Aus einem hässlichen Wahlkampf in Batley und Spen geht Labour knapp als Sieger hervor

Attacken im Wahlkampf

Die britische Labour-Partei konnte die Abgeordnetenwahl im Wahlkreis Batley und Spen knapp für sich entscheiden. Doch der Wahlkampf entwickelte sich zu einer Schlammschlacht.

»Labour ist zurück«, jubelte der Parteivorsitzende Keir Starmer vorige Woche. Doch sprach daraus wohl eher Erleichterung als Triumph. Nachdem ­Labour im Mai eine Nachwahl im Wahlkreis Hartlepool verloren hatte und in den nationalen Umfragen immer schlechter abschnitt, gab es nun endlich gute Nachrichten. Im nordenglischen Wahlkreis Batley und Spen wurde am 1. Juli eine neue Abgeordnete für das britische Unterhaus gewählt. Und obwohl der konservative Kandidat in den Umfragen vorn lag, gewann Kim Leadbeater von der Labour-Partei mit 35,3 Prozent der Stimmen.

Doch beinahe hätte Labour auch hier einen Sitz verloren. Es war nicht nur der Kandidat der Konservativen, Ryan Stephenson, der mit 34,4 Prozent nur knapp auf dem zweiten Platz landete. Neben ihm sowie rechtsextremen Kandidaten trat auch der ehemalige Labour-Politiker und spätere Vorsitzende der Partei Respect, George Galloway, an. Dieser sieht sich selbst als links, ist aber für homophobe und rassistische Bemerkungen, für seine ­Unterstützung der iranischen und russischen Regimes sowie für seinen extremen Antizionismus bekannt. Mit seiner neu gegründeten Workers Party (Arbeiterpartei) zielte er vor allem da­rauf ab, muslimische Wähler gegen Leadbeater aufzuwiegeln. Der Wahlkampf wurde damit zu einer regelrechten Schlammschlacht, bei der auch ­Labour-Wahlkampfmitarbeiterinnen angegriffen wurden.

Galloway schürte auch anti­semitische Ressentiments und verband dies mit einer Kritik an der neuen Führung der Labour-Partei.

Galloway nutzte soziale Spannungen aus, die in Batley und Spen schon lange schwelen. In der von Industriearbeit geprägten Gegend in West Yorkshire ist die Arbeitslosigkeit hoch, der Anteil von Migranten an der Bevölkerung ist groß. Allein in Batley stammen 9,2 Prozent der Einwohner aus Pakistan und 15,9 Prozent aus Indien. Insgesamt sind mehr als 20 Prozent der Wahlberechtigten britisch-asiatischer Herkunft. Die Spannungen kulminierten 2016, als ein Neonazi die Labour-Abgeordnete Jo Cox anschoss und niederstach; sie starb im Krankenhaus in Leeds. Das Attentat ereignete sich, als Cox eine Bürgersprechstunde in der Stadtbibliothek eines Vororts von Batley verließ, wenige Tage vor dem Referendum über den britischen EU-Austritt. Die neu ­gewählte Kim Leadbeater ist die Schwester der Ermordeten.

Bei Batley und Span handelt es sich um eine typisch nordenglische Arbeitergegend, in der historisch meistens Labour gewählt wurde. Doch dass Labour es dieses Mal nicht einfach haben würde, war längst klar. Denn während vielen muslimischen Wählern die Außenpolitik der Partei missfällt, finden nicht Wenige aus den traditionellen Wählermilieus, dass sie sich zu weit von den Interessen der Arbeiter­klasse entfernt habe. Ob diese Ansicht vorrangig ­rassistische Wurzeln hat oder aus der Zurücksetzung einer sozial abgehängten Arbeiterklasse resultiert, ist in Großbritannien seit langem eine politische Streitfrage.

Auch in diesem Wahlkampf gab es Kandidaten von links und rechts, die beanspruchten, die Interessen der Arbeiterklasse besser vertreten zu können als die Labour-Partei. Wie in den vergangenen Jahren trat Thérèse Hirst von der nationalistischen Partei English Democrats an. Die Partei befürwortete früher die Unabhängigkeit Englands vom Vereinigten Königreich und fordert jetzt ein eigenes englisches Parlament. Bei der Nachwahl 2016 landete Hirst mit fünf Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz hinter der damaligen Labour-Wahlsiegerin Tracy Brabin (die Konservativen waren nicht angetreten). Diesmal reichte es aber nur für rund ein halbes Prozent (207 Stimmen).

Eine weitere rechtsextreme Kandidatin war Anne Marie Waters von der ­Partei For Britain. Sie profiliert sich vor allem durch ihre antimuslimische ­Haltung, will die »Islamisierung Europas« verhindern und sagt, dass dafür »viele Menschen deportiert« und ­»Moscheen geschlossen« werden müssten. Am 1. Juli erhielt Waters aber nur 97 Stimmen, zehn weniger als die satirische Monster Raving Loony Party. Auch die United Kingdom Independence Party (Ukip) stellte mit Jack Thomson einen antimuslimischen Kandidaten, schnitt aber mit 151 Stimmen ebenfalls sehr schwach ab.

Die äußerst mageren Ergebnisse der rechtsextremen Parteien werden von den 21,9 Prozent der Stimmen in den Schatten gestellt, die George Galloway mit seiner Workers Party gewinnen konnte. Experten erkennen bei Galloways Kandidatur in Batley und Spen eine klare Taktik, die Stimmen von Muslimen für sich zu gewinnen und diese gegen die Labour-Partei aufzuhetzen. Galloway beutete gezielt die außen­politischen Themen aus, die vielen örtlichen Muslimen wichtig sind, allen voran den israelisch-palästinensischen Konflikt. So fordert der erste Programmpunkt seiner Partei das »Ende aller imperialistischen Kriege und ­finanzieller Dominanz«.

Gleichzeitig schürte Galloway Hass gegen LGBTQ-Personen, indem er behauptete, dass die »Sexualitätspolitik« von Labour die Arbeiterklasse spalte. In Wahlkampfreden in Batley sprach er darüber, wie besorgt er sei, dass Kinder in der Schule etwas über Analsex lernen und darüber, dass sie das Geschlecht wechseln könnten. Er schürte auch antisemitische Ressentiments und verband dies mit einer Kritik an der seit dem vergangen Jahr amtierenden Labour-Führung unter Keir Starmer. Er bezeichnete deren im Vergleich zur vorigen Parteiführung unter Jeremy Corbyn intensivere Bemühungen, antisemitische Mitglieder auszuschließen, als eine »schändliche Kampagne von Goebbels’scher Fiktion«.

Diese Hetze hatte konkrete Auswirkungen auf den Wahlkampf. Auf der Straße pöbelten Gruppen aufgebrachter Muslime Leadbeater und ihre Mit­arbeiterinnen an, Wahlplakate der Labour-Politikerin wurden niedergerissen und mit solchen der Workers Party ersetzt. Leadbeater, die mit ihrer Lebenspartnerin zusammenlebt, wurde bezichtigt, »LGBT-Indoktrination« zu betreiben. Ein Mitglied des Vorstands einer lokalen Moschee erhielt Polizeischutz, nachdem er mit anderen Labour-Unterstützern auf der Straße mit Eiern beworfen worden war. Er sagte: »Das ist der schlimmste Wahlkampf, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Wir sind ein demokratisches Land. Wir sind besorgt und betroffen.«

Leadbeaters Vorgängerin und Parteifreundin Tracy Brabin und deren ­Mitarbeiter wurden auf der Straße von drei Männern angegriffen. Brabin hatte ihren Sitz im Unterhaus aufgegeben, um Bürgermeisterin der Metropolregion West Yorkshire zu werden, wodurch die Nachwahl nötig wurde. Weitere Unterstützerinnen der Partei sollen geschlagen und getreten worden sein. Die Polizei ermittelt in mehreren Fällen. Auch Leadbeater selbst wurde auf der Straße von dem homophoben Agitator Shakeel Afsar aggressiv konfrontiert. Dieser stammt aus Birmingham, wo er sich bereits im Namen »muslimischer Eltern« gegen inklusiven Aufklärungsunterricht an Schulen eingesetzt hat. In einem Video, das den Vorfall dokumentiert und in den Medien kursierte, warnt Afsar: »Wir werden Labour bei jedem Schritt verfolgen (…) Wir werden eure Lügen bloßstellen. Ihr seid die Farbe Rot, die Farbe des Blutes.«