Hertha von Gebhardts Roman »Christian Voß und die Sterne« (1947) über die Judenvernichtung

Im Sommer 1942

Platte Buch Von Gabriele Haefs

<p>Christian Voß kämpft an der Front, bis er 1942 wegen einer Verletzung zurück nach Berlin geschickt wird, wo er als Angestellter in einem pharmazeutischen Forschungsinstitut arbeitet.</p>

Christian Voß kämpft an der Front, bis er 1942 wegen einer Verletzung zurück nach Berlin geschickt wird, wo er als Angestellter in einem pharmazeutischen Forschungsinstitut arbeitet. Es ist Sommer, die Stadt ist seit vielen Wochen von Luftangriffen verschont worden. Christian hofft, dass der Krieg bald vorbei ist und Hitler wieder verschwindet. Von den Zuständen in Nazideutschland weiß er so wenig, dass er einen Laden ausgerechnet während der »Judenstunde« betritt. Außerhalb dieser ist Juden der Einkauf untersagt. Entsprechend lang ist die Warteschlange, in der Christian auf Irene Jonas trifft.

Als einzige Überlebende der Familie teilt Irene die große, ehemals elter­liche Wohnung mit ihren jüdischen Untermietern. Christian verliebt sich in die junge Frau, die nach dem erzwungenen Abbruch ihres Jurastudiums in einer Verwaltung arbeitet, will aber nicht wahrhaben, dass diese Liebe für Irene eine Gefahr bedeutet. Irene kämpft zunächst gegen ihre Gefühle an, aber wenn sie ein bisschen Glück erleben will, dann muss es jetzt sein. Dass sie jeden Augenblick der Befehl ereilen kann, sich zum Sammelpunkt für den Transport nach Theresienstadt zu begeben, weiß sie nur zu gut. Und der Sommer geht schnell zu Ende.

Hertha von Gebhardts Roman »Christian Voß und die Sterne« erschien erstmals 1947 im britischen Sektor Berlins, als in Deutschland ­niemand etwas über die Judenernichtung hören, geschweige denn lesen mochte. Ihr Stil ist nüchtern und elegant; nahezu auf jeder Seite findet sich eine Passage, die eine Aphorismensammlung bereichern könnte. Zum Beispiel: »Manche Leute hierzulande haben ein wahres Bedürfnis, sich zu entrüsten! Wenn sie keine Gelegenheit dazu bekommen, sind sie ganz und gar ungenießbar.« In der Neuauflage des Romans stellt die Herausgeberin Doris Hermanns in einem ausführlichen Nachwort Leben und Werk dieser unbedingt neu zu entdeckenden Autorin dar. Hermanns schreibt auch über die realen Vorbilder der Figuren des Romans, den die Autorin ihren »toten Freunden« widmete.

Hertha von Gebhardt: ­Christian Voß und die Sterne. Aviva-Verlag, Berlin 2021, 386 Seiten, 23 Euro