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Regisseur Raoul Peck porträtiert den jungen Karl Marx im Pariser Exil. Entstanden ist ein Biopic, das besser ins ZDF-Vorabendprogramm passt als auf die Kinoleinwand.
In das Poesiealbum seiner Tochter Jenny schrieb Karl Marx 1865 auf die Frage, was seine Maxime sei: »Homo sum, humani nihil a me alienum puto«. Ins Deutsche übersetzt: Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches erachte ich mir fremd.« Vielleicht war dies auch der Leitsatz von Regisseur Raoul Peck, dessen Film »Der junge Karl Marx« auf der Berlinale Premiere hatte. Die aufwendig ausgestattete Produktion scheint jedenfalls wie gemacht für einen ZDF-Sendeplatz im Vorabendprogramm.
Das Menschliche steht im Zentrum des Films, der sich auf wenige Jahre im Leben von Marx beschränkt – vor allem auf das Exil in Paris. Man sieht Marx, gespielt von August Diehl, rauchen, saufen, kotzen, wieder rauchen, Sex haben, Schach spielen und diskutieren. Dazu bleibt der Film in großen Teilen völlig unbeholfen.
Dies beginnt mit der ersten Szene: Menschen in Lumpen, die Holz im Wald sammeln, werden von anrückender Kavallerie zusammengeschlagen. Darüber der Text von Marx’ »Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz«, der eben dieses Gesetz anprangert. Die Übersichtlichkeit ist von Beginn an Programm: Hier die ausgebeutete Bevölkerung, die Holz sammeln will; dort die Bourgeoisie, geschützt durch das Militär.
Die zweite Vereinfachung folgt auf dem Fuß. Marx diskutiert mit Redaktionskollegen der Rheinischen Zeitung, die wegen seiner Texte zensiert wird und Marx ins Exil zwingt. Hier die »Idealisten«, wie Marx sie despektierlich nennt, dort Marx, der sich mit »Was hätte ich denn tun sollen? Den Mund halten?« gegenüber der Redaktion rechtfertigt und für die anrückende Polizei, die ihn ausweisen wird, nur ein lakonisches »Meine Herren, ich wäre so weit« übrig hat. Der große Held der Arbeiterklasse wird banal überzeichnet.
Die Figur Marx ist dabei aber alles andere als spannend. Facetten kommen erst durch weitere Charaktere in den Film. Vicky Krieps, die großartig Jenny Marx verkörpert, zeigt glaubhaft den Widerspruch zwischen ihrer adeligen Herkunft und dem unsteten Leben an der Seite eines Revolutionärs auf. Friedrich Engels, in dessen Rolle Stefan Konarske etwas hilflos wirkt, plagt sein Status als Sohn eines Fabrikbesitzers. Seine Energie rührt daher, seine Verhältnisse sprengen zu wollen. Dem Vater schreit er dann auch zu: »Ich ersticke!« Man hätte es auch ohne den Schrei verstanden.
Marx scheint für Engels die Rettung zu sein. Doch das Kennenlernen von Marx und Engels ist so fahl, dass man sich die Augen reibt: Binnen Sekunden werden die beiden sich zu Beginn äußerst skeptisch gegenüberstehenden Mittzwanziger die besten Freunde, die mit viel Rotwein und Schachspiel in einer Kneipe feiern. Neben einer albernen Fluchtszene durch Paris, wo beide aufgrund fehlender Papiere vor der Polizei weglaufen müssen, ist es dem Regisseur auch nicht zu blöd, Marx nach einer durchzechten Nacht und nachdem er in den Rinnstein gekotzt hat, Engels besoffen seine elfte Feuerbach-These ins Ohr lallen zu lassen. Was dadurch gewonnen wird? Man weiß es nicht.
So melodramatisch geht es auch weiter: Bei der Ausweisung aus Paris spielt Geigenmusik im Hintergrund, ein Gewitterregen schlägt gegen die Scheiben und Jenny und Karl sitzen bei Rotwein und Kerzenlicht in der düsteren Kammer. Beim Kongress des »Bundes der Gerechten«, den Marx und Engels putschartig übernehmen und zum »Bund der Kommunisten« umbenennen: Orchestermusik, erhobene Fäuste und Leidenschaft. Die letzte Szene: Text aus dem Kommunistischen Manifest und Porträtaufnahmen von Kindern, die Proletarier darstellen sollen und denen zu diesem Zweck noch ein bisschen Ruß ins Gesicht geschmiert wurde.
All dies ist so platt, dass man fast schmunzeln möchte. Diese Überzeichnungen prägen den gesamten Film, der keine Widersprüche zulässt. Es ist ein Film mit Ausrufezeichen, in dem Sachen klar sein sollen. Von Marx kann man indes lernen, dass die Verhältnisse ändern eben auch heißt, sich selbst zu ändern und alles in Frage zu stellen. Der Film stellt nichts in Frage.
Der junge Marx (F/D/B 2017). Regie: Raoul Peck, Darsteller: August Diehl, Stefan Konarske, Vicky Krieps. Start: 2. März