Der neue peruanische Präsident ­Pedro Castillo lehnt Verstaatlichungen ab

Reformpolitik mit Strohhut

Der neue peruanische Präsident Pedro Castillo verspricht unter anderem mehr Geld für Gesundheit und Bildung. Radikale linke Politik ist von ihm aber nicht zu erwarten.

Noch nie sei ein Bauer in das höchste Staatsamt gewählt worden, bemerkte ­Pedro Castillo in seiner Antrittsrede als neuer peruanischer Präsident stolz. Mit dem obligatorischen Strohhut und in einer bestickten Jacke war der 51jährige Dorflehrer im peruanischen Einkammerparlament, dem Kongress, am 28. Juli zur Vereidigung erschienen. Die anschließende Antrittsrede fiel überaus engagiert aus. Castillo machte klar, dass er nicht gekommen sei, um zu verwalten, sondern um zu erneuern. Mehr Geld für Gesundheit und Bildung sowie mehr Ressourcen für kleine und größere landwirtschaftliche Betriebe will er zur Verfügung stellen und gab das Ziel aus, dass bis zum Jahresende 60 Prozent der Peruanerinnen und Peruaner zweifach gegen Covid-19 geimpft sein sollen. Castillo möchte vieles schnell durchsetzen, er will lokale Strukturen stärken und fordert mehr staatliche Leistungen für die Ärmsten. Dazu zählen auch die indigenen Bevölkerungsgruppen Perus, die er mehrfach erwähnte.

Er kündigte an, eine Million Arbeitsplätze durch staatliche Programme zu schaffen, gegen die in Peru omnipräsente Gewalt gegen Frauen vorzugehen und den Präsidentenpalast als koloniales Symbol erst gar nicht zu beziehen, sondern zum Museum zu machen – eine Zäsur in Perus 200jähriger Geschichte als unabhängiger Staat. Auch die Korruption, durch die dem Staat Castillo zufolge rund 20 Milliarden Sol (rund 4,2 Milliarden Euro) im Jahr an Einnahmen entgehen, will er, wie bereits im Wahlkampf angekündigt, bekämpfen. Sie ist eines der dringendsten Probleme der gesamten peruanischen Gesellschaft.

Doch viele Kongressabgeordnete dürfte seine Ankündigung, Justiz und Staatsanwaltschaft zu stärken, in Alarmstimmung versetzen. Denn es sind Abgeordnete, die in der jüngeren Vergangenheit immer wieder in Korruptionsskandale verwickelt waren. Doch auch gegen die Unternehmen, die bestechen, will der neue Präsident vorgehen. Mehr Kontrolle und harte Verhandlungen mit ausländischen Kon­zernen im Erdöl- und Bergbausektor kündigte Castillo an, schloss Verstaat­lichungen aber kategorisch aus. Zuvor hatten Investoren sowie peruanische Unternehmen vor Verstaatlichungen unter einer linken Regierung gewarnt. (Jungle World 25/2021)

Allerdings werde das Bekenntnis zur Verteidigung des Privateigentums allein den konservativen und ultrarechten Fraktionen im Parlament kaum ­reichen, denn es seien auch deren Pfründe, die auf dem Spiel stehen, so Jaime Borda, ein peruanischer Politikwissenschaftler und Koordinator des Netzwerks Red Muqui, das sich für die Belange der Bevölkerung in Bergbaugebieten einsetzt. Längst habe sich die Rechte gegen Castillo formiert, so Borda: »77 der 130 Mandate im Kongress entfallen auf sie. Mehr noch, es kursieren Unterschriftenlisten, um das zentrale Projekt Castillos, die Verfassungsreform, per Gesetz zu torpedieren«, so Borda; die jetzt geltende Verfassung stammt aus dem Jahr 1993 und fördere, wie Castillo sagte, »die Marktwirtschaft zu sehr«. Selbst ein Misstrauensvotum gegen Castillo soll bereits vorbereitet werden, für das 87 Stimmen im Parlament nötig wären.

Der erste Bauer im Präsidentenamt steht von der ersten Minute seiner Amtszeit an unter Druck. Das ist auch ein Grund, weshalb Castillo nicht wie geplant vor seiner Vereidigung die Liste seines Kabinetts präsentierte, sondern erst am vergangenen Samstag. Die brachte ihm deutliche Kritik ein, denn mit Guido Bellido hatte er einen Ministerpräsidenten nominiert, der polarisiert. Der 43jährige, der als enger Vertrauter des Gründers der Partei Perú Libre, Vladimir Cerrón, gilt, und auf deren Fraktion sich der Präsident stützt, ist wie Cerrón linksnationalistischen Traditionen verhaftet, äußerte sich homophob und hegt Sympathien für die einstige maoistische Guerilla Leuchtender Pfad; gegen ihn wird deshalb wegen Rechtfertigung von Terrorismus ermittelt.

»Keine guten Referenzen für die Stelle des Kabinettschefs, wo es gilt zu moderieren, zu verhandeln und Kompromisse zu finden«, so der Entwicklungsexperte Carlos Herz. Das sah auch der designierte Wirtschaftsminister Pedro Francke so, wie er in einem Tweet im Anschluss an die Vereidigung Castillos schrieb. Daher hieß es zunächst, Francke wolle einem Kabinett unter Bellido nicht angehören. Am Freitagabend wurden dann jedoch sowohl er als auch Justizminister AníbalTorres noch vereidigt.

Beides sind wichtige und wegweisende Personalentscheidungen, denn mit Francke tritt ein anerkannter Ökonom an, der für eine »nachhaltige Wirtschaftspolitik mit Chancen für alle, ohne Diskriminierung von Frauen und indigene Ethnien und für Demokratie und einen neuen Solidarpakt« einstehe, wie er selbst sein politisches Engagement definiert. Seit Monaten gilt er als wichtiger politischer Berater Castillos und zugleich als Konkurrent Cerróns.

Dieser konnte selbst nicht für die Präsidentschaft kandidieren, weil er wegen Korruptionsdelikten verurteilt worden ist. Cerrón wurde nachgesagt, dass er nur zu gern das Wirtschaftsministerium übernommen hätte. Doch dem pragmatisch auftretenden Castillo war er offenbar zu radikal. Nicht nur, weil Cerrón die autoritären Regime in Venezuela und Nicaragua verteidigt, sondern auch, weil er für Verstaatlichungen im Erdöl- und Bergbausektor ­Perus plädiert. Cerrón als Minister hätte den Widerstand gegen das erste Ka­binett Castillos erst recht entfacht und die Chance, dass es die Zustimmung des Parlaments erhält, deutlich verringert. Das sei mit Bellido nicht in dem Maße zu erwarten, so Herz.