssen«, sagte er. »Wir haben die Sachlage und Tragweite unterschätzt.« Bundestrainer Henrik Rödl, der für die Nominierung Verantwortliche, reagierte jedoch kurz darauf auf die Frage nach Saibou kurz angebunden: »Ich glaube, zu dem Thema ist nun alles gesagt.« Nur hatte Rödl noch gar nichts dazu gesagt.

Dem beim europäischen Spitzenteam ZSKA Moskau spielenden Johannes Voigtmann genügte Saibous substanzlose Mitteilung hingegen nicht. »Da sind einige Punkte, die noch offen sind«, sagte er auf einer Pressekonferenz des DBB. Es sei zwar »ein Grundstein unserer Gesellschaft, dass eine zweite Chance gewährt wird«. Für ihn persönlich sei »aber auch klar, dass jeglicher Versuch, diese Positionen in die Mannschaft zu tragen, darin enden wird, dass entweder er aus der ­Nationalmannschaft geworfen wird oder ich nicht für sie spielen werde. Das muss hier und heute ein Ende haben.«

Auf derselben Pressekonferenz konnte Bundestrainer Rödl im Übrigen auch nicht sagen, wann der ­momentan beim US-amerikanischen Spitzenverein Los Angeles Lakers unter Vertrag stehende Deutsche Dennis Schröder zu seinem Team stoßen werde. Um seinen besten Spieler bei wichtigen Turnieren im Team zu haben, wollte der DBB Schröder in unterwürfiger Haltung weitgehende Sonderrechte unter anderem ­seine Reisekonditionen und seine Entourage betreffend gewähren.

Daraus wird nun nichts, der Spieler wird bei der Qualifikationsrunde in Split nicht im Team sein – man habe sich mit ihm nicht über die Höhe der Versicherungssumme für ihn einigen können, erklärte der DBB Ende letzter Woche. Solche Formalien werden üblicherweise vor der Bekanntgabe von Personalien geklärt.

In den ersten drei Spielen nach der Rückkehr ins Nationalteam glänzte Saibou mit herausragenden Leistungen. Viele seiner verschwörungstheoretischen Beiträge in den sozialen Medien hat er mittlerweile gelöscht. Alexandra Wester gab auf ­Instagram unter dem Titel »Honest Words« ein längeres Statement ab. Sie und Saibou seien voriges Jahr »zu sehr im Fight-Modus« gewesen, das habe »die Menschen gespalten«.

Ein Blick auf Saibous Instagram-­Account lässt allerdings Zweifel an einer Neuorientierung aufkommen: Noch immer folgt er auf der Plattform der Gruppe »Demokratischer Widerstand« um Anselm Lenz, die unter anderem die sogenannten Hygienedemos auf dem Berliner ­Rosa-Luxemburg-Platz veranstaltet hatte, außerdem dem Verschwörungsideologen Heiko Schrang, dem Verschwörungstheorien verbrei­tenden Sender KenFM, der Initiative »Querdenken 711« und dem Sänger und Verschwörungsideologen Xavier Naidoo, vor kurzem mit seinem Song »Ich mach da nicht mit« zur Impfverweigerung aufrief.